Das Wasser in Canton war gewiss unschuldig, denn wir nahmen
uns sehr in Acht, ja nicht viel davon zu trinken, und wenn wir
es tranken, so war es vorher durch einen Stein filtrirt und immer noch
mit Wein oder Rum vermischt: nachher haben wir aufdem Schiff dasselbe
Wasser getrunken, ohne, dass es filtrirt gewesen wäre, und es
verursachte keine Diarrhöe. Erkältung fand auch nicht Statt; denn
die Tage waren warm und die Nächte zwar etwas kühl, aber wir
schliefen in einem sehr solid gebauten Hause, und hatten unser Bettzeug
vom Schiff mitgenommen, weil wir in Macao, wo wir dieses
unterlassen hatten, die Nächte frieren mussten. Es scheint eine uns
unbekannte Beschaffenheit der Luft den Körper auf eine besondere
Art zu afficiren, so dass mehrentheils Diarrhöen erfolgen; Kapitain
K b u s e n s t e r n selbst blieb von diesem Zufall frey, befiel aber
statt dessen mit eitlem Fieber, hatte heftige Kopfschmerzen und
kalte Füsse, die kaum zu erwärmen waren; - erwärmendes .Getränk,
Opium Tinctur und Naphta hoben diese Zufälle. So
häufig auch Durchfälle in Macao und Canton sind, so scheint
mir doch die Behandlung dieser Krankheit, sowohl von den
europäischen als chinesischen Aerzten nicht die zweckmässigste
zu seyn; vielleicht haben sie das Vorurtheil, so wie es noch in
Ansehung des kalten Fiebers von einigen Aerzten gehegt wird,
die sich fürchten, ja das Fieber nicht, zu geschwind zu vertreiben,
wie sie es nennen; da doch nach der Erfahrung diese Fieber
nur dann schlimme Folgen haben, wenn sie lange gewährt
haben, und also nichts rathsamer ist, als sie sobald als möglich
zu heilen. Das nämliche gilt auch von Diarrhöen, weil
wenn sie erst überhand genommen haben, sie viel schwerer zu
heilen sind, und die ganze Constitution schwächen. Ich rede
hier von Fiebern und Diarrhöen, mit denen ganz gesunde Persollen
befallen werden, es giebt aber wohl auch zuweilen Uebel,
bey denen diese Krankheiten erwünscht sind, da muss man sie
freylich nicht gleich mit China und Opium angreifen.
Von dem Verfahren eines chinesischen Arztes hier eine Probe:
in Macao hatte ich einige mal einen Franzosen gesprochen,
der eine chinesische Junke als Pilote führte, dieser bat mich
eines Tages, ich möchte doch so gut seyn, einen seiner Bekannten
zu besuchen, der sehr krank war. Wir gingen beyde zu
ihm, der Kranke war ein Schwede, ein junger Mann von dreis-
sig Jahren, er hatte die Wassersucht im höchsten Grade, war über
und über geschwollen, selbst der Kopf; er athmete mit der grössten
Beschwerde, urinirte äuserst wenig einen rothen Urin, hatte
Trockenheit des Mundes mit vielem Durst. Vor drey Monaten
hatte er wegen Leibschmerzen einen chinesischen Arzt angenommen
und von ihm einen ganzen Monat hindurch alle Tage eine
Abführung bekommen, täglich hatte er ohngefähr sechs Oefnun-
gen gehabt, hierauf hatte er den portugiesischen Arzt angenommen,
in dessen Cur er am ganzen Leibe aufgeschwollen war.
Jetzt hatte er wieder einen Chinesen, der eben gegenwärtig war,
wie ich hinkam, dieser gab ihm ein Decoct von Wurzeln die ich
nicht kannte, dem Geschmack nach aber waren sie gewürzhaft und
erhitzend. Der Kranke selbst verlangte meinen Rath nicht, welches
mir auch sehr lieb war, gegen den Franzosen erklärte ich,
dass ich den Patienten für verlören halte; nach einigen Tagen
begegnete er mir auf der Strasse und sagte mir, meine Prophezeiung
sey eingetroffen, der Schwede sey schon todt und begraben.
Herrn Pe'arson, den Arzt der englischen Factorey, muss
ich als einen kentnissvollen Mann rühmen, er war bloss Arzt,
sein Vorgänger wie ich hörte war mehr Kaufmann gewesen, und