Die Stämme der Harnröhrchen enthalten in der Nähe der Ausmündung gleich nach der
ersten Zerästlung die Harnröhfchen von mittlerer Gröfse und die kleinsten in der Nähe
des Maschennetzes der Kortikalsubstanz befindlichen Bellinischcn Röhrchen eines Wiener Zolles
im Durchmesser.
Betrachtet man den Zug der Harnröhrchen einer Malpighisclien Pyramide im Allgemeinen, so
findet man, dafs sich diese Röhrchen an bestimmten Stellen zu Bündeln vereinigen, welche für sich wieder
eine pyramidale Form besitzen, daher auch die Ferreinischen Bündel oder Pyramiden genannt werden.
Allmählich sich verjüngernd und in Bündelform an einander gereihet, betreten demnach die
Bellinischen Röhrchen die Grenze der Kortikalsubstanz." Nun beginnt jedes Harnröhrchen sich zu
schlängeln, von dem nächst liegenden zu divergiren, sich ohne bestimmtes Theilungsgesetz in kleinere
Kanälchen zu trennen, und endlich seine Wesenheit mit der des intermediären Maschennetzes der
nahen Kortikalsubstanz der Nieren so innig und vollständig zu vereinigen, dafs die injicirte Masse ohne
alle Beeinträchtigung der Integrität der Gefafse aus dem einen Bezirke in den zweiten Übertritt, und
eine doppelte, oder eine dreifache (durch die Bellinischen Röhrchen, durch die Venen, und durch
Arterien der Niere injicirte) verschiedenfarbige Masse sich an den Grenzbezirken der zusammenhängenden
verschiedenartigen Aederchen und Kanälchen, oder in dem intermediären Gefäfsnetze
begegnen. Dieser Erfahrung zu Folge kommunicirt die Lichtung des Bellinischen Rohres mit der ^Lichtung
der intermediären Blutbahn, und von dieser übernimmt dasselbe jene excernirte Flüssigkeit,
welche wir den Harn nennen. Nur einzelne Harnröhrchen scheinen sich über diese Grenze und bis zur
Oberfläche der Niere zu erheben, um auch dort mit dem intermediären Adernetze sich zu verbinden.
Die Zusammensetzung der Bellinischen Röhrchen stellet sich unter dem Mikroskope höchst einfach
dar, und man erblicket an einem entsprechend zerlegten Stücke der Medullarsubstanz, bei einer
750fachen VergrÖfserung: a) im Innern ein zartes Häutchen in Cylinderform, das dem Hornblättchen
der übrigen Schleimhautverlängerung in seiner innernZusammensetzung vollkommen gleichet; b) über
dieses Grenzgebilde des Röhrchens lagert'sich eine bald dünnere, bald dickere Schichte eines lockeren,
aus gröfseren Bläschen gebildeten Breies. An den stärker entwickelten Harnröhrchen treten um so
deutlicher, als diese der Nierenspalte näher gerückt sind, zarte Nervenröhrchen (erste Klasse, dritter
Ordnung) und Lymphgefafschen aus diesem Breie.hervor, .und die letztem gesellen sich in ihrem
weitern Zuge entweder den Venenzweigen bei, oder sie verbinden sich zu gröfsern Zweigehen und
Bündeln, welche einen gestreckten, in wagrechter Richtung fortg’esponnenen Zug darslellen. Unter
diesen Verhältnissen durchdringen und verlassen sie die Nierenspalte, und wandern endlich dem
Lendensaugadernetze geradezu entgegen.
Das peripherische Ende der Harnröhrchen geht, ohne eine sinnlich wahrnehmbare Metamorphose
eingeleitet zu haben, in das benachbarte intermediäre Maschennetz über.
Einen höchst merkwürdigen Zug, und eine, auf die Wesenheit der Niere allein beschränkte,
eigenartige Vertheilung stellet die Blutbahn rings um die Bellinischen Röhrchen herum dar.
