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 3o Auf  der  Insel  Singapur 
 ten  Kletterpalmen  mit  ihren  stacheligen  Ästen  (Calamus  rolang)  
 versetzt  uns  in  den  echten  Urwald.  Auch  fehlt  es  nicht  an  den  
 charakteristischen  Bewohnern  des  letzteren  aus  der Säuge tierklasse,  
 an  Affen  und  Eichhörnchen,  Palmenmardern  und  Zibetkatzen. 
 In  der  Nähe  des  Gartenbureaus  befindet  sich  auch  der  Anfang  
 eines  kleinen  zo o lo g is ch en   G a rten s ,  von  dem  zu  wünschen  
 und  zu  hoffen  ist,  daß  er  bald  größeren  Umfang  annimmt.  Außer  
 den  charakteristischen Raubtieren Hinterindiens:  Tigern,  Panthern,  
 dem  kleinen  schwarzen  Malaienbären,  Bärenmardern  (Binturong)-,  
 Zibetkatzen  u. a.  fesseln  namentlich  Affen  die Aufmerksamkeit  der  
 Besucher.  Ein  schönes  Männchen  des  schwarzen  Pavians  von  Celebes  
 (Cynopithecus  niger)  zeichnet  sich  durch  Wildheit  aus.  In  
 einem  großen  Käfig  wohnen  seit  vielen  Jahren  zwei  sehr  verschiedene  
 Arten  von  Affen  zusammen,  der  gemeine  Makako  (Macacus  
 cynomolgus)  und der  große Schweinsaffe (Inuus nemestrinus). Obgleich  
 beide Gattungen  in Größe  und Gestalt  durchaus  voneinander  
 abweichen,  haben  sie  sich  doch  fruchtbar vermischt,  und  die  eigentümlichen, 
   daraus hervorgegangenen Bastarde  sind  ebenfalls fruchtbar. 
   Von Menschenaffen waren  ein  langarmiger Gibbon (Hylobates  
 agilis)  und  ein  junger Orang-Utan  vorhanden  (Satyrus  orang). Der  
 erstere  ergötzte  uns  durch  die  außerordentliche  Gewandtheit,  mit  
 welcher  er  seine  weiten  Sprünge  von  Ast  zu  Ast,  beinahe  fliegend,  
 ausführte.  Der  junge  Orang  dagegen  war  ein  sehr  phlegmatischer  
 Herr;  Hand in Hand mit uns ging  er  gemütlich  im Garten  aufrecht  
 spazieren,  kletterte  dann  gemächlich  auf  einen  niederen  Baum,  um  
 einige  Früchte  zu  pflücken  und  sich  oben  umzusehen,  und  stieg  
 ebenso  bedächtig  wieder  herunter,  um  in  seinen  Käfig  zurückzukehren. 
 Mr.  R id le y ,  der  Direktor  des  Gartens  von  Singapur,  war  längere  
 Zeit  sowohl  im malaiischen  Archipel  als  auch  auf  der  hinterindischen  
 Halbinsel  gereist;  er  wußte  viel  Merkwürdiges  von  den  
 wilden  Ureinwohnern  derselben  zu  erzählen,  den  Sakays.  Diese  
 wollhaarigen  Schwarzen  scheinen  ein  Überrest  jener  Ulotrichen-  
 menschenart  zu sein,  aus welcher  auch  die Negritos  der Philippinen  
 und  die Papuas  hervorgegangen  sind.  Sie  führen  in  den Urwäldern  
 von Malakka  ein  ganz  primitives  Dasein,  nähren  sich  von  Früchten  
 und  von  wilden  Tieren,  die  sie mittelst  eines  Blasrohres  durch  vergiftete  
 Pfeile  erlegen.  Sie  haben  keine  ständigen  Wohnsitze,  sondern  
 bereiten  sich  ihr  Nest  oben  auf  den  Baumgipfeln  aus  zusammengeflochtenen  
 Zweigen,  ähnlich  dem  Orang-Utan;  da  die  
 Sakays  sehr  scheu  sind  und  jede Berührung mit anderen Menschenrassen  
 meiden  (ähnlich  den  Weddas  von  Ceylon  und  anderen  Ur- 
 Völkern),  ist  es  schwer,  über  ihr  Familien-  und  Seelenleben  etwas  
 Näheres  zu  erfahren;  es  scheint  auf  sehr  tiefer  Stufe  stehengeblieben  
 zu  sein. 
