Nachdem schon W alkhoff die große Übereinstimmung der Kiefer von La Nau-
lette und Spy I ausführlich' besprochen hat, so kann ich aus diesem Grunde einen
Vergleich unseres Kiefers mit dem von La Naulette hier unterlassen und sogleich die
augenfälligeren Unterschiede zwischen unserem Unterkiefer und dem von Spy I kurz
hervorheben. Der wichtigste Unterschied zwischen diesen beiden Kiefern liegt wohl
in dem ungleichen Winkel, den die äußere vordere Kieferplatte an der Symphyse mit
der Kieferbasis einschließt. Während beim Spy I-Kiefer dieser Winkel 84,5° beträgt,
macht er bei unserem Krapina-I-Kiefer 940 aus. Die übrigen Differenzen ergeben sich
am klarsten aus dieser Vergleichstabelle :
U n t e r k i e f e r v o n
Spy 4 ' Krapina J:
— Kieferhöhe an der Symphyse ohne Zähne: . 38,0 mm 42,3 mm
— Kieferdicke an der M e d ia n lin ie :..................... ca. 15,0 „ I5>° »
— Gerade Entfernung des Berührungspunktes zwisehen
d. mittl. J bis zur distalen Fläche des Ms: 60,0 „ 64,0 „
— Entfernung der Mitte der Außenränder der M,: 68,0 „ (Gipsabg.)i 74,ö „
Hü Abstand der Condyli vom Berührungspunkte
der mittleren J: .............................................. ca. 125,0 „
— Länge der 3 Molaren zusammen:..................... 32*3 » (Gipsabg.) 35 >5 »
Unser Unterkiefer gehörte einem älteren Individuum ani, weil alle seine Zähne,
insbesondere aber die Schneidezähne, bereits ziemlich stark abgekaut sind. Er mochte
an 30 Jahre gezählt haben, doch scheint er etwas jünger als der Spy I-Mensch gewesen
zu sein. Freilich ist die Stärke des Abkauens der Zähne in hohem Maße von
der Ernährungsweise abhängig, immerhin aber mag unser Kiefer wenigstens einem
30jährigen angehört haben. Indirekt ließ sich dies außer dem Vorhandensein sämtlicher
Zähne, die, wie bereits bemerkt, ziemlich stark abgenutzt sind, noch aus der
Arthritis de/ormans schließen, welcher unser Kiefer bereits anheim fiel. Die Flächen
der beiden Gelenkköpfe sind dadurch ungleich groß und sehr uneben geworden, und
der rechte davon besitzt außen an dem Höcker knapp unter dem Condylus ein Loch
(Eiterkanal); ferner sieht man an der Basis des rechten P2 und M mehrere Poren.
Außerdem sind besonders die rechtseitigen Zähne mit Zahnstein belegt. Die Arthritis
hat aber hauptsächlich die Gelenkköpfe des Kiefers deformiert, denn im übrigen ist der
Unterkiefer ganz normal verblieben.
Am Kiefer sitzen noch 13 Zähne; es fehlt der linke Mahlzahn, der linke erste
Backenzahn, während der rechte erste Backenzahn zerfressen ist und als Stummel im
Kiefer zurückblieb. Bemerkenswert ist die Art und Weise, wie die Zähne abgekaut
sind. Diesbezüglich möchte ich besonders die Schneidezähne erwähnen, die zwischen
den Eckzähnen eine leicht konkave Linie bilden (wie beim Kiefer von O ch o s ) so ,
daß die mittleren Schneidezähne zugleich die am meisten abgekauten Zähne sind und
die Kaufläche nach vor- und abwärts geneigt ist. Beim Spy I-Kiefer bildet die Kaufläche
der vorderen Zähne im Gegensätze zu unserem Kiefer einen leicht konvexen
Bogen. Während bei unserem Kiefer die Eckzähne die höchste Stelle der Bißfläche
darstellen, so fallen diese beim Spy I-Kiefer bereits in die Linie der nachfolgenden
Zähne ab. Ich halte übrigens diese Abkauung der vorderen Zähne des vorliegenden
Krapina-Kiefers für eine rein individuelle Erscheinung, da die übrigen Krapinakiefer,
eine dem Spy I-Kiefer entsprechende Kaufläche zeigen.
Wie erwähnt ist unser Kiefer etwas prognather als der Spy I-Kiefer, doch
zeichnen sich beide durch eine doppelte Prognathie: die Kiefer- und die Alveolarprognathie
^aus, weil sich die Alveolen der Schneide- und Eck-Zähne von der Kieferplatte
etwas vorwölben. Diese vordere Kieferplatte ist auch noch dadurch ausgezeichnet,
weil sie bei günstiger Beleuchtung dieser Partie das Vorhandensein der ersten Kinnanlage
wahrnehmen läßt. Das Kinn läßt sich als eine äußerst leichte, dreieckige, in der Mitte
etwas erhabene Platte erkennen, welche unten und seitlich, durch je eine sehr flache,
etwas nach abwärts gebogene Rinne von der übrigen Kieferfläche getrennt erscheint
Die seitlichen schmalen Ausläufer der Platte verlaufen bis knapp unter das Foramen
mentale, parallel zur unteren Kieferbasis und gegen die zur Linea obliqua externa hinziehende
Rinne, welche unter jenem Foramen ziemlich stark ausgeprägt ist. Jene oberhalb
der Kieferbasis außen verlaufende Rinne begrenzt eigentlich jenen basalen Wulst,
welcher zur vorderen Kieferplatte angekommen, abbiegt und hier spitz endet, dabei
gleichzeitig die Scheide zwischen beiden Muse, digastrick bildet. Das Foramen mentale
liegt unter dem ersten Molaren; weitere Foramina (sekundäre Erscheinungen; vielleicht
Fisteln) beobachten wir noch unter der Wurzelspitze des I2 rechts und em solches links
unter dem P2.
Die innere Kieferplatte ist ebenfalls sehr bemerkenswert. Wir beobachten
zuerst zwischen beiden It einen kräftigen 31/2 mm starken und ca. 10 mm langen abwärts
ziehenden Wulst, welchen beiderseits je eine mit einem ziemlich starken Foramen versehene
Mulde begleitet. Ferner sehen wir noch am oberen Alveolarrande zwischen
den Eckzähnen eine größere Anzahl kleinerer Poren und Längsfurchen auftreten. Unter
jenem vertikalen Wulste folgt ein leichter Querwulst, unter welchem sich wiederum