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 einzigen  Papa  bewohnt.  Sowohl  e r,  als  seine  Gattin  Papida  
 führten  uns  auf  die  Nachfrage  um  das  Christholz  (Jjvlov  rov  
 Xqkjzov)  ,  wie  dieser  Baum  seiner  kirchlichen  Verwendung  
 wegen  genannt  wird,  sogleich  in  den  nahen  Garten,  wo  in  
 der  That  neben  Oliven,  Limonien,  Cypressen  und  anderen  
 gepflanzten  Bäumen  zwei  a lte,  theilweise  durch  Windbruch  
 beschädigte  Bäume  von  Liquidambar  orientalis  Ait.  standen.  
 Sie  waren  eben  in  Blüthe  oder  richtiger  g esag t,  die  männlichen  
 Kätzchen  oder  Rispen  waren  bereits  abgefallen,  die  
 weibliche  Blüthe  schickte  sich  zur  werdenden  Frucht  an  und  
 n ebstbei,  um  die  Wonne  eines  botanischen  Herzens  ganz  
 voll  zu  machen,  hingen  allenthalben  die  reifen  vorjährigen  
 Früchte  (freilich  ohne  Samen)  au f  den  Bäumen.  Wir  benützten  
 diese  seltene  Erscheinung  so  gut  wir  konnten,  
 wobei  es  mir,  der  ich  mein  Augenmerk  vorzüglich  der Rinde  
 zuwandte,  schlechter  ging,  weil  ich  meine  Säge  zufällig  zu  
 Hause  vergessen  hatte. 
 Wie  begreiflich  war  der  untere  Theil  des  Stammes  mit  
 seiner  rissigen  Borkenrinde  fast  ganz  zerschunden,  aber  
 zum  Glück,  dass  den  Orientalen  alle  guten  Schneideinstrumente  
 fehlen,  glich  auch  diese  Verstümmlung  des  Baumes  
 mehr  einem  fehlgeschlagenen Versuche,  der  den Baum immerhin  
 beim  Leben  erhielt. 
 F ü r  meine  anatomische Untersuchung bedurfte  ich wenig  
 und  mit  gutem  Gewissen  kann  ich  sagen,  ich  habe  der  B a rbarei  
 der  Verstümmlung  keineswegs  die  Krone  aufgesetzt.  
 Noch  lange,  so  Gott  will,  werden  die  beiden  schönen  malerischen  
 Bäume  fortgrünen  und  Zeugenschaft  g eb en ,  dass  
 ein  früherer  Culturzustand  der  Insel  es  nicht  unterliess,  
 diese  nützlichen  Bäume  aus  der  Ferne  hieher  zu  verpflanzen. 
   Wie  sehr  war  ich  nach  meiner  Rückkunft  in  
 Europa  bei  Durchsicht  der  Litera tur  nicht  e rs ta u n t,  dass  
 P o c o c k e   (1.  c.  p.  333)  des  Ghristholzes,  das  er  aber  als  
 gvXov  tqiivöi  bezeichnet,  Erwähnung  th u t,  aber  es  mit  Lignum  
 rhodium  irrthümlich  für  identisch  hält.  E r  sagt,  dass  das  
 Kloster  Antiphonites  des  Lignum  cyprinum  wegen  berühmt 
 sei,  dass  aber  auch  hier  nur  7  Bäume  vorhanden  wären,  sonst  
 jedoch auf der Insel nirgends welche vorkämen. Dass P o c o c k e   
 wirklich  den  Liquidambar  darunter  m e in t,  geht  aus  einer  
 beigefügten  Abbildung  hervor.  „Das  L a u b ,  sagt  er  ferner,  
 hat  einen  balsamischen  Geruch  und  einen  Pomeranzengeschmack  
 und  gibt  einen  vortrefflichen  weissen  Terpentin,  
 zumal,  wenn  in  die  Rinde  viele  Kerben  geschnitten  werden.  
 Ich  glaube,  man  verfertigt  daraus  das  sehr  wohlriechende  
 köstliche  Oel,  welches  der  Sage  nach  eben  so  gut  als  das  
 Holz  selbst  die  Kraft  h a t ,  das  Herz  und  das  Gehirn  zu  
 stärken.  Das  gemeine  Volk  haut  die  Rinde  und  das  Holz  
 mit  einander  a b ,  röstet  es  im  Feuer,  saugt  d a ran ,  und  hält  
 solches  für  das  beste  Mittel  in  einem  hitzigen  F ie b e r,  dem  
 allen  Ansehen  nach  eine  fast  wunderthätige  Wirkung  beigelegt  
 wird.“ 
 Wie  man  aus  der  Vergleichung  dieser  Angabe  mit  
 unserem  Augenschein  ersieht,  sind  seit  ungefähr  120  Jahren  
 bereits mehr  als  die Hälfte  dieser Bäume  zu Grunde  g eg an g en ;  
 allein  es  finden  sich  auf  Cypern  noch  in  einem  anderen Klostergarten, 
   wie  He rr  K o t s c h y   erfuhr,  nämlich  zu  Neophito  
 bei  Ktima  unweit  Paphos  einige  Liquidambarbäume.  Leider  
 hatten  wir  es  übersehen,  uns  von  dem  Zustande  derselben  
 nähere  Kenntniss  zu  verschaffen.  — 
 Es  ist  b ek a n n t,  dass  der  Storax  vorzüglich  von  der  
 Insel  Cos  (Stanchio)  zu  uns  gelangt.  Von  dort  kommen  
 gegenwärtig  grosse breite Kuchen  einer aus  gepressten R indenstücken  
 bestehenden  Substanz  nach  Triest,  wo  fabriksmässig  
 durch Destillation  Storax liquidus  gewonnen wird.  Die Vergleichung  
 der  Rindenpartikelchen  jen e r  Kuchen  mit  der  Rinde  
 von Liquidambar orientalis  lässt  beide  als  identisch  erkennen,  
 woraus  hervorgeht,  dass  der  flüssige  Storax  der  Insel  Cos  
 nicht von  Storax  officinalis,  sondern von  Liquidambar herrührt. 
 Wer  aber  dieser  Insel  auch  nur  einmal,  und  selbst  nur  
 von  einer  Seite  nahe  gekommen  i s t ,  und  dieselbe  als  ein  
 baumloses  Hügelland  kennen  lernte,  muss  gerechten  Zweifel  
 hegen,  wie  auf  derselben  so  viele  Liquidambarbäume  Vorkommen  
 sollten,  um  die  jährlich  beträchtliche  Ausfuhr  der