wird es in unsern Tagen der, selbst dem menschlichen Verstände Hohn sprechenden homöopathischen
Lehre gelingen, das ehrwürdige Gebäude des menschlichen Fleifses und der Jahrtausend alten Erfahrungen
zu erschüttern.
Bei Weitem aber schädlicher und für die Ausbildung der Anatomie hemmender, waren jedoch
•von jeher die auf unmerkbare Trugschlüsse begründeten Satzungen, oder auf Autorität sich stützenden
Lehren. Diese im Kleide der Wahrheit hingestellten Dogmen, die der Zufall oder eine Verirrung
in den Folgerungen schuf, und der Zufall längere Zeit unentdeckt liefs, begründeten schon so manches
unheilvolle System in der Medicin; denn die Fehler der Wurzel offenbaren sich stet? im kränkelnden
Stamme.
Wenn aber jede Entfernung von der Wahrheit, im Gebiete der Physiologie, so nachtheiligen
Einflufs auf die Gestaltung der Heilkunde äufsert, und jeder Trug eine neue Brut von Unheil zu Tage
fordern kann; soll dann in,jenen, denen das Wohl der Menschheit ernstlich am Herzen liegt, und die
Pflege der Wissenschaften änvertraut wird , nicht ein reifliches Nachdenken über die Mittel rege
werden, welche den Lehren-der Medicin eine verläfslichere .Stütze, und sicheren Grund für wissenschaftliche
Ausbildung abzugeben geeignet wären?
Mit vollem Rechte erblicken wir also die rastlose Thätigkeit der Naturforscher der heutigen
Tage, mit der möglichst vollständigen Ausstattung der Naturwissenschaften, und besonders der vergleichenden
und feineren Anatomie beschäftiget.
Fragen wir uns jedoch, was wohl noch auf dem schon so lange bearbeiteten Felde der
Anlhropotomie, der Zukunft zu enthüllen Vorbehalten ist, und welche Bedeutung und Wichtigkeit
dieser dunkle Bezirk des menschlichen Körpers, für den Bau des physiologischen Lehrgebäudes haben
dürfte, so müssen wir hier zur Steuer der Wahrheit bekennen, dafs der nicht gelichtete Bezirk
von nicht geringem Umfange ist, und um so höhere Bedeutung gewinnt, als in demselben jene geheim-
nifsvollen Werkstätten enthalten sind, in welchen die Funktionen des Lebensprozesses: Aneignung,
Absonderung und Ausscheidung, vor sich gehen, und die meisten bekannten Organtheile, welche
sich an die problematischen Gebilde anschliefsen, gröfstentheils nur mechanischen Zwecken vorstehen,
und dadurch den Verrichtungen der zartem Organtheile dienstbar zu seyn scheinen. Halten
wir vollends die aus Erfahrung bekannte Verrichtung, und die Allgemeinheit des Sitzes dieser organischen
Erzeugnisse vor den Augen, so wird es einleuchtend und leicht begreiflich, dafs das noch
zu lichtende Feld, die physiologisch wichtigsten Organtheile bewahre, und die Unkenntnifs derselben,
die Ausbildung der Physiologie sowohl, als der Heilkunde hintanhalten müsse. In so fern aus der
leiblichen Anordnung auf Verrichtung und Nutzen richtige Schlüsse gemacht werden können; verspricht
die Kultur dieses Bodens für Natur- und Heilkunde grofsen Gewinn, und mit der Bedeuten-
h eit, die wir dieser Forschung vorhinein schon zu schenken bemüssigt sind, mufs auch das Verlangen,
dieses Gebiet bald gelichtet zu sehen, gleichen Schrittes wachsen. Viele der berühmtesten Anatomen
und Physiologen älterer und neuerer Zeit, erkannten schon die Wichtigkeit dieser Organtheile, und
waren auch bemüht, ihre Blicke in diesen räthselhaften Bezirk zu leiten. Ein Malpighius, Leuvenhöck,
Ruyschj Liberkühn, Sommer ing, Prohaska, Döllinger, Spallanzani, Prevost und Dumas etc., haben
sich in Untersuchung der Eigenheiten der einzelnen peripherischen Gebilde versucht; doch zu zart,
.zu verschmolzen und eintönig erschien denselben mit dem unvollkommenen optischen Apparate das
Ganze, als dafs ihre Angaben richtig und übereinstimmend seyn können, wefshalb ihre Ausbeute
unbestimmt, dunkel, ja in vieler Beziehung im offenen Gegensätze unter einander stehet, daher die
Wissenschaft, diese zwar als einen sehr schätzbaren Versuch, doch gröfsten Theils als eine vom
Zweifel nicht gänzlich befreite Wahrheit aufnahm.
