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 (von  Vosmaer  u.  a.)  ist  1899  auch  eine  deutsche  von  Spohr  erschienen. 
 Während  meines  fünfmonatlichen Aufenthaltes  in  Insulinde  war  
 häufig von Multatuli die Rede,  und  die bedeutenden neueren Reformen  
 des  niederländischen  Kolonialsystems,  zu  denen  er  vielfach  
 die  Anregung  gab,  wurden  sehr  anerkannt.  Auf  diese  politischen  
 und nationalökonomischen  Verhältnisse hier  näher  einzugehen,  will  
 ich  schon  deswegen  unterlassen,  weit  mein  werter  jüngerer Kollege  
 Professor  Günther  Anton  aus  Jena,  der  gleichzeitig mit mir  auf  
 Java  und  Sumatra  reiste,  sie  in  einem  besonderen  Werke  sehr  eingehend  
 und  sachkundig  geschildert  hat. 
 Daß  das  gegenwärtige  h o llän d isch e   Regierung ssy stem  in  
 Insulinde,  im  ganzen  betrachtet,  vortrefflich  ist,  und  daß  es  in  
 vieler  Beziehung  allen  anderen  Kolonial-Regierungen,  insbesondere  
 auch  der  englischen  und  deutschen,  als  Muster  empfohlen  werden  
 kann,  darüber  sind  Wallace  und  die  meisten  neueren  Reisenden  
 einig.  Das  beste  Zeugnis  dafür  ist  der  blühende  Zustand  von  Java  
 selbst,  von  ihrer  reichsten  und  wichtigsten  Kolonie.  Die  Bevölkerung  
 der  Insel  hat  sich während  des  neunzehnten  Jahrhunderts  auf  
 das  Achtfache  vermehrt,  von  3  Millionen  auf  mehr  als  2 4  Millionen. 
   Die  malaiische  Bevölkerung  erfreut  sich  inmitten  ihrer  
 paradiesischen Natur  eines  allgemeinen Wohlstandes  und  des  höchsten  
 Glückes,  der  Z u fr ied en h e it.  Nur  auf  zwei  Punkte  möchte  
 ich  dabei  noch  besonders  aufmerksam machen,  weil  wir. sie  in  unseren  
 neuen  deutschen  Kolonien  -Éf  zu  unserem  großen Nachteil —  
 nicht  berücksichtigen;  erstens,  daß  man  die  Eingeborenen,  größtenteils  
 Malaien,  in  ihren  nationalen  Gewohnheiten  und Sitten möglichst  
 ungestört  läßt,  und  zweitens,  daß  man  sie  mit  den  gewalL  
 samen  Bekehrungs-Versuchen  der  Mission  verschont. 
 Was  zunächst  die  Verhältnisse  der  inneren  R e g ie ru n g   und  
 Verwaltung  von  Insulinde  betrifft,  so  haben  es  die  Holländer  vortrefflich  
 verstanden,  die  Eingeborenen  selbst  dazu  möglichst  weitgehend  
 zu verwenden  und  doch dabei  ihrer Oberleitung stets  die  unbedingte  
 Autorität zu  sichern.  Befreit von  der drückenden Tyrannei  
 und  Willkür  ihrer  früheren  malaiischen  Fürsten,  fühlen  sich  die  
 Eingeborenen  unter  dem  klugen  und  wohlwollenden  Regiment  der  
 Holländer  sehr  zufrieden.  Ihre  Sprache  und  die  altererbten  Volkssitten  
 werden  geschont,  und  für  den  Unterricht  wird  nur  so  viel  
 getan,  als  für  die  niedrige  geistige  Kapazität  der malaiischen  Rasse  
 wünschenswert  und  zweckmäßig  erscheint.  Dagegen  vermeidet  
 man  es,  denselben  diejenigen  Verhältnisse  der  europäischen  Zivilisation  
 aufzwingen  zu  wollen,  die  zwar  uns  selbst  sehr  wichtig  und  
 wünschenswert erscheinen,  aber jenen weder willkommen noch nützlich  
 sind.  In  dieser  Beziehung  können  unsere  deutschen  Kolonialbeamten  
 noch  sehr  viel  von  den  praktischen  Holländern  lernen. 
 Dasselbe  gilt  von  den  Verhältnissen  des  religiösen  Lebens;  jede  
 zwangsweise  Bekehrung  zu  einer  Konfession  wird  vermieden  und  
 die Tätigkeit  der Missionen möglichst  eingeschränkt.  Die  segensreiche  
 Folge  davon ist  der r e lig iö s e   F r ie d e ,  der  jeden  freier  denkenden  
 Europäer  höchst  angenehm  berührt  und  von  den  widerwärtigen  
 Konfessionskämpfen  in  Europa  sehr  vorteilhaft  absticht.  
 Auffallen  wird  dem  Reisenden  im  größten  Teil  von  Insulinde  das  
 Zurücktreten  des  religiösen  Kultus  überhaupt;  von  Priestern  und  
 Kongregationen  sieht  man  nur  wenig  und  ebenso  von  kirchlichen  
 Festen  und  Feiern.  Und  doch  reist  man  durch  den  größten  Teil  
 des niederländischen  Archipels —   insbesondere  durch  ganz  Java —  
 sicherer und ruhiger als durch viele Teile von Europa.  Zumeist  liegt  
 es  wohl  an  dem  sanften  und  unterwürfigen  Charakter  der  Malaien  
 und den  untergeordneten Verhältnissen  der Verwaltung,  gewiß aber  
 auch  an  der  Toleranz  der  verschiedenen  nebeneinander  bestehenden  
 Konfessionen. 
 In  ihrer  großen  Mehrzahl  sind  die  Malayen  Bekenner  des  I s lam; 
   aber  der  mohammedanische  Kultus  und  Glauben,  der  uns  
 hier entgegen tritt,  ist himmelweit  verschieden von  demjenigen, welchen  
 wir  im  Orient,  in  der  Türkei  und  Ägypten,  in  Algier  und  
 Marokko  an treffen.  Von  dem  bekannten  Fanatismus  dieser  mediterranen  
 Islambekenner  ist  in  den meisten  Gegenden  von  Insulinde  
 kaum  etwas  zu  spüren;  ausgenommen  sind  nur  diejenigen  Bezirke,  
 aus welchen  öfter  zahlreiche  Pilger nach Mekka  geschickt  und  dort  
 von  dem  religiösen  Wahnsinn  der  Araber  angesteckt  werden  so  
 die  Bewohner  von  Bantam  in Westjava  und  von  Lampongs  in  Ostsumatra. 
 Eine  Hauptursache  der  großen  Verschiedenheit  zwischen  dem  
 arabischen  Islam  in  den  mediterranen  Ländern  und  dem  malaiischen  
 Islam  von  Insulinde  scheint mir  durch  die  ganz  verschiedene  
 Stellung  der  F rau   in  beiden  Gebieten  gegeben  zu  sein.  Im  mediterranen  
 Orient  wird  die  Frau  vom  öffentlichen  Leben  streng  abgeschlossen  
 und  im  Harem  eingesperrt;  wenn  sie  auf  die  Straße  
 geht,  darf  sie  nur  tief  verschleiert  und  womöglich  in  Begleitung  
 erscheinen.  Davon  ist  in  Insulinde  gar  keine  Rede;  der  Verkehr  
 beider Geschlechter  ist hier  ganz  zwanglos.  Die malaiischen Frauen  
 in  Java  und  Sumatra  gehen  größtenteils  ganz  ohne  Schleier  und  
 sind nicht  entfernt von  so  eifersüchtiger  Überwachung gequält, wie 
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