Diese Tabelle ist sehr lehrreich. Obzwar unsere Rekonstruktion des C-Schädels
— wie gesagt — bloß auf einer Kombination des G- und E-Fragmentes beruht, so. ist
dieselbe immerhin von Belang, da sich einige gerade sehr wichtige, vom gewöhnlichen
Typus abweichende Werte, auch ohne eine besonders nennenswerte Rekonstruktion
teilweise direkt vom Fragmente entnehmen lassen. Es sind dies der Bregma- und
Stirnwinkel und die Länge der Sehne der Pars glabellarts. Alle anderen Werte entsprechen
denjenigen der bekannten Typen von Neandertal-Spy.
Unser Krapina-Schädel C (den wollen wir nun speziell ins Auge fassen) ist der
breiteste von allen; das habe ich schon bei meiner ersten Rekonstruktion hervörge-
hoben und es bestätigt dies unser neuester, zuverlässiger Befund wohlauf. Diesbezüglich
nähert sich unser Schädel am meisten dem Spy II und jenem von Gibraltar. Bezüglich
der Kalottenhöhe stimmt auch dieser neueste Befund mit den bereits eruierten überein
und es ergibt sich abermals eine große Übereinstimmung mit Spy II (Spy II = 44.3,
Krapina C = 46). Groß sind aber die Abweichungen unseres C-Schädels mit Bezug
auf den^>Stirnwinkel. Dieser Winkel beträgt beim Spy-Neandertalmenschen 62—67°,
erreicht aber bei unserem Schädel den Winkel von 70°, wodurch er sich sehr dem
Stirnwinkel des Gibraltar-Schädels mit 73— 74° und dem tiefsten diesbezüglichen Wert
des rezenten Menschen mit 73° nähert. Aber auch bezüglich des Bregmawinkels ergibt
sich ähnliches: da steht der C-Schädel mit seinen ca. 52° zwischen dem Gibraltarer
mit 50° und dem tiefsten Wert des rezenten Menschen mit 530!
Hinsichtlich des Frontoparietalindex f t 66,4) steht unser C-Schädel ebenfalls
demjenigen des Gibraltarer mit 64,2 ganz nahe.
Einer der wichtigsten Befunde nicht nur am Krapina C-Schädel, sondern auch
an den übrigen 2 Stirnfragmenten aus Krapina ist nämlich der, daß die Länge der
. Sehne der Pars glabellarts keinen höheren Betrag als 28,2— 29,5 erreicht, folglich der
Glabella-Cerebral-Index keinen merklich größeren Wert als 32,7 gegenüber dem gleichen
Index des Spy-Neandertalers mit 41,5—44,2, ausmachen wird. Diesbezüglich stimmt
aber unser C-Schädel außerordentlich gut mit den entsprechenden Werten des oberdiluvialen
Brünner-Schädels mit 31,2 und dem höchsten Werte des rezenten Menschen
mit 31,8 überein.
Diese wenigen Vergleiche ergeben uns auf das bestimmteste, daß die Menschen
von Krapina zur Art Homo primigenius gehören und daß sie sich diesbezüglich auf
das engste an den Schädel Spy II und den aus Gibraltar anschließen, gleichzeitig
aber bezüglich ihrer gewölbten höheren Stirne und dem damit im Zusammenhänge
stehenden größeren Stirn- und Bregma-Winkel, insbesondere aber der kürzeren Sehne
der Pars glabellarts, sich an den oberdiluvialen und durch diesen an den rezenten
Menschen anschließen.
4 Die Variationen des Mensehen von Krapina.
Über dieses Thema habe ich mich bereits des öfteren ausgesprochen. Wenn ich es
hier nochmals tue, so geschieht dies wegen der Vollständigkeit in dieser Monographie
und weil man der provisorischen Aufstellung meiner Varietät Homo primigenius vor
Krapinensis eine größere Bedeutung beigelegt hat, als ich selbst. Bevor ich auf diese
Sache eingehe, möge zuerst ein Bild über die Variationsbreite des Homo von Krapina
entworfen werden. Wir wollen uns diesbezüglich wiederum hauptsächlich mit dem
Schädel als den wichtigsten Teil des Skelettes beschäftigen; von den übrigen Körperteilen
werden wir ebenfalls diejenigen noch in Betracht ziehen, an denen eine Variabilität
ausgesprochen erscheint.
a ) Der Schädel der Kinder im Vergleiche zu jenem der ausgewachsenen Individuen
des H omo p r im ig e n iu s .
Ich habe bereits auf dem Salzburger Anthropologen - Kongreß *) als auch im
„Biologischen Zentralblatt"2) gezeigt, daß die Schädel der Kinder des Homo primigenius
merklich von denen erwachsener Individuen abweichen. Dies lehrten uns besonders
unsere Beschreibungen der Schädelreste A und B. Die wichtigsten Ergebnisse kulminieren
darin, daß das Kind des Homo primigenius gerade so , wie dies auch bei den
Anthropomorphen der Fall ist, hoch keine starken Tori supraorbitales besessen hat,
und daß sich dieselben erst mit der stärkeren Entwickelung der Schläfenmuskeln, also
mit dem individuellen Alter allmählich einstellten. Doch sieht man bereits in der ersten
Anlage der Tori, daß dieselben ein zusammenhängendes Ganze bilden. Die Stirn
selbst war aber typisch fliehend, • doch merklich aufgebläht und der Tuber frontalis
kenntlich entwickelt.
Ein zweiter Unterschied zwischen Schädeln der Kinder und erwachsener Repräsentanten
des H primigenius liegt in der größeren Rundung des Schädels, vornehmlich
der Hinterhauptspartie, an welcher jene so charakteristische Knickung des
1) Korrespondenzblatt der Deutschen anthropol. Gesellsch. Nr. 10, 1905.
a) Biologisches 2 fcntralblatt, Bd. XXV, Nr. 23 u. 24, 1905, pg. 805—812.