II.
D a s i n t e r m e d i ä r e S c h l i n g e n g e f ä f s n e t z .
(Rete vasculosum ansatum.)
Diese Klasse des intermediären Gefafsnetzes findet man in allen jenen Organen und Organ-
tlieilchen eingeschaltet, die nebst dem Vermögen sich aufzurichten, insbesondere zur Auffassung verschiedener
Vorgänge in der Aufsenwelt bestimmt sind, erscheint daher an verschiedenen Punkten des
Tast-, Geruch-, Geschmack-, Gehör- und Sehsinnes, so wie auch an den freien Flächen einzelner
Stellen der Verdauungs-, Geschlechts- und Harnwerkzeuge.
Bald erblickt man die Erzeugnisse dieser Klasse als einfache, • zwischen den Endtheilen der kapillaren
Arterien und Venen eingetragene Schlingen, bald als eigens geformte, mehrfach gewundene
oder durch Zwischenzweige vereinte Gefäfsschleifen über den Horizont der Körperfläche erhoben. An
vielen Stellen des Körpers (z. B. an den Fingerspitzen, Mundlippen, Zungenrücken) stehen sie ohne
die Gefafsmaschen und sind die alleinigen oder vorherrschenden Erzeugnisse des peripherischen
Wendekreises der Gefäfse; an vielen Stellen erheben sie sich jedoch blos neben dem vorherrschend
ausgebildeten intermediären Maschennetze, und begründen dadurch nicht allein eigene Umrisse an
der Oberfläche des betreffenden Organes, sondern prägen auch zugleich derselben ein besonderes,
und zwar gemischtes Vermögen ein.
Von diesen Gefäfserzeugnissen werden wir daher weiter unten in der dritten Klasse der intermediären
Netze das nähere Verhältnifs eigens zu besprechen haben.
Der Durchmesser dieser Gefäfse ist sehr verschieden, meist jedoch gröfser, als der der inter-
mediären Maschengefäfse.
Bücksiehtlich der Gestaltung der aus dem Schlingennetze ins Daseyn gerufenen Körper zer-
fallt diese Klasse in- folgende Ordnungen:
1. Das einfache Schlingennetz.
2. Das palmzweigähnliche Schlingennetz.
3* Das pyramidalische Schlingennelz.
4* Das kegelförmige Schlingennetz.
.5- Das bündelformige Schlingennelz. 1
1. D a s e i n f a c h e S c h l i n g e n g e f ä f s n e t z .
(Rete vasculosum ansatum simplex.)
Tab. III. Fig. 3 , 15.
Die Hauptcharaktere dieses Adernetzes beruhen auf folgenden Bildungsverhältnissen:
a. Im Hintergründe dieses Netzes erblickt man meist parallel wandernde, gestreckte Muttergefäfse,
die sich sparsam verbinden, und durch ihr Uebereinanderlegen gleichsam mehrere Schichten
.darstellen.
b. Die Längenzweige der obersten und zugleich zartesten Aderschichten treten bald als kleinere,
bald als gröfsere Gefäfsschlingen in bestimmten Abständen hervor, und erst, nachdem unter
verschiedener Windung ein derlei emporgekommenes Muttergefäfs mehrere Schlingen erzeugt
hat, tritt dieses zu dem unterliegenden Gefäfsgeflechte und so in den Bezirk der Venen.
Die Schlingen dieser Ordnung sind die kürzesten Erzeugnisse des intermediären Schlingen-
netzes, durchdringen die Tastwarzen des Hautsystemes und gewinnen durch eine mehrfache Sclilin-
genwindung aü einer Seite ihres Zuges an einzelnen Organen (z. B. Lippen, Zunge, Scheideneingang
etc.) ein auffallend stärkeres und eigenartiges Aussehen, wefshalb ich diese Varietät in meiner
ersten Abtheilung der peripherischen Gefäfse unter der Benennung der mehrfach gewundenen Schlinge
beschrieben habe, was sich jedoch bei einer genauen Untersuchung nicht rechtfertigen läfst, daher
ich hier diese Formation blos als eine Spielart des einfachen Schlingennetzes anführe.
In omnibus organis, quibus facultas inest semet certis sub circumstantiis erigendi, et quae
insuper perceptioni quarumdam mutationum ab extus accidentium destinantur, haec vasorum mini-
morum classis inveniri solet; ergo in quibusdam provinciis organorum tactus, olfactus, gustus, au-
ditus, visus et in superficie interna tractus alimentaris et systematis uropoetico-genitalis.
Ansa, i. e. forma elementaris hujus classis vel simplex est, immediata nempe arteriae in venam
sociam inflexio vel inversio j vel est composita, i. e. arteria quidem inflectitur, sed non in venam mu-
tatnr, — iterum extenditur, iterumque incurvatur, et sic pluries, donee tandem post repetitas curva-
tiones in venam transeat, et tali pacto, cristam vel palmam potius digitatam aemulet, supra organi
superficiem emergentem. In multis corporis humani regionibus (ex. gr. in apicibus digitorum, labiis
dorso linguae) eminentissimae et perfectissimae sunt, — et nullum alium metacriseos arterioso - venosae
admittunt modum, in aliis tarnen ansae cum retibus in classed. recensis coexistunt, unde character
earum anatomicus et proin de physiologicus quoque diversimode modificatur.
Haec ex amalgamate duorum classium orta peculiaris vasorum constitution tertii capitis argumentum
erit. — - Diameter vasorum hujus classis etiamsi mire saepe varians, tarnen plerumque
major, quam in priori.
Pro diversitate formae, quam ansarum congeries induit, sequentes ordines commode constitui
possunt:
1. Rete vasculosum ansatum simplex.
2. Rete vasculosum ansatum palmatum.
3. Rete vasculosum ansatum pyramidale.
4. Rete vasculosum ansatum conicum.
5. Rete vasculosum ansatum fasciculare.
1. R e t e v a s c u l o s u m a n s a t u m s i mp l e x ,
Tab. III. Fig. 5 , 15.
Characteres primi ordinis sunt:
a. Basim ejus constituunt vasa parallela, longitudinaria, nonnisi raro per anastomoses unita, et
ita sibi incumbenlia, ut varia strata formare videantur.
Vasa suprema et tenuissima, saepe saepius ex directione horizontali elevantur in perpendicu-r
larem, iterum inflectuntur et ad directionem suarn primitivam redeunt, ut paulo post iterum erir
gentur, denuoque recurvata plures sic diclas ansas progenerent, et ultimo tandem in venam
subtus positam evanescant.
Istae ansae simplices, naturae altiora et magis intricata molientis rudimenta, papillas tactus
qua late patet cutis, ubique constituunt, et in labiis, lingua, sinu urogenitali mulierum, adeo densae
et confertae reperiuntur, ut in primo meo de vasculis peripliericis trnctatu, singulare genus, sub nomine
ansae multiplicatae, ex iis composuissem.
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