Auch bis zur Stunde sind die Acten über diese harzige,
als wohlriechendes Räucherwerk und als Heilmittel dienende
Substanz noch keineswegs geschlossen, ja es ist nicht einmal
sicher, von welcher Pflanze dieselbe herstammt, obgleich man
all gemein einen Strauch, der in Griechenland und im ganzen
Orient wild wächst, nämlich Styrax officinalis Linn. für die
Mutterpflanze des Storax der Alten hält. Allein man zweifelte
schon lange an der Richtigkeit dieser Ansicht, doch ist es mir
nicht bek an n t, auf welche Art sich dieser Irrthum, wie wir
gleich sehen werden, in die Wissenschaft eingeschlichen hat.
Styrax officinalis, ein mehr als zweimannshoher Strauch,
mit armdickem Stamme, ist eine über ganz Griechenland, Kleinasien,
Syrien, Palästina und auf der Insel Cypern, namentlich
in dessen westlichen gebirgigen Theile sehr verbreitete Pflanze.
E r gehört durch die schönen, in Form weisser Glöckchen
oder Quasten herabhängenden Blüthen und durch die zarte
Belaubung zu den Zierden der Vegetation. Eine oftmalige
Untersuchung der Blüthentheile, der Blätter und namentlich
der Aeste und Stämme dieses Strauches haben mir beinahe
die Ueberzeugung verschafft, dass diese Pflanze unmöglich
in irgend einem Theile eine harzige Aussonderung hervorbringen
und enthalten k ö n n e ; besonders hat sich die Rinde,
welche am ehesten als Sitz dieser Excretion beschuldigt
werden könnte, durchaus frei von jed e r fremdartigen Substanz
gezeigt.
Zu einer ganz anderen Ueberzeugung ist indess Herr
K o t s c h y im Verfolge seiner Reise im Amanus gelangt, wo
ihm von den Eingeborenen bemerkt wurde, dass an alternden,
schenkeldicken Stämmen eben dieses Strauches in der That
ein Harz in Form von kleinen Tröpfchen hervorquelle, das
sie Storax nennen.
Vergleicht man dies mit der Angabe des P l i n i u s , wo
er den Baum, welcher das Storax liefert, unbezweifelt als
unseren Styrax officinalis gekennzeichnet*), so kann kein
*) Hist. nat. XX. 55. „Arbor est eodem nomine c o t o n e o m a l o si-
m i l i , lacrima ex austero ju cu n d i odoris intus similitudo h a rundinis, sueo
p ra eg n a n s.“
Zweifel sein, dass sowohl im Alterthume als gegenwärtig der
Styrax officinalis, wenn gleich in geringer Men g e, das nach
ihm genannte Harz liefert. Etwas anderes ist die F r a g e , ob
sowohl je tz t als ehedem dieser Strauch als die a l l e i n i g e
Q u e l l e des Storaxharzes angesehen werden kann.
Schon P l i n i u s weist auf seine Verfälschungen mit ändern
-Substanzen, namentlich mit Cedernharz, mit Gummi, ja sogar
mit Honig und bitteren Mandeln hin („Adulteratur cedri re-
sina vel cummi, alias melle aut amygdalis amaris“ 1. c.), ohne
eigentlich jene Substanz zu nennen, die sich gewiss auch
zu seiner Zeit als vorzüglichste Fälschung geltend machte. —
F a st einem glücklichen Zufalle möchte ich es zuschreiben,
dass wir b eide, ich und mein Reisegefährte, auf die
sichere Spur der Mutterpflanze des verfälschten Storax geführt
worden sind, wodurch das pharmacognostische Räthsel
ein für allemal als gelöst zu betrachten ist.
Wir hatten die Ostern in dem kleinen Kloster Melan-
drina, an der Nordostseite der Insel, zuzubringen beschlossen
und dabei zugleich unseren, durch die lange dauernden Fasten
entkräfteten Dienern eine Erholung zugedacht. Die kirchlichen
Functionen, deren wir Zeugen waren und wobei
namentlich in der griechischen Kirche Räucherwerk nicht gespart
wird, veranlasste uns, durch den etwas befremdenden
Geruch der Rauchfässer ange regt, nach dem hier üblichen
Weihrauch zu fragen und uns eine Probe davon zeigen zu
lassen. Mit Bereitwilligkeit hatte der Papa unserem Wunsche
willfahrt und dabei bemerkt, dass die vorgewiesenen kleinen
Rindenstücke, die hier nebst dem Olibanum verwendet werden,
von einem Baume herrühre, der weiter oben im Gebirge,
und zwar im Kloster Joannes Antiphonites wachse. Was war
natürlicher, als diesen Baum, der dem Platanus ähnlich, aber
doch mit etwas anderem Laube versehen, geschildert wurde,
in dem wir sogleich Liquidambar vermutheten, aufzusuchen.
Nach einigen Weg stu n d en , die wir zu Fusse machten,
hatten wir die Felswände erreicht, unter denen sich die von
Genuesen erbaute und reichlich ausgeschmückte Kirche mit
den umliegenden Klostergebäuden ausbreitete. Kirche und