5. Welche Schicksale durcheilt diese Membrane während der verschiedenen Epochen der Schwangerschaft?
Ö. Welche Zwecke verfolget s ie , und welche physiologische Wirksamkeit läfst sich aus der zartem
anatomischen Disposition dieser Membrane entlehnen oder vermulhen?
Was die erste Frage anbelangt, so ist es aufser allen Zweifel gesetzt, dafs die Decidua vera
das Erzeugnis eines hohem Lebensaktes der Schleimhaut der Gebärmutter, ja ein Wuchergebilde ein
temporärer Parasit derselben ist; denn auch da, wo nach einem befruchteten Beischlafe aufser der
Höhle und außerhalb des Bezirkes der Gebärmutter eine Conception (Conceptio tubaria, ovaria, oder
abdominalis nämlich; vor sich gegangen ist, erzeugt sich dennoch an der innern Oberfläche desFmcht-
hälters die hinfällige Haut der Gebärmutter, und so müssen wir — wie diefs bereits Seite 253 vorläufig
erklärt wurde — auch hier gestehen, dafs dem spezifischen Reize des Aktes der Empfängnifs bald
eine aufsergewöhnliche Thätigkeit im Gebiete der Gebärmutter, besonders aber in der Schleimhaut derselben,
sich durch eine Röthung und Anschwellung ihrer Gewebe, durch einen besondern Blutreichlhum
und eine stärkere Ausdehnung der diesem Organe zukommenden Gefäfse offenbart und deutlich be-
merkbar macht.
Wie diefs nähere Untersuchungen des schwängern Uterus lehren, so ist das erste Material zur
Bildung der Decidua vera einerseits dem Excrcte der Gebärmutterfollikeln zur Zeit der Menstruation
andererseits aber jenem Liquor analog, welcher zur Bildung falscher Häute im pathologischen Zustande’
erzeugt wird; daher eine grauröthliche Masse, deren nähere Zusammensetzung wir weiter unten be-
schreiben werden«
Die Lage dieser Membrane ist in jenen Perioden, wo das Ei bereits in die Gebärmutterhöhle
gelangte, zwischen der Innern-Fla che der Schleimhaut der Gebärmutter, der äufsern Fläche der De-
cidua rejlexa und der aufsernFläche des kindlichen Antheiles der Placenta; somit zwischen der innern
Oberfläche des Fruchthälters und der äufsern Fläche des Eies.
Die Decidua vera stellet in ihrer höchsten Ausbildung einen Parasiten dar, welcher seine eigen-
thumliche Bildung besitzet, die von der Bildung der übrigen Körpertbeile bedeutend differirt, seine
ernährenden und physiologisch wirksamen Gefäfse von dem Bezirke der Gebärmutter bezieht und nur
so lange sich in seiner Lage, Zusammensetzung und Wirksamkeit erhält, bis die Geburt eingetreten,
wo sich dann derselbe, losgetrennt von der Verbindung mit den Gebärmultergefäfsen, frei macht, und
mit der Nachgeburt meist vollständig zur Aufsenwelt befördert wird.
