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Schon diese wenigen Angaben über Flagellaten und deren Verhalten genügen, um davon Vorstellung
211 geben, dass die Entwickelungsgeschichte der Hypogaeen und somit auch die der zunächst
in Betracht zu ziehenden Hymenogastreen ganz anders verläuft, als wie man bisher angenommen hat.
Obgleich man nämlich bei keiner einzigen Hymenogastree die Entstehung ihrer Fruchtkörper bezw.
ihrer hiycelien aus sog. Basidiensporen beobachtet hatte, weil letztere unter keinen Umständen trotz
zahlreicher und nach den verschiedensten Richtungen und Methoden angestellter Versuche zur Keimung
gebracht werden konnten, so wurden diese Sporen doch wie andere Sporen von Pilzen (Hyphomyceten)
als keimfähig beurteilt, und die im Walde oder auch an anderen Orten verbreiteten Mycelien der Ply-
menogastreen als die Produkte aus der Keimung dieser Sporen aufgefasst. Bezüglich der ersten Anlage
der Fruchtkörper der Hymenogastreen und deren weiteren Ausbildung bestand die Annahme, dass
H)-phcn der jeweiligen Mycelien sich zunächst knäuelartig vereinigten und dass ein solcher Hyphenknäuel
durch Differenzierung seiner Fäden in Hülle und Kern schliesslich zu dem -sog. Fruchtkörper
sich ausbilde, in welchem man zur Zeit der sog. Sporenbildung eine durch Gewebeplatten (Kammerwände)
in zahlreiche Kammern oder Lakunen geteilte Gieba, innerhalb jeder Kammerwand die Trama
und rechts und links von letzterer das Plymenium oder Fruchtlager unterschied. Als von der Trama
ausgehende Zweiglein wurden die subhymenialen Hyphen, und als Verzweigungen der letzteren die Basidien
und Paraphysen aufgefasst. Die auf fadenförmigen Sterigmen oder unmittelbar auf dem Scheitel
der Basidien erzeugten Bildungen sah man als Sporen, in neuester Zeit als Conidien an und nannte
deshalb auch den ganzen Ilymenogastreenfruchtkörper einen C o n id ie n tr ä g e r . Nach eingetretener
Sporenreife nahm man einen, sich besonders auf Kammer^vände und Hülle — oder Teile dieser beiden
— erstreckenden Fäulnis- oder Verwesungsprozess an, durch welchen die mutmasslich keimenden
Sporen der gemeinschaftlichen Hülle entledigt und in Freiheit gesetzt würden.
Diese Darstellung oder Beurteilung- der Entwickelungsgeschichte der Hymenogastreen ist eine
Kette der schwersten Irrtümer: auch nicht ein einziger Gedanke in ihr entspricht den thatsächlichen
\ erhältnissen, und diese total irrige Auffassung hat nicht nur in der Pilzlitteratur, sondern auch in
jedem grösseren botanischen Lehrbuche Aufnahme gefunden, sie ist gleichsam ein Gemeingut oder
richtiger gesagt ein Gemeinschaden aller Botanik Studierenden geworden. Ich selbst bin bei allen
meinen Publikationen über Hymenogastreen derselben irrigen Auffassung ihrer Entwickelungsgeschichte
gefolgt und gebe deshalb ohne Weiteres zu, dass ich mich sehr geirrt habe, und dass auch meine
innerhalb der letzten Jahre in dem botanischen Centralblatte' veröffentlichten Mitteilungen über Hy-
pogaeenentwickelung, wie es bei den ungemein grossen Schwierigkeiten der Untersuchung derselben
nicht anders sein konnte und darum auch von mir vorausgesagt war, noch derartige Irrtümer enthalten,,
dass ich auf das dort Gesagte bei der in diesem Buche später zur ausführlichen Besprechung
kommenden Entwickelung der Hypogaeen nur selten Bezug nehmen kann. Die unglückliche Voraussetzung,
dass die Sporen der Hymenogastreen wie gewöhnliche Pilzsporen mit Keimschläuchen
keimen würden, hat zu der falschen Beurteilung der Mycelienentstehung und somit auch der gesamten
Entwickelung der Hymenogastreen geführt, und die unleugbare 7’hatsache, da ss b ish e r niemand eine
sog. B a s id ie - entstehen sah , war der Grund, warum man insonderheit über einen der wichtigsten.
Teile der sog. Fruchtkörper der Hymenogastreen und Verwandten, nämlich über das H ym en ium
seiner Entstehung und seinem Wesen nach eine durchaus irrige Anschauung hatte.
Schmarotzerpilz gehalten hat, clor aber eine Amöbe ist. Tritt diese Amöbe in den Cystenzustand, so sieht sie einer Ascus-
spore mit dickbewarztem E.xospor sehr ähnlich. (S. die dickbewarzten, braunen Amöbencysten am Grunde der sog. Basidien
innerhalb des Fruchtkörpers von Hysterangium clathroides Vitt, in Figur i-l d. Tafel I )
1 s. p, 24, Anmerk. 5.
2 Niemand hat bisher den a lle rers ten Anfang einer Basidie irgend eines Basidiorayceten und den alle re r s ten
Anfang eines ascus irgend eines Ascomyceten beobachtet, und doch kann man dieses unter tCinhaUung gewisser Bedingungen
leicht sehen (s. später).
