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 Tagewerk  der  Schlaf  unter  eigenem  Daehe  (des  Zeltes),  selbst  
 wenn  nur  der  Sattel  zum  Kopfkissen  diente,  vortrefflich  
 schmeckte,  lässt  sich  wohl  errathen. 
 Ich  übergehe  hier  die mannigfaltigen  und  grossartigen Naturgenüsse, 
   welche  uns  die  fast  täglich  veränderte  Landschaft,  
 der Wechsel  von  Bergland,  Ebenen  und  Küsten,  der  stets  ungetrübte  
 Himmel  und  die  allenthalben  zur  reichen  Lese  einladenden  
 Fluren  gewährten;  nicht  minder  angenehm  waren  
 wir  auch  zugleich  durch  das  meist  freundliche  Entgegenkommen  
 der  Bewohner,  ihre  Dienstfertigkeit  und  Guthmüthigkeit  
 überrascht,  und  wenn  uns  auch  dort  und  da  etwas  Unangenehmes  
 begegnete,  so  war  dies  mehr  auf  Rechnung  des  Zufalls  
 oder  der  Unkenntniss  mit  dem  Lande  und  seinen  Sitten,  
 als  auf R echnung  der Böswilligkeit  der Menschen  zu.  schreiben. 
 So  oft  wir  auch  von Räubereien,  Todschlägen  u.  s.  w.  in  
 diesem  oder  jenem  entlegenen  Theile  der  Insel  hörten,  so  erwies  
 sich  dies  immer  als  eine  Lüge,  und  wir  bedauerten  es  
 sehr,  dass  wir  einmal  durch  dergleichen  Gerüchte  erschreckt,  
 uns  von  dem  Gouverneur  des Landes  einen  berittenen  Escorte-  
 mann  erbaten,  der  uns  auch - sogleich  bewilliget  durch  14  
 Tage  begleitete,  uns  aber  mehr  zur  Last  als  zum  Schutze  
 d iente,  und  dessen  wir  wahrlich  unter  den  friedlich  lebenden  
 Dorfbewohnern  gar  nicht  bedurft  hätten. 
 Einzelne  auf  Sitten  und  Gewohnheiten  sich  beziehende  
 Darstellungen,  einige  frappante  Begegnungen  und  Erlebnisse  
 wird  der  Leser  dort  und  da  in  den  folgenden  Blättern  zerstreut  
 finden,  und  daraus  zu  entnehmen  im  Stande  sein,  in  
 welchem  ärmlichen,  gedrückten  ja   selbst  verkommenen  Zustande  
 der  grösste  Theil  der  Bewohner  der  Insel  in  der  That  
 sein  Leben  zubringt. 
 Hat C l a r k e  in  seinen  Travels (I.  p. 315)  voröO Jahren über  
 Cypern  die  keineswegs  schmeichelhaften  Worte:  „agriculture  
 neglected  —  population  almost  annihilated  pestiferous  air  
 —  indolence  —  poverty  —  desolation,“  sagen  können,  so  ist  
 es  mir  leider  nicht  möglich  von  diesem  Zeugniss  auch  jetzt  
 nur  einen  Buchstaben  zu  ändern. 
 Wenn  man  auf  den  entferntesten  Theilen  der  Erde  z.  B.  
 in  Australien,  Neu-Seeland  u.  s.  w.  Postdampfer,  Häuser  nach  
 europäischer  Construction  und  mit  europäischer  Einrichtung,  
 ja   selbst  mit  Clavier  und  allem  Comfort  versehen,  nebstbei  
 die  vollste  Einbürgerung  heimischer  Sitten  wahrnimmt,  so  
 erregt  es  doppelt  unser  S taunen,  in  einem  Lande  wie  Cypern,  
 das  uns  von  Jugend  auf  durch  seine  frühere  Cultur,  durch  
 seinen  Reichthum  und  durch  seinen  ausgebildeten  Religions-  
 cultus  eine Art  Ehrfurcht  abgenöthiget  hat,  nunmehr  als  eine  
 geistige  Oede  so  wie  als  einen  der  Civilisation  entfremdeten  
 Boden  zu  finden. 
 Alle  Versuche,  welche  der  Westen  früher  oder  später  
 machte,  um  diese  zauberische  Insel  wieder  auf  die Bahn  europäischer  
 Gesittung  zu  bringen,  sind  an  der  aus  den  Steppen Mittelasiens  
 hereingebrochenen Barbarei  gescheitert;  und so  schaltet  
 und  waltet  der Halbmond  über  den  Grabeshügeln  der  Könige,  
 über Städteruinen,  über den verschütteten Säulenhallen von Tempeln  
 und P alästen,  als  wären  es  Geröllbänke,  die .ein  tosender  
 Waldstrom bei seinen Ueberfluthungen dort und da zurückliess. — 
 Wenn  es  wahr  ist,  dass  alle  Geheimnisse,  Kräfte  und  
 Wirkungen,  deren  Beherrschung  sich  die  Magie  zuschreibt,  
 in  „ v e r b i s ,  h e r b is   et l a p id ib u s “  liegen,  so habe ich  vielleicht  
 nicht  Unrecht  gethan ,  das  cyprische  Eiland  zum  Gegenstände  
 einer  besonderen  Untersuchung  zu  wählen,  denn  wo  dürften  
 sich  die  Räthsel  über  jene  drei  Puncte  eher  vereiniget  beisammen  
 finden,  als  auf  diesem  kleinen  vom  Meere  umschlungenen  
 Erdstrich,  reich  an E r in n e r u n g e n ,  reich  an  e ig e n tüm lichen  
 G ew ä c h s e n  und  ihren Producten und  ebenso  durch  ihren  
 M e ta llr e ic h th um   seit  den  ältesten  Zeiten  berühmt. 
 Der  Naturforscher  ist  der  Magier  unserer  Z e it,  aber  
 nicht  mit  erträumten Kräften  treibt  er  sein Handwerk,  sondern  
 mit  Kräften,  deren  Wirkungsweise  er  k e n n t,  die  er  in  den  
 Bann  von  Maass  und  Gewicht  schlägt,  und  die  er  eben  dadurch  
 zu  beherrschen  und  sich  völlig  unterthan  zu  machen  im  
 Stande  ist. 
 Der  gesammte  Orient  und  die  nicht  minder  Sagenreiche  
 Insel K y p ro s   war  einst  die  Geburtsstätte  jener  Zauberei,  die