
 
		dadurch  erhöht,  daß  über  den  Wasserfällen  und  zu  beiden  Seiten  
 derselben  die  dunkelgrünen  Waldhänge  des  Pangerango  hoch  emporsteigen, 
  während  die  tiefe  Einsamkeit  des  Ortes  durch  das  ewige  
 Plätschern  der  Bäche  und  das  Rauschen  der  Wasserfälle  in  poetischer  
 Weise  belebt  ist.  Dann  und  wann  hörte  ich  auch  den  Schrei  
 eines  einsamen  Vogels  und  den  klagenden  Ruf  des  Oa,  des  grauen  
 javanischen  Menschenaffen  (Hylobätes  leuciscus). 
 Gegen  Mittag  trennte  ich  mich  schweren  Herzens  von  demTji-  
 burrum.  Allein  die  dunklen  Gewitterwolken,  die  der  Vulkankegel  
 des  Pangerango  schon  lange  um  sich  gesammelt  hatten,  sanken  
 immer  tiefer  und  drängten  zu  schleunigem  Aufbruch.  Auf  dem  
 Rückwege  sammelte  ich noch  Prachtexemplare  der  roten  Kannen-  
 p flan z e ,  die  hier  am  Ufer  des  Rothenbaches  üppig  wuchert  (Nepenthes  
 melamphora).  Jedes  einzelne  Blatt  derselben  läuft  in  eine  
 Spitze  aus,  an  der  ein  sehr  zierliches,  kleines  Bierseidel  hängt,  eine  
 zylindrische  Kanne  von  12  Zentimeter  Länge  und  3  Zentimeter  
 Durchmesser.  Die nach  oben  gerichtete Öffnung  der Kanne  ist von  
 einem Deckel  geschlossen,  der  erst bei voller Entwicklung des  Blattes  
 aufspringt.  Ameisen  und  andere  Insekten,  welche  unvorsichtig  
 in  die  Kanne  eindringen  und  ihren  innen  ausgeschiedenen  Saft  genießen  
 wollen,  können  zwar  leicht  an  der  glatten,  wie  mit  Wachs  
 gehöhnten  Innenfläche  hinein,  aber  nicht  wieder  heraus  gelangen;  
 sie  fallen  in  den  Grund  der  Kanne  und  werden  hier  von  der  ausgeschiedenen  
 schleimigen  Flüssigkeit  verdaut.  Nepenthes  gehört  
 zu  jener  merkwürdigen  Gruppe  von  •,,,insektenfre ssend en  
 P flan zen   ,  über  deren  wunderbare  Anpassungen  uns  erst  der  
 große C harles Darwin belehrt  hat;  sie  sind  in  unserem deutschen  
 Vaterlande  nur  durch  kleinere  und  zartere  Pflanzen  verschiedener  
 Familien  vertreten,  den  Sonnentau  (Drosera),  das  Fettkraut  (Pin-  
 guicola)  und  den  Wasserschlauch  (Utricularia).  Unter  den  zahlreichen  
 kleineren  und  größeren  Arten  von  Nepenthes,  welche  die  
 indische Flora  charakterisieren,  gibt  es  einzelne,  deren Kannen über  
 fußlang werden.  Die rote Kannenpflanze des Tjiburrum (Nepenthes  
 melamphora)  zeichnet  sich  durch  ihre  prächtige  Färbung  aus:  
 dunkel  purpurrote  und  braune  Flecken  auf  einem  hellen  Grunde,  
 dessen  gelber  Grundton  durch  die  zartesten  Abstufungen  in  Hellgrün  
 und  Hellrot  übergeht.  Die  abgestorbenen  Kannen  werden  
 purpurbraun  und  dann  schwarz. 
