E I N L E I T U N G .
E s ist ein unschätzbares Eigenthum des menschlichen Geistes, dafs er sich mit dem neuen
Gewinne nicht begnüget, das Dunkel aufsuchet, es lichtet und zur klaren Anschauung Jenes zu fordern
strebet, das verworren und räthselhaft erscheint. Dieser Trieb nach Aufklärung, diese .Kraft,
die Nacht der Unwissenheit zu verscheuchen, und das Licht der Erkenntnifs zu setzen, beurkundet
eben so sehr seine höhere Abkunft, als es die Triebfeder der Aufklärung des Menschengeschlechtes ist.
Ueberblicken wir den ungeheueren Schatz der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, die alle
nur durch eine Reihe von Beobachtungen, Erfahrungen und Folgerungen ins Leben treten konnten,
so kann man nicht umhin, die Fähigkeit, Ausdauer und Kraft des menschlichen Geistes bei Besiegung
entgegen tretender Hindernisse zu bewundern. Vieles, ja ein grofser Theil dessen, von dem \yir. nun
nichts ahnen, und das nur durch tausendfache Anstrengungen und günstige Ereignisse wieder gewonnen
werden kann, ist vom einst schon erworbenen Schatze verloren gegangen, und unabsehbare dunkle
Gebiete stehen dem Forschungsgeiste noch entgegen, und so wird das Geschlecht des Menschen, so
alt es auch-im Laufe der Zeiten geworden, nie den Hochgenufs entbehren, geistig fortzuschreiten und
mitzubauen an dem grofsen Werke der menschlichen Kultur.
Unter den mannigfachen Wissenschaften, die der menschliche Geist ins Daseyn brachte, steht
die Naturlehre oben an. — So lange der Mensch denken, die Gegenstände der äufsern Natur unterscheiden,
und sie für seine Absichten zu benützen gelernt hat, so lange befindet sich die Naturkunde
in dessen Pflege, und seit den ältesten Geheimlehren Dionysos und Z a g r e u s seit der wissenschaftlichen
Ordnung der Naturlehre durch die Chaldäer und Aegyptier, hat diese Wissenschaft eine unendliche
Erweiterung und Umstaltung erlitten. Verweilen wir während des geschichtlichen Ueber-.
blickes dieses Gebietes des menschlichen Wissens bei den Leistungen der neuen Zeit, so erblicken
wir die Fortschritte der Naturwissenschaften durch die jüngste Epoche auf einen höchst erfreulichen
Standpunkt gestellt1, und selbst der strengste Forscher mufs gestehen, dafs für sie die Tage der Blüthe
gekommen sind. Immer weiter rings umher greift der helle Blick des Menschen, selbst die geheimsten
Werkstätten besucht sein Geist. Körper, die weit aufser den Grenzen gewöhnlicher Kraft der Sinne
stehen, weifs seine Begierde nach Wissen durch ingeniöse Werkzeuge sich klar darzustellen, und
indem durch rastloses Bemühen die Lücken allmählich verschwinden, das Isolirte seine Nachbartheile
gewinnt, stellet das Gesammte immer deutlicher eine vollständige Kette dar.
Doch so wie im Grofsen ein Wogen und ewiges Wellenschlägen unverkennbar, Alles seinen
Cyklus nach unwandelbaren Gesetzen durcheilet; eben so blühet, gedeihet und reifet nur allmählich das,
was der menschliche Geist beleuchtet. Manches Gebiet liegt lange im Winterschlafe noch, indefs das
I N T R O D U C T I O .
S in g u la r is animi humani praerogativa est, nunquam in no vis acquiescere, sed obscuris
continuo lucem addere, et inaccessa mortalibus naturae artana, divino quasi impetu, rèvelare. _
Haec insatiabilis discendi cupido, — haec in discutiendis ignorantiae nebulis strenua cpnamina
divinae originis characterem nobis imprimunt, et intellectualem generis humani culturam omnimode
intendunt.
Quicumque vastos scientiarum artiumque thesauros considerat, quos observatio genuit, experientia
auxit, et ratiocinium castum perfecit, invitus in admirationem animi bumani abripitur. _
Et tarnen mnltum superest agendum, donee exhaurientur naturae mysteria,----multum ex cognitionum
variarum cumulo, temporis injuria evanuit, multumque futuri Béculi gentisque nondum natae solertiae
relinqui debet, ita ut gèneri humano, nunquam occasio löcusque deficiat, innatas sibi vires in arduo
scientiarum curriculo exercere, et culturae avito robore partae, nova indies incrementa conciliare.
Inter varias scientias, quae suam origineip, -suumque florem bominum generi debent, primum
certe Pbysica tenet subsellium. Quamdiu bomo in laeto naturae cyclo versatur, ejusque quasi partem
constituit, rerum naturalium fcfluxibus diversimode tentatur, jjuos ut avertere, vei sibi assuefacere
posset, noscere eos prius debuit. Haec vero rerum naturalium cognitio, quae essentiam Physicae
efficit, a Dionysi et Zagrei mystériis'nimis obscuris originèm ducens, Chaldaeorttm et Aegyptiorura
labonbus meliorem induit, et magis pbilosophicam formam, donee varias perpessa deiiquii florisque
aUernantis vices, nostris temporibus summum perfectionis culmen tetigerit,
Scientiarum ambitus continuo extenditur, abditissimasque naturae operands officinas lustrare
gaudet audax Japeti genus; quin imo cyanea stellantis coeli tecta, remotosque siderum axes sibi
cognitos fecit.
Varias scientiarum tribus, grande ingenium harmonico nectit vinculo, ac veluti singulae voces
in plenam conspirant harmoniam, ita varii cognitionis humanae radii, in unum colliguntur focum.
Ast omne quod magnum est, non uno impetu potest fieri, omnisque scientia suas habet pe-
riodos; — neque omnium par fortuna erat. — Anatome' enim et Physiologia, quae stricte partem
physicae sistunt, tardiora reliquis incrementa habueruntj- Non quidem potest negari, prisci aevi phi