In den ersten Momenten ihrer Existenz stellet diese Membrane, als ein gemeinschaftliches Er-
zeugmfs der Gebärmutterfollikeln und der Schleimhaut der Gebärmutter, eine grauröthliche körnige
Masse dar, welche ein Liquor bespült und in dieser doppelten Form die innere Oberfläche der Gebärmutterhöhle
beinahe vollkommen und gleichartig überziehet. Bald wird jedoch dieser eintönige Ueber-
zug hoher belebt; man entdeckt nämlich schon in den nächsten Periodon des Bestehens dieser Masse
eine beträchtliche Anzahl von Gefäfsen in derselben verzweigt, und bald gewinnt die eine Hälfte ihrer
Substanz eine zeliichte organisirte Beschaffenheit, indefs die zweite Hälfte dieses Exsudates der Gebärmutter
sich in seiner Urform als körnige Masse und ein zarter Liquor nämlich erhält und den organismen
Theil der Decidua vera allenthalben genau umgibt. Da, wo sich der Mutterkuchen im Verlaufe
der Schwangerschaft ausbildet, dort geht die lebhafteste und andauerndste Absonderung des zur Bildung
dieser Haut bestimmten Stoffes von Seite der genannten Theile der Gebärmutter vor sich, indefs die
weitere Ausstattung mit einem Materiale an allen andern Stellen des Fruchthälters allmählich aufhört
und die Decidua vera im Umkreise des Mutterkuchens sich um so mehr verlieret, als entfernter dié
Stelle des Eies von der Insertion der Flocken der Placenta ist. Ein vollkommenes Verschwinden der
Decidua vera findet daher seihst in dem höchsten Grade der rückschreitenden Metamorphose nicht Statt. '
Ob Verlängerungen dieser Membraue zu den Multerhörnern abgehen oder nicht? Ob diese Ver-
längerungen bei dem Uebertritte des Eichens aus der Tuba in die Gebärmutterhöhle hervorgetrieben,
somit da, wo das Eichen in letzterer Platz nimmt, beulelähnlich umgestülpt werden können, und in
5. Qualis ejus metamorphosis in variis graviditatis epochis ?
6. Qualis scopus physiologicus certus vel saltern verosimilis?
Ad primam quaestionem respondebimus: membranam deciduam veram per membranam
mucosam uteri altiori productivitatis organicae gradu animatam produci, et quasi — sit venia verbo
— parasiticam uteri efflorescentiam sislere, cujus existentia tantummodo temporaria est.
In casibus conceptionis extrauterinae — sive in ovario sive in tuba Fallopiae, sive in cavo
abdominis ovulum radices suas fixent abnormes — eadem tarnen hymenogenesis in cavo uterino
evigilat.
Conceptionis actus facultati productivae uteri novum impetum addit, qui in formationes novas
erumpit, et exaltatas suas vires plasticas novo quodam producto exercet.
Massa organiea, quae tunicae deciduae fabricam ingreditur secundum meas observationes non
multum differt ab illo excreto, quod folliculi uterini tempore menstruationis éructant, et multuni
analogi habet cum materiis organicis, e quibus pseudomembranae, per processus infiammatorios
productae, constare soient^1
Situs hujus membranae medium tenet inter uteri internam et deciduae reflexae externam
superficiem.
Decidua vera vagetationem sive productionem parasiticam sistit, quae prorsus singularibus
characteribus, nulli alii parti organicae convenientibus, distinguitur.
Haec parasitica vegetatio sumptibus uteri végétât, ex cujus vasis sanguiferis pabulum suum
et incrementum haurit eousque, donee tempore partus ingruente natale suum solium deserat, nexus
cum utero sponte solvatur, et eliminatio neoplasmatis iisdem viribus eademque via cum secundinis
contingat.
In primis existentiae suae mensibus decidua vera, cujus organon sëcretorium membrana mucosa
uteri cum suis folliculis est, massam amorpham homogeneam griseo-rubram sistit, quae inter-;
nam uteri superficiem investit.
Paulo post massa homogenen altiores dignitatis organicae et organisationis gradus ascendit.
Evolvuntur enim vasa sanguifera, quae nitidas etiamsi parcas ramificaliones progerminant. Mox membrana
decidua in duplicem laminam discedit, quarum una Organisationen! cellularem acquirit, altera,
priorem involvens, primitivam suam massam granulosam humore mullo imbutam conservât.
Eo loco ubi serius placentae evolulio conlingit, deciduae verae efibrmatio alacrior viget, ita
ut majorera crassitiem et altiorem Organisationen! acquirat, dum in reliquis càvi utérini punctis
formationis membranae deciduae processus gressus suos paulisper cohibeat, nunquam vero pënitus
sistat. Durante graviditate itaque membrana decidua nunquam prorsus disparet sive deciditj quare
decidua nomen ineptum declarare convenit.
An membrana decidua prolongaliones ramosas ad tubas Fallopianas mittat, an hae prolon-
gationes per adventum et progressum ovi invertanlur, intussuscipiantur et tali pacto deciduam
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