Die Arterien der Nieren erzeugen im Innern der Wesenheit dieser Organe Zweige und Sprossen,
welche die sogenannte Kortikalsubstanz in bestimmte, der Medullarsubstanz zusehende, längliche Abtheilungen
oder Lappen durchschneiden und theilen. Aus diesen Muttergefäfsen der Nierenlappen erwachsen
rings umher längliche Gefäfse von eines Wien. Zoll, im Durchmesser (siehe Tab. X. Fig.2. Lit. A.),
die sich während ihres Zuges zum Lappen hin in mehrere kleine Zweigehen von eines Wiener Zolles
im Durchmesser spalten. Diese letzteren Arterienzweigehen sind die Muttergefäfse der Nierenknäuele, und
jedes zieht bald gestreckt, bald schlangenförmig gewunden zum Korne (Glomerulus s. Acinus)y dem
es angehört. An diesem angelangt, trennt sich das Hauptgefäfs des Kornes in mehrere kleine Aederchen
von 7^ 7 eines Wiener Zolles im Durchmesser (4 bis 0 an der Zahl), welche von dem durch die Thei-
lung des Muttergefäfses gewonnenen Mittelpunkte sternartig aus einander fahren, in ihrem excentrischen
Zuge die eine Hälfte des Nierenknäuels umfassen, dann aber durch eine wiederholte Spaltung die zartesten,
eines Wiener Zolles im Durchmesser besitzenden Gefäfschen des Kornes erzeugen, die
Tubuli Be llinianiad corticalem renum substanliam delàü contorquentur, a se invicem diver-
gunt, et in plures ramos minores, sine lege, finduntur, qui cum vasis sanguiferis cireumpositis
uniuntur ita, ut injectiones anatomicae ab uno systemate facillime in alterum transcanl, et si injectio
• in diversis systematibus diversis materiis absolvitur, jucundo satis spectaculo, in löcis distinctis, mas-
sae sibi obviam veniunt, et contacta suo, patentissimum argumentum, pro immediato vasorum urini-
ferorum in vasä sanguifera transitu, exhibent.
Ejusmodi vasorum Bellinianorum in vasa sanguifera transitus, non tantum in parenchymate
renüm observatur, sed etiam in quibusdam superficiei externae hujus organi punctis locum habere
vi detur.
• Secretio urinae itaque nihil aliud est nisi principiorum quorumdam in sanguine contentorum
simplex percolatio.
Structura vasorum Bellinianorum microscopice (augm. = 75o) investigata, simplex admodum
et homogenea observatur.
Consistunt enim singula vasa ab intus ad extus : a) in lamina quadam subtilissima superficiali,
quae epithelio reliquarüm membranarum aequiparari potest, b) hui'cce laminae ineümbit ab extus
stratum aliquod pulposum, ex vesiculis mediae magnitudinis conflatum. Quo magis ejusmodi vas-
culum Bellinianum ad;hilum renalem sese appropinquat, eo magis distincte observatur magna tubu-
lorum nerveorum (classis primae, ordinis tertii) et vasorum lymphaticorum quantitas, quae ex supra-
dicto strato pulposo originem trahunt.
Vasa lymphatica aut venis junguntur, aut vero inter se repetitis anastomosibus confluenlia ad
liilum renalem tendunt, et inde in plexum lymphaticum lumbalem sese exonérant.
Loca, in quibus vasa Belliniana vasis sanguiferis iptermediis inosculantur, relate ad struc-
turam et texturam horum vasorum nihil singularis exhibent.
Summopere quoque attenlione digna est vasorum sanguiferorum, quae tubulos Bellinianos
concomitantur, distributio eUdecurrendi modus.
Arteriae renales, in renum parenchyma delatae, in ramos plures finduntur, qui versus sub-
stantiam corticalem horiim organorum divergunt et poll. Vindob. partes diametro aequant. Ex
hisce ramis minores alii, '°oaal ‘ poll. Vindob. partes ampli, oriuntur, quorum directio a priori non
abludit. (Tab. X. Fig. 2. Lit. A.) ,
Hae ultimae propagines arteriosae generandis acinis renalibus impenduntur, ad quos modo
recto itinere, modo serpentino accedunt. Immediate antequam talis surculus arteriosus in glomerem
sive acinum renalem intret, in plures (quatuor usque sex) ramulos dividitur7^07poll. Vindob. partes
■ diametro aequantes, qui stellatim divergunt, dimidiam acini peripheriam ämplectuntur, tune iterum
in minores ■ioooo poll. Vindob. partes amplos ramos subdividuntur, qui alteram glomeruli renalis partem
innumeris curvaturis contexunt, et in vasa tandem efferentia glomeruli, sed tarnen semper
adhuc sanguifera abeunt. Haec vasa sanguifera efferentia -0loo poll. Vindob. partes diametro aequant,
et pro parte. systemati vasorum intermediorum sanguiferorum, quod singulös acinos ambit, immer-
guntur, partim vero, novum et reclilineum decursum, ad substantiam medullärem directum legunt. —
In hac substantia medullari, dicta vasa efferentia sese inter vasorum Bellinianorum fasciculos