 Während  ich  die  Nepenthes  und  einige  schöne  Farnkräuter  am  
 Ufer  des  Rothenbaches  sammelte,  hörte  ich  hoch  oben  über  mir  
 abermals  den  wohlbekannten  Schrei  des  Oa.  Als  ich  hinauf blickte,  
 sah  ich  hoch  oben  im  Wipfel  eines  Rasamalah-Baumes  zwei  erwachsene  
 Exemplare  dieses  Gibbon,  die  sich mit  größter Gewandtheit  
 von  Ast  zu  Ast  schwangen  und  rasch  im  Dickicht  des  Urwaldes  
 verschwanden.  Da  diese  Tiere  äußerst  scheu  und  vorsichtig  
 sind, bekommt man  sie  selten zu Gesicht, während man ihren Schrei  
 häufig hört.  In Buitenzorg  hielt ich  einen  jungen Oa  seit  zwei Monaten  
 lebend  und werde  später  darüber  berichten. 
 Größere  S äu g etie re  sieht  man  überhaupt  in  den  Urwäldern  
 von  Java  —   soweit  sie  zugänglich  sind  —   nur  selten.  Königstiger  
 und  Rhinozeros,  die  beide  früher  auch  hier  am  Gedeh  und  Salak  
 häufig  waren,  sind  längst  verschwunden  und  haben  sich  in  unzugängliche  
 Distrikte  zurückgezogen.  Der  Bergsattel  oberhalb  Tjiburrum, 
   zwischen  Gedeh  und  Pangerango,  von  dem  aus  man  die  
 Besteigung  dieser  beiden  Vulkanspitzen  unternimmt,  heißt  noch  
 heute  „Kadang  badak“ ,  das  Rhinozeroslager.  Ich  hätte  die  Besteigung  
 gern, ausgeführt;  sie  erschien  aber  jetzt,  auf  der  Höhe  der  
 Regenzeit,  zwecklos,  da  man  oben  auf  jenem  Sattel  übernachten  
 muß;  jeden  Nachmittag  stellte  sich  strömender  Gewitterregen  ein,  
 und  nicht  einmal  die  Spitzen  beider  Vulkane  waren  jeden  Tag  auf  
 kurze  Zeit  wolkenfrei. 
 Von  anderen  Säugetieren  des  javanischen Urwaldes  habe  ich  nur  
 noch  zwei  Arten  von  Affen  zu  Gesicht  bekommen,  den  gemeinen,  
 überall  häufigen,  gelbgrauen  Macaco  (Macacus  cynomolgus)  und  
 den  schwarzen  Lutung  (Semnopithecus  maurus);  ferner  ein  paar  
 Arten von Eichhörnchen und von Fledermäusen.  Die Wildschweine,  
 die  in  diesen Wäldern häufig  sind,  habe  ich zwar öfter  gehört,  aber  
 nie  gesehen,  ebensowenig  Hirsche  und  Moschushirsche  (Tragulus  
 javanicus).  Die  großen  Flederfüchse,  Kalongs  oder  fliegenden  
 Hunde  (Pteropus),  die  zu  anderen  Jahreszeiten  in  Scharen  erscheinen, 
   fehlten  jetzt.  Von  Nagetieren  wurde  mir  ein  paarmal  das  
 javanische  Stachelschwein  gebracht,  weniger  schön  und  stattlich  
 als  unsere  südeuropäische Art.  Den  Panther  habe  ich  nicht gesehen  
 und  ebensowenig  den  Zwergpanther  (Felis  minuta),  der  nicht  größer  
 als  eine Wildkatze  ist  und  oben  in  den Bäumen,  sehr  geschickt  
 kletternd,  Eichhörnchen  und  Vögel  jagt.  Dagegen  erblickte  ich  in  
 den  Baumgipfeln  mehrmals  den  kletternden  Palmenmarder  (Para-  
 doxurus  musanga). 
 Von Vögeln  habe  ich  in  diesen Urwäldern  öfter prächtige bunte  
 Waldtauben bemerkt,  deren Gurren  man am  Vormittag  täglich vernimmt, 
   einmal  auch  ein  paar  schöne,  grüne  Papageien.  Bisweilen  
 tönt  aus  der  Ferne  der  Glocken ton  des  javanischen  Kuckucks.  Am  
 Tjiburrum  erspähte  ich  hoch  oben  ein  Adlerpaar  kreisen.  Frühmorgens  
 hört  man  schon  gleich  nach  Sonnenaufgang  die  Stimmen