
 
		dem  mittlern,  östlichen  Tempel  fährt  links  Sacrya  auf  einem Wagen, 
   rechts  Tjandra mit  zehn  Pferden.  Sowohl  die  inneren Wände  
 dieser  Tempeln  als  die  äußeren  Flächen  der  Pyramiden  sind  mit  
 schönen  Ornamenten  bedeckt.  Diese  Reliefbilder,  sämtlich  der  
 brahmanischen Mythologie  entnommen,  übertreffen  bei weitem diejenigen  
 des  Boro-Budur  an  Mannigfaltigkeit  der  Erfindung  und  
 Komposition,  an  Kraft  und  Leben  der  Gestaltung,  an  Feinheit  und  
 Eleganz  der  Ausführung.  Manche  von  ihnen  erinnern  an  die  berühmten  
 Tempelbilder  und Altarfriese  des  Parthenon  und  von Pergamon, 
   die  hinsichtlich  der  Kunstvollendung  allerdings  höher  stehen. 
   Viele  Figurengruppen  sind  ähnlich  denjenigen  in  den Höhlentempeln  
 der  Insel  Elephanta  und  in  den  Carlie-Caves,  die  ich  im  
 Jahre  1881  auf meinen  Exkursionen  von  Bombay  sah  und  in  meinen  
 „Indischen  Reisebriefen“  beschrieben  habe. 
 Nördlich  von  dieser  großen  Hauptgruppe  der  Brambanantempel,  
 gegen  den  Vulkan  Merapi  hin,  liegt  eine  andere,  größtenteils  zerstörte  
 Gruppe,  T jan d i  Lembang.  Hier  steht  ein  großer  Haupttempel  
 inmitten  von  sechzehn  kleineren,  deren  Wände  mit  vielen  
 lebensgroßen,  männlichen  und weiblichen  Figuren  in  Basrelief  bedeckt  
 sind.  Noch weiter nördlich gelangen wir nach T jan d i Sewü,  
 der berühmten Gruppe  der  „Tausend Tempel“ .  Hier  ist ein  großer  
 Haupttempel  von  vier  Reihen  kleinerer  Tempel  umgeben,  deren  
 Gesamtzahl  sich  auf  2Öo  beläuft.  Durch  das  Erdbeben  von  1867  
 sind  sie  größtenteils  zerstört;  aber  die  reichen  Reliefbilder  aus  
 der Hindu-Mythologie, welche ihre Wände und Korridore schmückten, 
   sind  noch  vielfach  gut  erhalten  und  lassen  uns  auch  hier  die  
 Phantasie  und Gestaltungskraft  ihrer  arischen  Urheber  bewundern.  
 Der Ausgang der vier Wege, welche kreuzweise durch das Labyrinth  
 dieser  Tempelstadt  führen,  wird  von  je  zwei  kolossalen  Steinfiguren  
 bewacht,  grimmige  Tempelwächter  mit  gewaltigem  Maul  und  
 Glotzaugen.  Ähnliche Figuren,  sowie noch  zahlreiche  brahmanische  
 Götterbilder  —   aber  auch  stellenweise  Buddhastatuen  —   finden  
 sich  in  anderen  Ruinen  von  Tempelgruppen,  die  hier  in  weitem  
 Umkreise zerstreut liegen.  Ihre Gesamtzahl wird  auf  5oo geschätzt.  
 Sie  lassen  auf  die  Größe  und  Kulturentwicklung  der  ansehnlichen  
 Hindustädte  schließen,  welche  hier  vor  zwölf hundert  Jahren  
 blühten,  und  von  denen  sonst  jede  Erinnerung  spurlos  verschwunden  
 ist. 
 Nachdem wir  diese weitläufigen Ruinenfelder  durchwandert  hatten, 
   folgten wir  der  freundlichen Einladung  des  Herrn Geßner,  ihn  
 auf  seiner  nahegelegenen  Pflanzung  zu  besuchen.  Wir  fanden  dort  
 ein  stattliches,  äußerst  geräumiges  und  behaglich  eingerichtetes 
 Bungalow  und  erfreuten  uns  in  Gesellschaft  der  liebenswürdigen  
 und  schönen  Hausfrau  einer  sehr  angenehmen  Erholungsstunde.  
