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es Vorbehalten, entwickelungsgeschichtlich Bau und Morphologie der Gleba aller dieser Tuberaceen-
gattungen Schritt für Schritt zu verfolgen. Die Schwierigkeiten dieser Untersuchungen sind zum allergrössten
Teile gehoben, msofern nicht nur die bekannt gegebene Entwickelungsweise von Arten zweier
Tuberaceengattungeii unter allen Umständen, sofern sie richtig ist, eine sichere Richtschnur ftir die
Ermittelung der Entwickelung der übrigen Gattungen abgeben wird und muss, sondern insofern auch
in den Kapiteln über das Vorkommen der Hypogaeen, über das Suchen nach denselben, über die
Kultur der Trüffeln etc. die Wege gezeigt wurden, auf denen man in den Besitz der noch zu untersuchenden
Tuberaceen, besonders ihrer Fruehtkörperanlagen' kommt.
Vor Besprechung der Entwickelungsweise der Elaphomyceten müssen noch einige Angaben
über das eigenartige, in mancher Hinsicht noch nicht vollständig erklärbare Verhalten von Makrosporen
reifer, getrockneter Fruchtkörper gewisser Tuberaceen im Wasser des Objektträgers und das
Verhalten von Tuberaceensporen während des Erweichungsprozesses der Gleba Platz finden, welches
teils mit dem beschriebenen Kelmungsvorgange der Makrosporen der Tuberaceen teils mit dem Ruhezustände
der letzteren vor ihrer Keimung in einen entwickelungsgeschichtlichen Zusammenhang gebracht
werden kann.
Die breit-elliptischen Makrosporen von Balsamia fragiformis Tul. (Taf XXI, fig, 27) haben reif
eine zarte, in Schwefelsäure ungemein stark quellende, farblose Membran und führen innerhalb derselben
ausser etwas körnigem, durch Jod sich gelb färbendem Protoplosma einige kleine, wie
Öltröpfchen erscheinende Kugeln und einen grossen, central gelegenen, gleichfalls ölig glänzenden
Kern (nucleus). Wie man mit Hilfe von Äther nachweisen kann, sind weder die kleinen Kugeln noch
ist der grosse nucleus reines, fettes Öel, denn sie lösen sich in Äther niemals vollständig, auch tvenn
man sie wochenlang in diesem Lösungsmittel aufbewahrt, sie verlieren in Äther nur ihren Glanz, nicht
ihre Form, wodurch bewiesen wird, dass nur, oder wenigstens ganz vornehmlich ihre Oberflächen aus
Fett bestehen. Mit Jodlösung behandelt färben sich die kleinen Kugeln und färbt sich der grosse
nucleus tief rotbraun. Bringt man nun zahlreiche Makrosporen aus der Gleba eines reifen und ge trockneten
Fruchtkörpers von Balsamia fragiformis Tul. mit Hilfe einer Staarnadel in den AVasser-
tropfen eines Objektträgers, so sieht man schon bei Anivendung einer mittleren Vergrössernng, dass
sofort viele dieser Sporen nach Aufklaffen ihrer Membran den gesammten Inhalt oder einen Teil desselben
an das Wasser abgeben (Tat X X I, fig. 28). Dieses Aufklaffen der Membran kann durch eine
Querspalte, oder Längsspalte, durch ein einfaches Loch, ja mitunter sogar so geschehen, dass eine
Sporenmembran an einer ihrer beiden schmalen Selten deckelartig aufspringt.' Viele der in das
Wasser des Objektträgers gelangten Sporen bleiben dagegen vollständig geschlossen, oder ihre Membran
klafft spaltenartig auseinander, entlässt aber den Inhalt nicht (Taf XXI, fig. 28, links), und diese Sporen
Zeichen vielfach das Bestreben, mit benachbart gelegenen, intakt gebliebenen Sporen in Berührung zu
kommen. Sie fangen, ohne dass man an ihnen irgendwelche Bewegungsorgane» zu entdecken vermag,
1 Es ist Thatsache, dass, wie schon im Band I, p. 12 mitgeteilt wurde, die frühesten Entwickelungszustände der
Tuberaceen namentlich innerhalb der grösseren Zwischenräume eines krumigen Waklbodenhumus oder Schüttbodens zur
Anlage kommen, Es erklärt sich dieses aus der Art und Weise, in der sich die Stäubchen cder Flöckchen der Tuberaceen
ausbilden und zu Knöllchen und Knollen heranwachsen, Erstere müssen, wenn sie entstehen und grösser werden sollen,
relativ viel Platz haben und diesen finden sie nicht in einem sehr bündigen Thon, wohl aber in einem Boden mit
losem Gefüge.
2 Darin, dass trocken aufbewahrte Balsamiasporen mit Wasser in Berührung gebracht, in ihren Membranen aufreissen
und den Inhalt entlassen, liegt nichts Auffallendes, das Auffallende bei diesem Auseinanderklaffen isl nur dieses,
dass es auf eine so verschiedene Weise erfolgt, dass bald Längsspalten-, bald Querspalten-, bald Dcckelbildung etc.
beobachtet wird.
