E r s t e O r d n u n g .
V o n d e m S e h n e n g e w . e b e .
Tab. V. Fig. 24.
Wie die zartesten Gebilde der meisten Gewebe, so sind auch die einfachsten anatomischen
Bestandteile der fibrösen Fasern, bis auf heutigen Tag, Gegenstände der verschiedensten Meinungen
geblieben. Haller, Isenßamm hielten die Elementartheile des Sehnengewebes für verdichtete Bestandt
e i l e des Zellgewebes; Fontana, Chaussier_, und in derneuesten Zeit Jordan, erklären die zartesten
Fäserchen für solide Cylinderchen, und Milne Edwards beschreibet und stellet die einfachste Sehnenfaser
als ein Erzeugnifs von kleinen Pariser Zoll im Durchmesser enthaltenden und an einander
gereihten Kügelchen dar. Leeuvenhoeck glaubt bemerkt zu haben, dafs das, die Faser und die Faserbündel
umhüllende und verbindende, Zellgewebe das Bindungsmittel zwischen den Fleisch- und Sehnenfasern
abgebe, und Treviranus wurde in neuerer Zeit auf die Querstreifen der Sehnenfasern aufmerksam,
welche auch Fontana fxir den Unterschied zwischen Muskel - und fibröser Faser mit besonderer Beachtung
benützt und hervorgehoben hatte.
In dem Sehnengewebe finde ich die Faserformation überwiegend, und jede Faser dieses Gewebes
stellet sich unter dem Mikroskope als eine Modifikation der oben geschilderten gewöhnlichen Zellfaser
dar. Eine ^einfache Sehnenfaser enthält 7^^ eines Wiener Zolles im Durchmesser, und erscheint bei
einer nofachen VergrÖfserung in ihrer ganzen Ausdehnung wie gewässert oder gebändert, und durch
eines Wiener Zolles^grofse Querfurchen in viele kleine, bald vier-, bald dreiwinkelige Stücke
getrennt, die der ganzen Faser das Aussehen verleihen, als wäre sie aus einer Reihe in die Breite
gezogener -7— - eines Wiener Zolles im Durchmesser enthaltender Bläschen zusammengesetzt. Durch
eine weitere Untersuchung und Besichtigung mittelst des optischen Apparates, der den Gegenstand
750 Mal vergröfsert, gewinnt man erst die nähere Ansicht der konstruirenden Gebilde der fibrösen
Faser, und in ihr entdeckt man (siehe Tab. V. Fig. 25) folgende Elementargebilde:
a) Eine grofse Menge äufserst zarter, wellenförnUg fortgesponnener, schlichter Cylinderchen, welche
parallel neben einander gelagert sind, und hie und da kleine eines Wiener Zolles im Durchmesser
enthaltende Zellbläschen in ihrem Zuge einschliefsen. Diesen Antheil der fibrösen Faser
halte ich aus obigem Grunde für Lymphgefäfse, welche als solche, auch-an dem Saume einer
Sehnenfaser an vielen Punkten von der Bahn brechen, und mit andern Gefäfschen derselben Art
und Ordnung zusammenfliefsen, um gröfsere Lymphadern darzustellen.
Wo die fibröse Faser mit der Knochen- oder Muskelfaser zusammengeräth, da erblickt man
den Uebergang der gleichen Gefäfse der zusammengerathenen Gebilde.
b) Ein oder wohl auch zwei kapillare Blutgefafse, von welchen das eine eine Haarschlagader, das
zweite eine Haarblutader ist. Beide sind Zweige desLäpgenmaschengeflechtes, welche eines
Wiener Zolles im Durchmesser besitzen und in einem Abstande von *5~*6 eines Wiener Zolles
Sprossen erzeugen, d i e e i n e s Wiener Zolles stark, und zwischen der kapillaren Arterie und
Vene bogenförmig ausgebreitet sind, oder zur Oberfläche des fibrösen Gebildes zu gelangen streben,
um dort mit gleichen Zweigehen längliche intermediäre Maschen zu bilden, deren freier
Zwischenraum gewöhnlich eines Wiener Zolles im Längendurchmesser besitzet. Rings um
diese Gefäfse und an ihren Wänden erblickt man den dichtem Zug der Lymphgefäfse mit den
Nervenrohrchen gleichzeitig vorwärts wandern.
