VIII. Die Heuschreckenverwüstungen
auf Cypern.
Die Heuschrecken (dxgidia) sind die gefürehtetsten aller
Thiere auf der Insel. Bei ihrer F ressg ierd e, die nichts Genusshares
verschont und bei der grossen Fruchtbarkeit, deren
sie sich zu erfreuen haben, werden sie -4- fast jährlich zu
einer enormen Anzahl angewachsen — eine wahre Landesplage
, gegen die man sich vergeblich zu schützen sucht.
Günstige Witterungsumstände vermehren sie und beschleunigen
oft ihre verheerenden Züge, so dass der Landmann
noch vor der Ernte sich des Schweisses seiner Arbeit beraubt
und der Hungersnoth Preis gegeben sieht.
Merkwürdig ist, dass dieser Erbfeind der Landwirthschaft
hier nicht derselbe ist, der in dem benachbarten Palästina und
in Syrien eben solche Verwüstungen hervorbringt, obgleich
auch dieser in Cypern nicht fehlt.
Die au f der Insel gefürchtete Heuschrecke ist kleiner
als jen e und gehört nicht der Gattung Acridium, sondern der
Gattung Stauronotus a n , kommt aber in allen Untugenden
seinen viel kräftigeren Stammesgenossen fast gleich.
Wir haben auf unseren vielfältigen Wanderungen durch
die Insel nur zu oft Gelegenheit gehabt diesem wandernden
Heere zu begegnen, seine Gehurtsstätte kennen zu lernen
und es in allen Verwandlungen bis zu einer die Lüfte durchschwirrenden
wilden Jag d zu verfolgen. Eine aufmerksame
Beobachtung liess uns nicht weniger ihre Lebensweise, ihre
vorzüglichen Nahrungsmittel und die Art und Weise, wie und
nach welchen Gesetzen sie ihre Wanderungen vollziehen, er-
kennnen. Es wird daher nicht überflüssig sein, die gemachten
Erfahrungen hier in Kürze zusammenzufassen. Das J ah r 1862
zeichnete sich in Cypern durch den frühen Eintritt des Frühlings
aus. Als wir am 28. März unsere erste Reise von Lar-
naka aus über Ormidia nach Famagosta antraten, trafen wir
schon mit der jungen B ru t— den Wickelkindern dieser Landes-
verwüster — zusammen. Bei ihrer fast mückenhaften Kleinheit
war dennoch ihre ungeheuere Anzahl grauenerregend, und
liess schon im Voraus ersehen, welchen verheerenden Feind
die liebliche wärmende Frühlingssonne, die Segnerin der jungen
Saaten, mit diesen zugleich zur rascheren Entwickelung brachte.
Wir durchritten in der Nähe des Dorfes Avgoru ein mehren-
theils unfruchtbares Tafelland, wo dem vegetationsfeindlichen
Conglomerate nur einzelne wenig ausgedehnte Felder abgewonnen
waren. Gebüsche von Juniperus phoenicea, Pistacia
Lentiscus, Poterium spinosum und Satueja spinosa nebst einigen
ändern unwirschen Kräutern bedeckten den mageren Boden.
Mitten in diesem Haidelande hatten grosse Colonien
von Heuschrecken Platz genommen. Haufen von mehreren
Tausenden umlagerten die einzelnen Büsche, die ihnen Schutz
und Nahrung zu geben schienen. Beim Herannahen hüpften
die kleinen schwarzen Dingerchen in wirren Sprüngen herum,
sammelten sich aber nach Kurzem wieder, um in familiärer
Gemeinschaft ihre Nahrung zu verzehren. Der Eingriff, den
dieselben auf die genannten Pflanzen machten, war noch unbedeutend
und man konnte es denselben kaum ansehen, dass
sie in ihren weicheren Theilen benagt waren. Die Klagen
jed o ch , die uns über ihre alljährlichen Verwüstungen zu
Ohren kommen, beweisen hinlänglich, dass sie selbst schon
in diesem Jugendzustande eine Geisel des Culturlandes sind.
Ganz anders nahmen sich dieselben Heuschrecken um
14 Tage später aus. Wir trafen mit ihnen auf demselben
Plateau, nur etwas westlicher bei Nicosia zusammen. Es war
am 11. April als wir in der Umgebung der Hauptstadt des
Landes alle Landleute schon mit der Ernte beschäftiget fanden.