Wenn auch für unser mitteleuropäisches Naturell die
Monate März und April in dem oberen Theile der Insel erträglich
verlaufen, so ändert sich dies mit der zweiten Hälfte
des Mai gewaltig, da die Scene nun auf einmal eine andere
geworden ist. Die Ernte ist je tz t vollendet. Wohin sich der
Blick wendet begegnet ihm nur das Bild trauriger Stoppelfelder
und selbst die letzte der hierortigen Feldfrüchte, die
Linsensaat fängt an im Kraute zu vergilben. Der Landmann
hat nur noch den Acker für die Baumwolle zu bestellen, der
jedoch nur dort einen E rtrag verspricht, wo er künstlich bewässert
werden kann.
Die Temperatur hat je tz t 20° R. erreicht und übersteigt
dieselbe schon in einzelnen Tagesstunden. Die Atmosphäre
füllt sich mit Dunst, der alle nur einigermaassen entfernte
Gegenstände in einem dichten Schleier verhüllt. Kein Tropfen
Regen erquickt je tz t mehr den durstenden Boden, kein
Thau das verschrumpfende Kraut*). Scheusslich strecken die
entlaubten Maulbeerbäume ihre Aeste wie Besen in die Luft
und umsonst sieht man sich nach einem erquickenden Schatten
um. Alle Flüsse sind vertrocknet oder haben ihr spärliches
Wasser an die zahlreichen Bewässerungskanäle abgegeben.
Allenthalben klüftet der gespaltene Boden, bedeckt
vom Staube, den die Winde wirbelnd in die Höhe treiben
und die Luft noch drückender machen. Endlich stellt sich
zu allem Ueberflusse der Beschwerden des Sommers noch
ein Heer peinigender Insecten ein, dem man vergeblich zu
entgehen sucht.
So gleicht ein Tag dem ändern und aus dem unverändert
wolkenlosen Himmel schleudert ein erzürnter Gott die
sonst so segensreichen Strahlen der Sonne nun als verwundende
Speere auf die Erde.
„Infamem nimio calore Cyprum observes messes area cum
teret crepantes et fu lv i juba sceviet leonisu sang schon Martial,
und dieses Bild passt noch jetzt ganz und gar auf Cypem.
*) Die Thaubildung hö rt im Ju n i und Ju li ganz auf.
Wenn man die Münzen der älteren Periode dieser
Insel betrachtet*), so ist die Darstellung des Löwen, und
des Löwenkopfes mit aufgesperrtem Rachen eine der gewöhnlichsten,
und soll nichts anderes als die versengende Hitze
des Sommers darstellen, die wie ein raubgieriges Thier alles
Lebendige verzehrt. Zur näheren Charakterisirung des Löwen
ist ihm häufig das strahlende Gestirn des Tages und der geflügelte
Herrscher der Lüfte — der Adler als Symbol beigegeben.
—
Dort wo grosse, drückende Sommerhitze zugleich mit
Dünsten Zusammentreffen, die sich aus stagnirenden Wassern
entwickeln, ist sie ungesund, und zur Hervorbringung perni-
ciöser Fieber geeignet. Dieser Umstand trifft in Cypern vorzüglich
an mehreren seiner Hafenstädte ein, wesswegen dieselben
im übelsten Rufe stehen. We r es nur immer kann,
wird den an der Marina liegenden Theil von L a rn a k a , so
wie das an der Mündung des Pediäs befindliche Famagosta
in den Monaten Juli und August zu vermeiden trachten.
Reisende schildern die Malaria bei Larnaka zur Sommerszeit
auf folgende Weise: „Ein weisser dichter Nebel breitet sich
über die Ebene au s, und ebenso sind die Berge in einen
unheilsamen Höhenrauch eingehüllt. Alle Geschäfte und Reisen
werden nur Abends oder zur Nachtzeit ausgeführt. Der
Sonnenstich ist häufig.“
Nichts desto weniger hat auch der Sommer seine kühlenden
Seewinde, welche die Glut des Tages einigermaassen
lindern und für den Eingeborenen sogar erträglich machen.
Das allenthalben vom Meere umfluthete Land und die geringe
Ausdehnung desselben bringt es mit sich, dass der sonst nur
auf den Küstensaum beschränkte Einfluss sich bis in das
Innerste der Insel erstreckt. Nicht einmal erfuhren wir es,
dass sich nach 9 Uhr Morgens die bereits lästig gewordene
Hitze wieder zu mässigen anfing.
*) Vergl. hierüber H. de Luynes, 'Numismatique e t inscriptions cypriotes,
P a ris 1852 4to P l. H, VI und X II p. 12. „II ne me p a ra ît pas douter,
que le lion ne fût ici, comme sur la médaille d’Evagoras, un symbole
du soleil a rdent qui cause d’insupportables chaleurs dans l’île de Cypre.“