Als bei weitem verläfslichere,' und der Natur der verschiedenen Organtheile mittelst des kom-
ponirten Mikroskopes, mit grÖfserer Getreuheit abgewonnene Beobachtungen, sind die in neuerer Zeit
über peripherische Gebilde öffentlich mitgetheilten Erfahrungen und Entdeckungen eines Burdacli,
Joh. Müller, Wagner, Ehrenberg, Purkinje, E. H. Weber, Czermak, Krause, Brescliet und Boussel
nostris temporibus,, Pygmaea homoeopathicorum gens, verae medicinae Gigantem, annis et expe-
rientia gravem, vincere nunquam valebit.
Alios quoque, et nimis subdole latentes hamos, scientia nostra effugere non potuit, aucto-
ritatis inquam arrogantem fastum, qui crassos saepe errores, formosa veritatis specie imponentes,
casu vel claudo ratiocinio ortos, dogmatum infallibilium praetextu, in lucem edidit, et medicinae
nostrae adeo tenaciter impegit, ut nemini mirum videatur, confusionem babylonicam, veritatis
purae locum saepissime occupasse. — Arenae nonnisi labile aedificium ferunt.
Quodsi autem aliéna a vero doctrina physiologica, millenos errores in artem medicam redun-
dare faciat, et quivis in priori lapsus, deleterios suos effectus, in artem salutiferam longa serie
continuet; — quid quaeso illis , quibus scientiae cultura et perfectio cordi est, ardentius potest con-
cupisci, quam sordens fallaciae stabulum repurgare, et medicinam ad eani certitudinem evehere,
quam dignitas ejus postulat.
Summo applausu itaque debent excipi, modernorum naturae curiosorum proficua valde cona-
mina, quibus physicam sic dictam (in sensu latiori), praecipue vero anatomen comparatam et sub-
tiliorem exornare et locupletare laborant.
Quod ultimam anatomiae spartam, sublimiorem utpote attinet, tantum adhuc desideramus,
quod scientiae physiologicae summe proficuum evadere posset, ut ingenue nobis fateri cogamur, partium
corporis humani subtilium et magis similarium cognitionem, a fine et perfectione desiderata,
longe distare, etiamsi tantae dignitatis argumentum sistàt, ut occultae magis organismi. humani func
tion s : assimilatio, secretio, nutritio, quae in minimis atomis locum habent, nonnisi illis partibus
rite cognitis, meliori fortuna, quam hucusque licuit, possint explicari.
Crassiorum enim et magis dissimilarium partium cognitio, multo minori dignitate gaudet,
quippe quae mechanicis tantum operationibus praeesse videntur, et minoribus subtilioribusque dignitate
longe inferiores, jure merito- habeantur.
Considerando multiplicem organorum familiam, in quorum fabrica indaganda, anatome adhuc
haeret, darum erit, earum partium structuram adhuc pröblematicam esse, quae gravissima in re-
publiea corporis humani, munera praestanda habent, quorum natura hucusque nondum patefacta,
physiologiae et totius artis medicae evolutionem insidiose detinet. — Quatenus vero physica organi
cujus dam habitudo, qualitates ejus intellectuales patefacit, et ex structura organi ad functionem
ejus rite concludi potest, eatenus illucl ipsum problems solvendum, scrutatorum animos manusqne
invitât, et reapse omnem, quam humana industria applicare potest, operam sibi exposcit, ut
curiosorum desideriis justissimis, quantum vires permittunt, satisfiat.
Antiquioris non minus, quam recentiöris aevi scriptores anatomico- physiologici, de hujus
indaginis gravi momento dudum persuasi, animum suum eidem advertere coeperunt. Malpighius,
Leuvenhoeck, Buyschius, Liberkühn, Sommering , Prohaska, Döllinger, Spallanzani, Prevost,
Dumas etc. dilucidandae partium minimarum fabricae insudarunt, — ast tanta ingénia minimis
occupari non amant, et insuper instrumentorum opticoruni imperfectione impediti, in varias, discre-
pantes, imo non raro oppositas, hac de re sententias abierunt; — quare scientiae anatomico - physiologicae
cultores nostri aevi, iisdem historicum tantum valorem assignant, — et jure bono. _
Magis autem fiduciam et admirationem nostram merentur labores micrologici, moderno tempore
institut!-, ob summam autorum sinccrilatem, magnamque cum operibus naturae concordanliam.