Obgleich nun die sog. Hymenogastreenfruchtkörper keine pilzlichcn Produkte, sondern Wohnungen
bezw. Brutstätten der im Eingänge dieses Kapitels genannten Organismen sind und deshalb auch die
Entwickelungsgeschichte derselben eine ganz andere als die bisher angenommene ist, so sehe ich mich
doch, um dem Leser verständlich zu werden, genötigt, an der Hand der Abbildungen auf Tafel I—VII
der Beschreibung der .Morphologie, des Baues und der Systematik der Hymenogastreen (und später
auch der Tuberaceen und Elaphomyceten) zunächst noch die alte Auffassung als Grundlage zu geben
und deshalb auch die bis dato gebräuchlich gewesenen terminologischen Ausdrücke wie Mycelium,
Fruchtkörper, Peridie, Gieba, Basidien, Sporen etc. beizubehalten, und erst die im letzten Abschnitte
dieses Buches unter Bezugnahme auf die Figuren der Tafeln V III—X zu schildernde Entwickelungsgeschichte
der Hymenogastreen wird klarlegen, wie alle diese Dinge, die man Mycelien, Fruchtkörper,
Hymenien etc. nennt, zu Stande kommen und wie sie ihrer Entstehung und somit ihrer eigentlichen
Natur nach genannt werden müssen. Einer späteren Zeit bleibt es Vorbehalten, eine neue Nomenklatur
der Hymenogastreen-, überhaupt Hypogaeengenera und Species an Stelle der alten, vielfach nicht mehr
passenden einzuführen.
Da ich in die Beschreibung der Systematik der Plymenogastreen die morphologischen und
anatomischen Eigentümlichkeiten einer jeden Species in den Hauptsachen aufgenommen habe, und bei
Schilderung der Entwickelungsgeschichte der Hymenogastreen insbesondere noch auf die stoffliche Zusammensetzung
und Reaktionen der Membranen und des Inhaltes der einzelnen, sowohl h}’phen- als
nicht hyphenartigen Bestandteile der sog. Fruchtkörper etc. zu sprechen kommen werde, genügt es,
über Morphologie und Bau der Hymenogastreen einige Mitteilungen allgemeiner Natur in übersichtlicher
Form zu geben, denen sich zweckmässig Bemerkungen von nicht streng morphologischem
oder anatomischem Charakter anschliessen.
D ie F ru c h tk ö rp e r der Hymenogastreen sind durchweg knollenartige Bildungen. Zur Zeit ihrer
ersten Entstehung stellen sie weiss-, gelb-, braun- oder andersgefärbte Stäubchen oder Flöckchen vor,
an denen sich schon sehr früh eine Unterscheidung in einen peripherischen und centralen Teil treffen
lässt. Der peripherische Teil umgiebt als eine schützende H ü lle (Peridie ) den centralen, später
L akunen oder K am me rn führenden Teil, welchen man die G ieb a oder das F ru c h tfle is ch zu nennen
pflegt. Innerhalb der bald grösseren, bald kleineren, bald engeren oder erweiterten, selbst in einem
und demselben Fruchtkörper niemals gleich grossen Giebakammern befinden sich die dieselben gänzlich
oder nur zum Teil ausfüllenden S p o ren , die beim Zusammenfällen der nicht selten labyrinth- oder
wendeltreppenartig gewundenen und mit einander anastomosierenden Kammerwände zur Zeit der E r weichung
oder \'^erwitterung der letzteren In enorm grösser Anzahl eine Zeit lang innerhalb der zumeist
nur stellenweise aufreissenden und länger als die Gieba fest oder überhaupt erhalten bleibenden Peridie
über- und nebeneinander lagern. Ein sog. Capillitium' oder Haargeflecht, wie dieses für die typischen
Lycoperdaceen und hlyxomyceten charakteristisch ist, bleibt zwar auch bei den II)-menogastreen, aber
meist nur in ganz unscheinbaren Resten zur Zeit der Erweichung der Gieba zwischen den Sporen erhalten.
Die Fruchtkörper der H)-menogastreen sind in Grösse, Form, Farbe, in der Konsistenz ihrer
t^eridie und Gieba etc. ungemein verschieden. Neben zumeist Haselnuss- bis walnussgrossen Knollen
giebt es solche von der Grosse einer Erbse, ja eines Hirsekorns und wiederum über enteneigrosse
Exemplare. Die kleinsten l-'ruchtkörper findet man innerhalb der Gattung Hymenogaster, die grössten
innerhalb der Gattungen Rhizopogon, Octaviania, Melanogaster und Leucogaster. — Die Form oder
(}estalt der Fruchtkörper ist bald kugelig, bald rundlich, bald ei-, bald nieren-, bald birnenförmig, bald
spitz-, bald stumpl höckerig viul dann meist sehr unregelmcissig. Schon bei einer und derselben Species
ist ihre Form zumeist eine sehr wechselnde. Am unregelmässigsten in der Form sind die Fruchtkörper
I S. dio CciiJÜliliunifasern von Leucogaster floccosus Hesse auf Taf. in Fig, 4, c, c, c, c.