c ) Den dritten Bestandtheil der Sehnenfaser bilden zarte NervenrÖhrchen, welche zur zweiten
Klasse erster Ordnung gehören, und in ihrem ganzen Zuge sehr kleine, sparsam aufsitzende Bläschen
besitzen. Sie scheinen der Aderwände vorherrschendes Eigenthum zu seyn, da sie sich
strenge an dem äufsern Umfange der Gefäfse halten, und neben denselben ihre Bläschen verbreiten.
Es gehört übrigens zu den seltensten Fällen, im Gebiete der mikroskopischen Anatomie,
die Theile der Blutbahn der fibrösen Gebilde vollkommen und strotzend mit Masse erfüllt zu
sehen j am seltensten wird die Endsehne der langen Muskeln glücklich injicirt. Zahlreiche und
0 r d o p r i m u s .
T é 1 a f i b r o s a.
Tab. V. Fig. 24.
Elementa telae fibrosae, uti tot alia micrologiae objecta, ad hodiernos usque dies, varia
ratione exposita fuere. Haller et lsenflamm telam fibrosam, pro textu cellulari condensato habu-
erunt, Fontana j Chaus sier ^ Jordan fibras simplicissimas hujus texturae, cylindros solidos esse
voluerunt, et Milne Edwards eas ex sphaerulis minimis-g^-poil. Paris. diametro aequantibus con-
flatas depinxit; — Leuvenhoeck fibras tendinosas, tanquam fibrarum muscularium prolongations, ope
textus cellularis unitas consideravit, et Treviranus recentissimis temporibus strias transversas tendinum,
(quas Fontana primus vidit) pro nota differential! habuit, qua tendo a musculo dignoscilur.
Secundum meas experientias omnis'fibra telae fibrosae nihil aliud est, nisi modificata fibra
textus cellularis.
Singula talis fibra poil. Vindob. partes diametro aequat, atque centies et decies aucta,
striis transversalibus multis in plures partes divisa apparet, unde facile cuiquam error subrepere
potuit, eam ex globulis lineariter disposais compositam esse. Quodsi vero augmentum microsco-
picum ad septingentesimum et quinquagesimum usque intendatur, tune vera talis fibrae constructio
luculenter apparet. (Vid. Tab. V. Fig. 25.)
Constat enim :
a) Magna quantitate cylindrorum aequalium, undulatim decurrentium, invicem parallelorum, vesi-
culis cellularibus = intermixtorum. Hosce cylindros pro vasis lyjnphaticis liabeo, ex
rationibus supra allatis.
In illis partibus, ubi fibra tendinea in muscùlarem vel osseam transit, ibi etiam singulae
ejus partes constituentes in liomologas abeunt.
b) Vasculum capillare unum sive duo, venula nempe et arteria quae poil. Vindob. partes
diametro aequant, ramulos in distantia = ^500~ emittunt, quorum diameter — 10000 .
Hi ramuli transverse ab arteria ad venam decurrunt, reticula tenera in superficie fibrae
efformant, quorum interstitia libera = poil. Vindob.
Vasa lymphatica et tùbuii nervei, dicta vasa ubique cingunt, eaque presse comitantur.
c ) Tèrtium talis fibrae elementum tubuli nervei (primi ordinis secundae classis) efficiunt, qui
externam vasorum sanguiferorum. superficiem occupant. Inter rarissimos eveïitus injectionum
pertinet repletio horum vasorum sanguiferorum, praecipue in tendinibus musculorum longorum.
Major vasorum numerus in periosteo apparet, quae tamen magis ad os ipsum quam ad ten-
dineum ejus involucrum spectare videntur.
Ubicumque membranae fibrosae, cavum aliquod majus ambiunt, ibi semper in interna
facie membrana serosa obducuntur, uti in interno strato [durae matris et in membranis articu-
lationum fibrosis videre est.