3 Da weder mit Jod, noch Fuchsin, noch Indigo, noch anderen Färbemitteln Organe zu entdecken sind, durchweiche
die an die Bewegung gewisser Infusorien erinnernde Bewegung der Makrosporen von Balsamia fragiformis Tul. im Wasser
des Objektträgers zustande kommt, so könnte man vielleicht annehroen, dass die Bewegung keine selbständige, sondern
sich 2u bewegen an, indem sie sich mit dem einen ihrer beiden Pole gleichsam auf den Kopf stellen,
d. h. ihre gewöhnliche horizontale Lage mit der vertikalen vertauschen, in dieser Stellung oft Sekunden-,
oft minutenlang verweilen und dann wieder die horizontale Lage einnehmen, oder indem sie sich im
Wasser des Objekttrilgers langsam in der Richtung ihrer Längsachse fortbevvegen, ohne sich zu drehen,
bis sie auf eine ruhende Spore stossen. Haben sie letztere berührt (Taf X X I, fig. 3 L links), so
schnüffeln sie gleichsam an derselben herum, legen sich oft auch mit einer ihrer breiten Seiten innig
an dieselbe an oder umziehen sie wiederholt, verlassen sie dann und suchen sich langsam fortbewegend
eine andere, benachbart gelegene Spore auf, um an dieser dasselbe Manöver zu wiederholen. Bei
diesem Berühren oder Beschnüffeln sieht man deutlich, wie der nucleus der sich bewegenden Spore
bestrebt ist, mit dem nucleus der beschnüffelten Spore in Berührung zu kommen, wie er nicht selten
seine Gestalt verändert, indem er gleichsam eine schnabelförmige Ausstülpung treibt (Taf XXI, fig. 31),
die die Membran auf die der ruhenden Spore derartig drückt, dass die nuclei beider Sporen nur noch
durch Membransubstanz voneinander getrennt sind, kurz, es macht den Eindruck, als ob ein Saugungsprozess
statthätte, als ob die eine Spore von dem Inhalte der anderen Spore durch die Alembran
hindurch stoffliche Substanz irgendwelcher Art in Empfang nähme. — Was den aus der Membran
vieler Sporen in das Wasser des Objektträgers getretenen Inhalt, besonders die kleinen und grösseren,
ölig glänzenden Bildungen betrifft, so sei beiläufig erwähnt, dass dieselben lange Zeit ihren Glanz
unverändert beibehalten, und dass sich in ihrem centralen Teile vielfach ein kleiner, körnige Substanz
umgebender Ring bemerkbar macht, den man sonst in ihnen nicht wahrnimmt (Taf X X I, fig. 45). —
Nach längerem, etwa drei- bis viertägigem Verweilen der Balsamiasporen im AVasser des Objektträgers
zeigen nicht wenige derselben Veränderungen bezüglich ihres Inhaltes insofern, als in ihnen da.s gesammte
körnige Protoplosma und die kleinen, ölig glänzenden Kugeln verschwinden, während der
nucleus bedeutend an A'olumen zunimmt und seine rundliche Gestalt mit einer breitelliptischen oder
ovalen, oder breitsichelförmigen vertauscht (Taf X X I, fig. 29). Dieser nucleus, welcher offenbar auf
eine noch näher zu studierende AVeise den übrigen Inhalt der Spore in sich aufgenommen hat, liegt
dann innerhalb der zart und in der Form unverändert gebliebenen Sporenmembran als ein stark
glänzender, durch Jod sich rotbraun färbender Körper, dieselbe entweder gar nicht oder nur stellenweise
oder lückenlos, also allerorten berührend. Im letzteren Falle (Taf.XXI, fig. 32) zeigt sich dann
oft die Alembran stark gestreift oder gestrichelt. Alanche Sporen umgeben sich nach längerem Aufenthalte
im AA'asser des Objektträgers mit einer Art Alantel oder Gürtel, der sie bis auf die beiden, stark
abgeplatteten Pole vollständig umschliesst (Taf. X X I, fig. 30). Sporen, die solche Veränderungen des
Inhaltes und der Alembran erfahren, sind nicht mehr einer Bewegung fähig, und die mit ihnen vor-
gegangenen Veränderungen zeigen zweifellos an, dass die Sporen in einen Ruhezustand eingetreten
sind oder wenigstens einen solchen vorbereiten, derartige Sporen erinnern ungemein an Ruhezustände
(Cysten) der Amoeben. Bemerkenswert ist auch der Fall, dass eine längere Zeit im AA'asser des
Objektträgers befindliche Balsamiaspore ihren gesammten Inhalt zuweilen zu einer einzigen, grossen
central gelegenen, stark glänzenden Kugel gestaltet, welche innerhalb der zartgebliebenen, durchsichtigen,
aber bedeutend umfangreicher gewordenen Alembran lagert (Taf X X I, fig. 3 1, unten), Auch
eine derartige Veränderung deutet den Anfang eines Ruhezustandes für die Spore an. Ganz ausnahmsweise
beobachtet man auch an im AA'asser des Objektträgers längere Zeit liegenden Balsamiasporen
eine Änderung ihrer breitelliptischen zur Kugelform und den A'organg einer Konjugation, d.h.
die A'ereinigung oder A'erkettung zweier Sporen zu einer einzigen, grösseren Bildung. Da die
lecliglicli die Folge der Wirkung einer ausserhalb der Sporen zu suchenden Kraft wäre, aber wenn man dieses auch
annehnien wollte, so liosse sich damit nimmermehr das in der Sporenbewegung sehr bestimmt ausgesprochene Lossteuern
einer Spore auf eine benachbarte, andere erklären.