die traurigste Begebenheit, die uns auf der ganzen Reise begegnet
ist, auf eine schreckliche Weise in unserm Frohsinne gestört
wurden. Den dritten Morgen nach unserer Ankunft wurde
ich plötzlich nach dem Schiffe gerufen, ich eilte hin und fand,
dass einer unserer Officiere sich in seiner Cajüte erschossen hatte.
In seinen hinterlassenen Briefen beschuldigte er die meisten von
uns, an seinem Tode schuld zu seyn. Der-Kapitain bekam
seinen Brief zuerst zu lesen, der unverdiente Vorwurf, allein
an dem Tode des Unglücklichen schuld zu seyn, erschütterte
ihn aufs heftigste; alle unsere Vorstellungen, ja nicht darauf zu
achten, was der Verstorbene im melancholischen Wahnsinne geschrieben
hatte, konnten ihn im Anfänge nicht trösten. In
andern Briefen wurden wieder andere beschuldigt, und immer
ein jeder, dass er ganz alle in an seinem Tode schuld sey;
auch ich war ganz all e in daran schuld, war die erste Veranlassung
gewesen, dass man ihn zu chicaniren angefangen hätte,
und hatte ihn in der Strasse von Sunda mit Ratzengift vergiften
wollen.
Schade, dass dieser junge Mann ein so unglückliches Ende
nahm, er war ein geschickter und kentnissvoller Officier, dieses
Zeugniss gaben ihm der Kapitain und die andren Officiere. Dass
er seinen Vorsatz, den er, wie aus den nachgebliebenen Briefen
zu ersehen war, lange schon muss gehegt haben, nun ausführte, war
um so sonderbarer, da er den Tag vorher am Lande recht vergnügt
war. Wir logirten bey einem gewissen Major Seal, der hatte eine
kleine Tochter von ungefähr fünf Jahren, ein angenehmes
munteres Mädchen, mit diesem Kinde spielte er recht viel, und
beschenkte es mit Cbnfect. Mit mir ging er den Abend in dem
öffentlichen Garten spazieren, sprach von dem kleinen muntern
Mädchen, sagte mir, dass er Kinder sehr liebe. *) Wir sprachen
noch von dem schönen angenehmen Wetter, von der lieblich
milden Luft, von dem prächtig gestirnten Himmel. Unmöglich
hätte er sich mit mir auf diese Art unterhalten, es geschah mit
einer gewissen Ergiessung des Herzens, wenn er auch in diesem
Augenblicke von mir wirklich geglaubt hätte, ich habe ihn in
der Strasse von Sunda vergiften wollen. Wahrscheinlich waren
seine melancholischen Grillen periodisch und überfielen ihn gleichsam
wie ein Paroxismus, daher er auch, um im Stande zu seyn
seinen Vorsatz auszuführen, den Morgen eine ganze Bouteille
Liqueur ausgetrunken hatte; er war sonst immer äusserst mässig,
nie hatte er sich früher berauscht.
Geschehene Sachen sind nicht zu ändern; Kapitain Krusen-
stern fasste sich, befahl Anstalten zur Beerdigung zu machen
die dann auch den andern Nachmittag mit allen militairischen
Ehrenbezeugungen von Seiten der Garnison vor sich ging. Der
englische Prediger hielt in der Kirche eine Leichenrede, und
Kapitain Krusenstern liess einen Leichenstein mit einer Inschrift
setzen. — Sanft ruhe seine Asche!
St. Helena ist nur ein Stein, nur ein geringer Theil dieses
Steins ist mit Erde bedeckt und der Kultur fähig, wie gross
dieser geringe Theil aber seyn mag, ist den Fremden nicht zu
wissen vergönnt; denn wenn man in James Town spazieren
geht, so wird man, sobald man aus der Stadt hinaus kommt,
sogleich zurück gewiesen, das eigentlich Angebaute bekömmt
man nicht zu sehen. Ich habe schon einmal' gesagt, wie gross
*) In einer hinterlassenen Nachricht gesteht er, dass e r schon den T a g
vorh e r auf dem Lande die Absicht gehabt habe, sich an erschiessen,
aber das Kind habe ihn gehindert,
D R I T T E R T H E I L . g y
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