Denn einer sagt: „die Blase ist oval,” der andere: „sie ist
dreykantig,” der dritte: „sie gleicht einer Fischblase,” der vierte:
„sie hat Aehnlichkeit mit einem menschlichen Magen. ” *) _
Die mehresten geben ihr verschiedenartige ** *), andere gleichartige
Fühlfäden; noch andere tentacula, von bestimmter oder
unbestimmter Anzahl ***); ihre Nachrichten über Rüssel, Arme,
Saugwarzen, Mundöffnung ****), After *****) und andere Organe
sind eben so wenig übereinstimmend, als über die Gestalt der Blase
und das natürliche Colorit derselben.- Die Abbildungen endlich
sind so verschieden, dafs oft eine mit der andern nicht die entfernteste
Aehnlichkeit hat. Fast sollte man denken, dafs es mehrere
Arten von Beydewindseeglern geben müsse *?****). Ist diess
*) Jeder hat Recht, und doch sind sie alle verschieden. W ie konnte
diess anders seyn ? da ein jeder bey einem so vielseitigen und schwierigen
T h ie re kurz seyn wollte.
**) Diese haben Recht, an einigen gröfsern Arten habe i c h , wie die Folge
zeigt , 3 verschiedene Arten Tentacula gefunden.
***) Ih re Anzahl ist auch w irk lich schwer zu bes timmen, w e il sie so leicht
verlohren geh en , sie das T h ie r selbst oft stückweise abwirft, und man
b e y der Ausgleichung der Fläche an der% schleimigen Blase den V e r lust
nicht bemerken und daher nicht bestimmen kan n , ob man ein
ganz vollständiges Individuum v o r sich hat oder nicht.
**#*) g „ v ie[ ist gewifs, wie man sich aus meinen Abbildungen und Beobachtungen
in der fo lg e überzeugen w ird , dafs die Seeblasen n i c h t
e in e Mundöffnung, sondern v i e l e Mäuler haben; ein jeder Faden
oder Fänger endigt sich mit einem Maule in Gestalt einer gelben erweiterungsfähigen
Saugwarze, welche in den röhrigeii ebenfalls erwei-
te ru n g s-, verlängerungs- und verkürzungsfähigen T h e il des Fängers,
den man als Schlund oder Magen betrachten mufs, und der wie die
Actinien oder Polypen die ausgesogene Beute wieder von sich giebt,
hinein führet. Mithin hat das T h ie r
*****) keinen After nöthig, eben so wenig als die Actinien* und Polypen.
******) So ist es auch allerdings, ich selbst habe mehrere Arten nach der
Natur gezeichnet, und nur die L a m a r t in i e r i s c h e , welche gerade die
mehresten neuern Reisenden B o r y , P e r o n und andere nachgefunden
und nach der Natur gezeichnet hab en, habe ich nie selbst gesehen,
sondern die Zeichnung entlehnen müssen; übrigens kann es wohl noch
der Fall-, so sind die Schriftsteller allerdings zu entschuldigen,
wenn sie nicht übereinstimmen ; denn i) haben sie nicht alle
eine und eben dieselbe Art beschrieben und abgebildet; 2) ist
eine lebende, durchscheinende, mit den schönsten Regenbogenfarben
ausgeschmückte, durch eine unzählige Menge nach allen
Richtungen vertheilter fast unmerklicher Schleimfiebern in Bewegung
gesetzte Luftblase, die ihre Gestalt jeden Augenblick verändert,
und Fänger von noch veränderlicherer Form und Gröfse
an sich trägt, die bald aufgewunden, in einem verwirrten Ge-
bündel in einander geschlungener Schleimfäden vereinigt, wie
ein dunkles Chaos oder Labyrinth, bald einzeln herabhängend
durchscheinend gegliedert, bald abgerissen erscheinen, keine
leichte Aufgabe zur Schilderung für Maler und Beschreiber, so,
dafs auch die grössten Künstler in jeder Art der Darstellung die
verschiedensten Ansichten und Schilderungen davon liefern werden;
3) mufs bey der offenbaren Verwirrung und Dunkelheit
der äufsern Gliedmafsen, welche in dem natürlichen Stoffe derselben,
im Schleime, ihren Sitz hat, auch noch durch ein unvermeidliches
Brennen und Schmerz auf der menschlichen Haut,
jeder glückliche Versuch, einer durch Entdeckungen gekrönten
Zergliederung vereitelt werden ; 4) mufs, wegen des Einflusses und
Zusammenhangs aller dieser Schwierigkeiten und Hindernisse, der
mebrere Arten geb en , die theils v e rkann t, tbeils nie beschrieben und
abgebildet worden sind. Daher habe ich auch diese sehr sorgfältig
und mühsam gesammelten und mit alle r mir nur möglichen Vollständigkeit
ausgeführten Bemerkungen nicht Versuch einer Monographie,
sondern blofs Materialien zu einer künftigen Bearbeitung der Seeblasen
nennen w o lle n : ich habe durch diese Materialien. die mit einer M enge
von Bemerkungen ü b e r die Lebensweise dieser Th ie re bereichert sind,
nicht bloss zu einer magern systematischen A nsicht, sondern zu einer
umfassenden physiologischen, ohne Rücksicht noch Besorgnifs . mich
dem V o rwurf der Weitläuftigkeit auszusetzen,1 vorbereiten wollen.
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