
 
		S tah l,  Professor  der  Botanik  in  Jena,  der  vor  zehn  Jahren  diese  
 und  andere  bionomische  Einrichtungen  im  Urwalde  von  Tjibodas  
 zuerst  eingehend  studierte,  hat  jene  verlängerten  Blattspitzen,  von  
 denen  das  Regenwasser  rasch  abträufelt,  die  „Träufelspitzen“  genannt  
 und  auf  ihre  große  physiologische  Bedeutung  für  den  Stoffwechsel  
 der  Pflanze  hingewiesen.  Durch  die  rasche  Abtrocknung  
 der  Blätter  wird  deren  baldige  Transpiration  ermöglicht,  die  Abgabe  
 von  Wasserdampf  und  die  Aufnahme  von  Bodenwasser,  welches  
 die  Nährsalze  des  Bodens  den  Blättern  zuführt.  Besonders  
 stark  ist  die  Ausbildung  der  Träufelspitze  an  den  großen  Blättern  
 vieler Aroideen,  Orchideen,  Scitamineen  und  anderer  Monokotylen,  
 aber  auch  bei  vielen  Dikotylen,  z. B.  den  Begonien,  vielen  Arten,  
 von  Cissus  und  Ficus  (namentlich  dem  indischen  Buddhabaum,  
 Ficus  religiosa  u. a.). 
 Unter  den  weiteren  Ausflügen,  die  ich  von  Tjibodas  aus  in  den  
 •Urwald  unternahm,  steht mir  in  angenehmster  Erinnerung  der  Besuch  
 von  T jib u r rum   (= Rothenbach).  Am  4« Januar  1901  brach  
 ich  mit  Dr.  Palla  frühmorgens  in  Begleitung  von  mehreren  Kulis  
 auf.;  wir  gelangten  nach  zwei  Stunden,  in  denen  viel  botanisiert  
 wurde,  nach  dem  westlich  höher  gelegenen  Tjiburrum.  Das  ist  ein  
 einfacher  Talkessel  am  Fuße  des  Pangerango-Vullcans,  westlich  
 und  nördlich  von  i 3o  Meter  hohen  Felswänden  eingeschlossen,  die  
 beinahe  senkrecht  sich  erheben.  Über  diese  stürzen  drei  prächtige  
 Wasserfälle  herab,  die  sich  unten  größtenteils  in  Staub  auflösen.  
 Die  größte  von  diesen  drei  Kaskaden  (südlich)  erinnert  an  den  
 „Staubbach“  im  Lauterbrunner  Tal.  Der  schönste  Wasserfall  ist  
 der mittlere,  eingerahmt  von  dichten  Vegetationsmassen;  sein Wasser  
 sammelt  sich  unten  in  einem  Becken,  das  von  großen  Felsblöcken  
 umgeben  ist.  Der  kleinste  Fall  (nördlich) - ist  fast  völlig  
 durch  Bäume  und  Buschwerk  verdeckt.  Der  ganze  Talgrund,  in  
 welchem  sich  die  Abflüsse  der  drei  Kaskaden  sammeln,  und  aus  
 welchem der. „Rothenbach“ , wild über rotbraune  Felsblöcke tosend,  
 abfließt,  ist  mit  herrlichen  Farnbäumen  und  wilden  Bananen  bewachsen. 
   Mächtige,  braune  und  schwarzgrüne  Moospolster  bedecken  
 die  Felsen  und  die modernden  Stämme.  Der  graziöse Vogelnestfarn  
 dekoriert mit  seinen  glänzenden,  oben  beschriebenen  Kronen  
 alle  Baumstämme;  viele  Exemplare  wachsen  auch  unten  am  
 Bache.  Eine  Masse  anderer  Farne  und  Moose  füllen  die  Lücken  
 aus  und  gedeihen  unter  dem  beständigen  Sprühregen  der Wasserfälle  
 in  reichster  Üppigkeit.  An  der  erhabensten  und  (relativ)  
 trockensten  Stelle  des  nassen  Talbodens  sind  ein  Tisch  und  eine  
 Bank  errichtet,  welche mir  gestatteten,  ein  paar  Stunden  trocken  zu 
 D er  m ittle r e   W a s s e rfa ll  von  T jib u rr u m 
 sitzen und zwei Aquarellskizzen von den Wasserfällen aufzunehmen,  
 während  mein  Gefährte  in  der  Umgebung  botanisierte.  Der  Reiz  
 dieser  märchenhaft  schönen  und  großartigen  Urwaldszenerie  wird