III.
Allgemeine Schlussfolgerungen über die Organisationsverhältnisse
des Mensehen von Krapina und
seine Stellung gegenüber den bekannten Vertretern
der Art Homo p r im ig e n iu s .
1. Merkmale des Mensehen von Krapina.
Auf Grundlage der in dieser Monographie ausführlich durchgeführten Besprechung
sämtlicher im Diluvium von Krapina aufgefundener menschlicher Reste kann nun schließlich
zu einer kurzen Zusammenfassung aller bezeichnenden Charaktere des Menschen
von Krapina geschritten werden, die uns dann zugleich eine Diagnose dieses Menschen
darstellen wird. Ich habe bereits eine derartige Diagnose zusammengestellt (siehe: Der
paläolithische Mensch 1905, pag. 225), doch möchte ich auch hier eine dem jetzigen
Stande der Kenntnis seiner Organisationsverhältnisse entsprechende Charakteristik vorausschicken,
um so eine Basis für die weiteren auf derselben fußenden Vergleiche zu
schaffen.
Der Schädel des Menschen von Krapina repräsentiert uns einen breiten Langschädel
mit einem flachen oder bauchigem Dache und gut ausgeprägten Tuber parietale.
Die mehr weniger fliehende Stirn besitzt kräftige Tori supraorbitales, doch mit einer
verhältnismäßig kurzen Pars glabellaris. Der Bregma- und Stirnwinkel sind infolge der
Stirnneigung relativ noch gering, doch überragt die Ausbiegung der Gehirnkapsel
niemals den Supraorbitalrand. Mit der Stirnneigung steht ferner die schiefe Lage der
Iximina cribrosa und der Crista g a lli im Zusammenhang und die Frontonasal-Profillinie
zeigt uns einen charakteristisch geraden Verlauf, der bloß durch die glabellare
Schwellung unterbrochen wird. Bezeichnend ist auch die! occipitale Knickung. — Die
Kiefer sind in verschiedenem Grade prdgnath, insbesondere der Unterkiefer, der uns
diesbezüglich ziemlich große Schwankungen zwischen, einer bereits leichten Rückwärts-
ueigung der vorderen Kieferplatte (die Kieferbasis ins Auge . fassend)-, zu stark vorgebeugten
Kiefern zeigt. Der Unterkiefer ist sehr kräftig und durch den Mangel
eines ausgesprochenen Kinnes ausgezeichnet, wenngleich dasselbe seine erste Anlage
auf weist. Ferner ist die Kieferbasis dick und mehr weniger eben. Die Zähne sind
groß und mit Schmelzfalten versehen, die gewisse Beziehungen zu jenen der Anthro-
pomorphen bekunden. Dem starken: Bau des. Unterkiefers entspricht eine Verstärkung
des Temporale und zwar.: eine vergrößerte Fossa glenoidalis und ein sehr kräftiges
Tympanicum neben einem noch kleinen Proc. mastoideus, der zuweilen bloß in Gestalt
einer Schwellung auftritt.
Die oberen Gliedmaßen sind schlank zu nennen, wobei sich das Schulterblatt
durch eine große Inzissur und eine stark aufwärts geneigte Lage der Spina auszeichnet.
Das Schlüsselbein ist gracil und häufig stark gedreht. Der Humerus schlank und die
Fossa olecrani oft durchbohrt; der Radius und die Ulna gebogen und ebenfalls schlank.
Das Capitulum zeigt einen großen flachen Kopf. Die Finger sind ganz menschlich.
Die unteren Extremitäten sind stark und fast ganz vom Baue des rezenten
Menschen, doch mit gewissen primitiven Merkmalen behaftet. Das Hüftbein zeigt noch
hie und da eine ziemlich breite Rinne für den Obturator, das Femur ist kräftig, die
Tibia etwas vorgebogen und die Fibula gerade. Die Fußwurzelknochen enthalten noch
mehrere Eigenheiten, wie es z. B. die beiden verschmolzenen vorderen Gelenkflächen
des Felsenbeines, das verkürzte Sprungbein mit den ebenfalls verschmolzenen Gelenkflächen
und den stark gerundeten Kopf sind. Die Zehen sind ganz menschlich.
2. Die Rekonstruktion des Sehädelfragmentes C.
Im Laufe der Beschreibung unseres Schädeldaches E (Taf. II, Fig. 2) konnten
wir uns überzeugen, daß. dies Fragment von einem gleich großen Schädel wie jenes
Schädel C, herrührt. Auf Grund dieser Erkenntnis wage ich hier eine Rekonstruktion,
die ich in natürlicher Größe durchgeführt habe und von welcher uns die beiliegende
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