 Unter  den  vielen  Besuchern  des  botanischen  Gartens  und  des  
 zoologischen  Museums in  Singapur begegneten mir gerade  in  diesen  
 Tagen  zahlreiche  deutsche  Soldaten  von  den  großen  Transportschiffen, 
  welche  zu  dieser  Zeit über  20000 Mann nach China  führten. 
   Die  Leute  waren  in  den  leichten  grauen  Khakianzug  gekleidet  
 (ähnlich  einer  Turnerbekleidung)  und  betrachteten  sich  die  neue,  
 sie umgebende Wunderwelt  Indiens mit lebhaftem  Interesse.  Durch  
 geographische  Instruktionsstunden während  der  Seereise  gut vorbereitet, 
   wußten  viele  von  ihnen  trefflich  Bescheid.  Ich  freute mich  
 über  ihre  klugen  Fragen  und  ihre  originellen  Urteile.  Mag  man  
 über  die  gefährliche  China-Expedition  —   und  über  unsere  Kolonialunternehmungen  
 im allgemeinen —   urteilen wie man will,  eines  
 bleibt  sicher  als  wertvolles  Ergebnis  übrig:  daß  weitesten  Kreisen  
 des  deutschen  Volkes  die  Augen  über  die  großen  fremden  Verhältnisse  
 des  Auslandes  geöffnet  und  viele  Vorurteile  beseitigt  werden.  
 Jeder  dieser  Soldaten,  der  längere  Zeit  in  Afrika  oder  China  war,  
 der  die  gewaltigen  Verschiedenheiten  im  Körperbau,  den  Lebensgewohnheiten, 
   den  Sitten  und Religionsformen  fremder Rassen  beobachten  
 lernte,  erweitert  seinen  Gesichtskreis  kolossal  und  bringt  
 ein  nicht hoch  genug  zu  schätzendes Kapital von  neuen Anregungen  
 und Vorstellungen mit heim. 
 Das  deutsche  Transportschiff  „P a la t ia “ ,  welchem  ich  am  3. Oktober  einen  Besuch  abstattete,  faßte  nicht  weniger  als  2200  
 Mann.  Die  Leute  waren  in  dem  gewaltigen  Raume  des  großen  
 Dampfers  auf  drei  Etagen  verteilt;  in  jeder  Etage  lagen  zwei  
 Schichten  übereinander.  Der  erste  Offizier,  der mich  an  Bord  begrüßte, 
   war Herr  Hauptmann  von  Auer,  früher  in  Jena  ein  eifriges  
 Mitglied  unserer  geographischen  Gesellschaft  für  Thüringen.  Er  
 erzählte  mir,  daß  die  Mannschaften  die  lange  Seereise  (trotz  der  
 dichten  Verpackung)  im  ganzen  sehr  gut  überstanden  hätten.  Nur  
 im  Roten  Meere  waren  mehrere  Heizer  und  Stewards  der  entsetzlichen  
 Hitze  zum  Opfer  gefallen.  Auf  den  Dampfern  aller  anderen  
 Nationen,  welche  in  den  Tropen  fahren,  werden  diese  beiden  Arbeiterklassen  
 durch  farbige  Menschenrassen  vertreten,  die  sich  zu  
 diesen  schweren  Diensten  viel  besser  eignen.  Die  Prinzipienreiter  
 des  Deutschen  Reichstages  —   voran  die  idealen  Sozialdemokraten  
 —   sind  aber  der  Ansicht,  daß  dadurch  deutschen  Arbeitskräften  
 eine  große  Anzahl  Stellen  entzogen  wird,  und  haben  es  durchgesetzt, 
   daß  Farbige  vom  Dienst  auf  deutschen  Reichspostdampfern