 Hier  in  diesem  gemütlichen  deutschen  Heim  hatte  ich  den  ö s tlichs 
 ten  und  zugleich  den  sü d lichs ten   Punkt  der  Erde  erreicht,  
 bis  zu  dem  ich  auf  meinen  Reisen  vorgedrungen  war.  Gern  wäre  
 ich noch  einige  Stunden weiter  gen  Osten  bis  zum Dorfe  Ngale  gefahren, 
   um  das  nahe  T r in il  am  Bengawaflusse,  den  berühmten  
 Ort  zu  besuchen,  an  welchem  Dr.  Eugen  Dubois  1891  die  fossilen  
 Reste  des  „Missing  link“ ,  des  Affenmenschen  von  Java,  gefunden  
 hatte  (Pithecanthropus  erectus).  Allein  leider  gestattete  mir  
 meine  knapp  zugemessene  Zeit  nicht  diesen  frommen  Akt  des  
 Ahnenkultus!  Ich mußte schon mittags  zurück  zur Station Bram-  
 banan,  und  um  1  Uhr  war  ich  bereits  wieder  in  Hotel Mataram  in  
 Djokja.  Rasch  packte  ich  nach  dem  Frühstück meine  Sachen  und  
 saß  schon  um  2  Uhr wieder  auf der Eisenbahn,  um  in  vier Stunden  
 nach  Maos  zurückzufahren.  Hier  blieb  ich  zwei  Nächte,  um  einen  
 Tag  der Exkursion nach T j i la t ja p   widmen  zu können. 
 Diese  frühere  Garnisonstadt  ist  der  Hafenort  der  Provinz  Ban-  
 jumas  und  liegt  (unter  io g o ’ö. L.)  fast  in  der  Mitte  der  langen,  
 wilden  und  wenig  bevölkerten  Südküste  von  Java;  sie  besitzt  den  
 einzigen  guten  Hafen  an  dieser  Küste  und  einigen  Handel.  Eine  
 Zweigbahn, welche nach Süden von Maos  abgeht, verbindetTjilatjap  
 mit  der  Hauptbahn;  die  Fahrzeit  dauert  kaum  eine  Stunde.  Die  
 Zweigbahn  durchschneidet  die  berüchtigten  Waldsümpfe,  welche  
 sich hier  von  der Südküste bis  nach  Bandjar hinauf  ausdehnen,  bis  
 an  den  Fuß  des  Preangergebirges.  Diese  ganze  Region  ist  als  die  
 schlimmste  Fiebergegend  von  Java  verrufen,  und  es  fährt  selten  
 jemand  nach  Tjilatjap,  der  nicht  durch  Geschäfte  dazu  gezwungen  
 ist.  Die Garnison mußte  schließlich  verlegt werden,  weil Tausende  
 von  Soldaten  an bösartiger Malaria  starben.  Ich  vermied es  deshalb  
 auch,  in  diesem  Fieberneste  zu  übernachten,  fuhr  morgens  6  Uhr  
 mit  dem  ersten  Zuge  von  Maos  dahin  und  war  abends  6  Uhr  mit  
 dem  letzten  Zuge  wieder  zurück. 
 Was  mich  trotz  dieser  Gefahren  nach  Tjilatjap  zog,  war  einerseits  
 der  hohe  Ruf  seiner  schönen  landschaftlichen  Umgebung,  andererseits  
 der Wunsch,  wenigstens  an  einem  Punkte  der  Südküste  
 von Java das Plankton in  diesem Teile des indischen  Ozeans  kennenzulernen. 
   Ich  hatte  zu  diesem  Zwecke  meine pelagischen Netze  und  
 Gläser mitgenommen.  Als  ich  morgens  7  Uhr  in  Tjilatjap  ankam,  
 erwartete  mich  bereits  am  Bahnhofe  der  höchste  Beamte  des  Bezirks, 
   der  Assistent-Resident  Hooso,  und  bot  mir  mit  der  größten  
 Liebenswürdigkeit  seine  Dienste  für  den  ganzen  Tag  an.  Zunächst