Ende des Femurs bei den Primaten zeigt, lassen sich meines Erachtens erklären, wenn
man das von der Trochanterseite aufsteigende Trajektorium ge mäh den vorhin beim
menschlichen Femur erörterten Bedingungen’ als Drucktrajektorium ansieht.
Die wichtigste Bestätigung meiner Ansicht finde ich in der S t ru k tu r des men schlich
en Be ck ens^ In einem Längsschnitt durch die Pfanne eines normalen Beckens (Fig.
24) findet man, konzentrisch zu der letzteren ziehend, zahlreiche Knochenbälkchen änge-
ordnet. Theoretisch würde es ja wünschenswert sein, wenn die Pfanrienkonstruktion
des Hüftgelenks in konzentrischen Lagen aus tangentialen Bälkchen etwa in einer Anordnung
wie Kugèlschalen bestände, welche durch iradial angeordhetè Streben versteift
wérden. Das Zentrum dieses Radialsystems mühte sich etwa im Mittelpunkte, des
Femurkopfes befinden. Wir hätten dann eine Pfannenkonstruktion ohne besonders stark
beanspruchte Stellen. Die Röntgenaufnahme zeigt jedoch, dah die Bälkchen vort sehr
verschiedener Stärke und Regelmähigkeit in der Anordnung" sind. In der Mitte der
Fossa acetabuli.fbei n) sind die Bälkchen, analog der Anordnung im Femur, schwächer und
unregelmähiger ziehend (Fig. 24 n). Ferner sind sie nicht genau radiär zur Pfanne, änge-
ordnet, sondern verlaufen unregelmäßig und steigen* sogar teilweise aufwärts, indem sie
sich mit einem groben Trajektorium vereinigen, welches, seinen Ursprung im Sitzknorren
nehmend, in das Os ischii aufsteigt und in das Os ilei übergeht. Oberhalb (bei a) und unterhalb
(bei b) dieses zentralèn Pfannenabschnittes erkennt man die Bälkchen leicht als unm
it te lb a re F o r ts e tzu n g en der beiden T r a je k to r ie n , welche die Oberfläche des Fe-
murkopfes erreichen. Das grohe statische Trajektorium, welches aus der aufrechten Haltung
■ des Menschen resultiert, erzeugt auch im Becken die weitaus stärksten und dichtesten
Balken (Fig. 24 a). Immerhin ist auch im unteren Teile der Pfanne bei b das Balkensystem
ziemlich kräftig und gleichmähig entwickelt; ès entspricht nicht nur in bezug auf seine Lage,
sondern auch in séiner ganzen. Ausdehnung dem bogenförmigen „Zug “trajektörium
(Wolffs) des Femurkopfes. Beide Trajektorien des Beckens sind also d i r e k t e Fort-
.setzungen der beiden groben Trajektorien im Femurkopfe, wären jedoch in ihren Bauelementen
gegen eine s e itlic h e Ausbiegung trotz ihres sonst der Spannungsrichtung parallelen
Verlaufes nicht vollkommen gefeit. Wir finden deshalb bei beiden Fortsetzungen
der Femurtrajektorienirh Becken V erb in d un g s fa s e rn und zwar s tä rk s te r Art p a ra lle l
der P fan n en o b e r flä ch e angeordnét, welche die radialen Längsfasern an Dicke häufig um
ein bedeutendes übertreffen. Die Verbindungsfasern der Trajektorien der aufrechten Haltung
sind wiederum entsprechend der stärkeren Belastung weit kräftiger und zahlreicher.
Die Figur 24 zeigt bei a 10 solcher Querverstrebungen. In ihrer parallelen Anordnung
zur Pfanne sind sie nicht ganz konzentrisch, sondern biegen an den Seiten desTrajek-
toriums kürzer um und sind nahe der Oberfläche am ausgedehntesten. Das u n te r e
Pfannentrajektorium b zeigt nun g 1 e i c h f a 11 s Systeme von s t ä r k e r e n Q u e r f a s e r n ,
welche zwar in geringerer Anzahl vorhanden sind, aber doch aus starken Bälkchen
bestehen. Durch die. ausgezeichneten Aufsätze Gebhardts (vergl. Archiv für Entwickelungsmechanik
Bd. XII) kennen wir den Zweck dieser Querfasern. Gebhardt
sagt darüber von einem körperlichen Gitterwerk, welches mit überwiegender Anwendung
von annähernd rechten Winkeln konstruiert ist, folgendes: „Unter allen'. Umständen
benötigt das ganze System untereinander und der D ru c k richtung paralleler
Züge für diese letzteren einer „Führung", d. h. einer Einrichtung, welche seitliche
Ausbiegungen der strebsamen Elemente, sei es nach innen oder nach auhen, wirksam
verhindert. Eine solche Einrichtung stellen die in Intervallen angeordneten als
Querverstrebungen funktionierenden Bälkchen mit zur Druckrichtung senkrechtem
Verlauf dar, welche durch das Anstreben seitlicher Ausbiegung der in der Druckrichtung
liegenden Züge teils gezogen, teils längsgedrückt, zum Teil auch gebogen werden,
je nach ihrer Lage zur Ausbiegungsebene der primär beanspruchten Züge." Bei den
radiären Strukturen der Pfanne müßten diesen Gesetzen gemäß solche Querfasern' bei
der eventuell vermehrten seitlichen Ausbiegung auf eine Druckbeanspruchung b e s
o n d e r s stark ausgebildet werden, wie es aus der Figur auch deutlich zu ersehen ist.
Kommen wir nun auf die Frage zurück, welche Bedeutung diese Knochenbälkchen-
strukturen im Becken,- — offenbar die F o r ts e tz u n g der Trajektorien des Femurkopfes
— haben, so kann kein Zweifel darüber herrschen, daß jenes Trajektorium des aufrechten
Ganges offenbar ein Drucktrajektorium ist. Meines Erachtens kann aber auch
die Struktur im unteren Teil der Pfanne nach den gegebenen Verhältnissen nicht als
Zug-, sondern nur als Drucktrajektorium aufgefaßt werden. Es spricht zunächst dafür
die Tatsache, daß das bogenförmige Trajektorium aus dem Femurkopfe in das Be ck en
sich ü b erhau pt und noch dazu in derselben Richtung for tp flan z t. Würde sich ein
Zug in der gegebenen Richtung von der Trochanterseite durch den Femurkopf fortpflanzen,
so kann bei der bekannten vollkommen losen Verbindung des Femurkopfes
mit der Pfanne unmöglich ein solcher Zug auf das Gewebe des Os ischii ausgeübt
werden, daß die Knochenstruktur des letzteren in Form eines mächtigen statischen
Systems und durchaus zirkumskript durch die ganze Pfannenstärke bis zur C o r t ic a lis
der Außenfläche geht. Der Zug müßte mit der G e le n k o b e r flä c h e in einer Wirkung
b e g ren z t sein, wenn, wie es die Krantheorie annimmt, die Oberschenkelhälse herabgebogen
würden. Das Ligamentum teres kann nicht beteiligt sein, denn gerade ihm
gegenüber zeigt sich die Spongiosa der Pfanne am wenigsten belastet. Und auch der
Bändapparat des Hüftgelenks kann einen derartig zirkumskripten Zug durch die ganze
Stärke des Knochens im Sinne der Krantheorie niemals zu stände bringen. Selbst bei Auf