
 
		im  Garten  selbst  und  seiner  nächsten  Umgebung,  teils  in  der  weiteren  
 Umgegend  von  Buitenzorg  aufnahm,  werden  zu  den mir  liebsten  
 Erinnerungen  dieser  Javareise  gehören. 
 Um  9  Uhr  vormittags  beginnt  die  hoch  aufsteigende  Tropensonne  
 ihren  mächtigen  Einfluß  gefahrdrohend  zu  entfalten,  in  zunehmendem  
 Maße  bis  zur  Mittagszeit.  Es  gilt  als  allgemeine  Regel, 
   während  dieser  heißesten  Zeit  das  Arbeiten  im  Freien  zu  vermeiden  
 und im kühlen Zimmer oder Laboratorium zu bleiben;  diese  
 Stunden  sind  (nächst  den  kühlen  Morgenstunden)  auch  für  wissenschaftliche  
 Untersuchungen  die  beste  Arbeitszeit  des  Tages.  Ich  
 versuchte wiederholt,  jener  zweckmäßigen  Regel  zu  trotzen  und  bis  
 zur  heißesten Mittagszeit  im  Garten  zu  sammeln,  zu malen  und  zu  
 photographieren.  Diesen  Leichtsinn  mußte  ich  mit  einer  starken  
 Erkältung  und  rheumatischem  Fieber  büßen,  welches  mich  fast  
 den  ganzen  November  an  das  Zimmer  fesselte.  Von  x x  bis  i  Uhr  
 ist  gewöhnlich  die  Hitze  am  drückendsten;  doch  entwickeln  sich  
 meistens  schon während  dieser  Zeit  die  schweren Regenwolken,  die  
 von  den  urwaldbedeckten  Vulkanen  im  Süden  heraufziehen.  Zwischen  
 i  und  2  Uhr  ist  dann  gewöhnlich  schon  der  ganze  Himmel  
 mit  einer  düsteren  Wolkendecke  überzogen,  und  heftiger  Donner  
 beginnt  deren  Entladung  anzuzeigen.  Meistens  zwischen  a  und  4  Uhr,  seltener  früher  oder  später,  gehen  dann  jene  kolossalen  
 Regenmassen  nieder,  welche  auf  das  derbe,  feste  Laubwerk  der  
 immergrünen  Bäume  wie Hagelschauer  niederprasseln  und  in  kürzester  
 Frist  alle Wege  in  strömende  Gießbäche  verwandeln.  Wenn  
 nicht  im  ganzen  Garten  alle Wege  vortrefflich  chaussiert  oder  fest  
 gepflastert  wären,  und  wenn  nicht  zugleich  durch  ein  sinnreiches  
 System  von  Abzugskanälen  für  baldige  Entfernung  des  Wasserüberflusses  
 und  zweckmäßige  Bewässerung  aller  Teile  gesorgt  
 wäre,  so würde  es  unmöglich  sein,  den  großen,  prachtvollen Garten  
 stets  in  dem  ausgezeichneten  Zustande  zu  erhalten,  den  wir  zu  bewundern  
 gezwungen  sind. 
 In  den  letzten  Tagesstunden,  zwischen  4  und  6  Uhr,  hat meistens  
 der Regen  aufgehört  oder  dauert  nur  im  geringen Maße  fort.  
 Dann  prangt  oft  der  ganze  Garten  in  üppigster  Frische,  während  
 Nebelschleier  durch  die  Kronen  der  hohen  Bäume  ziehen;  oder  
 wenn  die  Abendsonne  noch  durch  die Wolkendecke  bricht,  bereitet  
 sie  uns  ein  entzückendes  Schauspiel,  indem  sie  Berge  und Wolken  
 mit  den  glühendsten  Farben  bemalt  und  die  triefenden  Blätter  in  
 den  leuchtendsten  Reflexen  erglänzen  läßt.  Wenn  nun  nach  Sonnenuntergang  
 rasch  die  Dämmerung  hereingebrochen  ist,  beginnt  
 das  tropische  Insektenleben  in  eigentümlicher  Form  seine  energisehe  
 Fülle  zu  äußern:  das  tausendstimmige  Zirpen  und  Singen  von  
 Zikaden  und  Grillen  erfüllt  die  Luft,  manchmal  so  dröhnend,  daß  
 man  in  nächster  Nähe  das Wort  des  Tischnachbars  nicht  verstehen  
 kann.  Noch  unangenehmer  sind  die  fliegenden  Insekten,  die,  durch  
 das-Licht  der  Lampe  angezogen,  zu  Tausenden  in  unsere  Veranda  
 und  selbst  in  das  geschlossene  Zimmer  dringen:  geflügelte Ameisen  
 und  Termiten,  Moskitos  und  Motten,  Zikaden  und  Heuschrecken.  
 Die  Zudringlichkeit  dieser  ungebetenen  Gäste,  deren  Schwärme  oft  
 dichte Wolken  bilden,  ist  so  groß,  daß  man  oft  das  Zimmer  völlig  
 schließen muß,  trotz  der  dumpfen  Treibhausatmosphäre,  und  endlich  
 froh  ist,  bald  unter  das  geschlossene  Moskitonetz  der  riesigen  
 Bettstatt  kriechen  zu  können. 
 Das  tägliche  Leben  der  Europäer  in  Buitenzorg  —   und  insbesondere  
 die  Tageseinteilung  der  fleißigen  Laboranten  im  botanischen  
 Institute  —   ist  diesen  regulären  Witterungsverhältnissen  
 durchaus  angepaßt.  Da  die  Vormittagsstunden,  von  Tagesbeginn  
 an,  als  die  wertvollste  Arbeitszeit  des  ganzen  Tages  geschätzt  werden, 
   stehen  wir  schon  um  5  oder  5 Vs  Uhr  auf,  nehmen  ein  erfrischendes  
 Morgenbad  und  zur  Stärkung  eine  Tasse  Tee  oder  
 Kaffee.  Um  8  Uhr  wird  das  eigentliche  Frühstück  eingenommen,  
 Kaffee,  Tee  oder  Kakao  mit  ein  paar  Eiern,  nach  Bedürfnis  auch  
 mit  ein  oder  zwei  Fleischschüsseln  und  einem  Nachtisch  herrlicher  
 Früchte.  Von  872  oder  9  bis  1  Uhr  wird  fleißig  gearbeitet;  ich  
 untersuchte  während  dieser  Zeit  im  Laboratorium  das  Plankton  
 der  Gartenteiche  und  der  Reisfelder,  zeichnete  neue  ,,Kunstformen  
 der  Natur“  und  sammelte  zugleich  eine  Menge  von  interessanten  
 Tieren, welche mir täglich  die malaiischen Gartenarbeiter und deren  
 Kinder brachten;  vorzugsweise Insekten und Arachniden  (Skorpione  
 und  Spinnen),  Reptilien  (Eidechsen,  Schlangen)  und  Eier  derselben  
 auf  allen  Entwicklungsstufen;  ich  konnte  in  wenigen  Monaten  
 eine reiche embryologische Sammlung zustande bringen, und ebenso  
 eine  Kollektion  von  jenen  seltsamen  Insekten  der  Tropenzone,  welche  
 durch  „Mimicry“   oder  mimetische  Anpassung  die  speziellen  
 Formen,  Farben  und  Zeichnungen  von  Pflanzen teilen  (Blätter,  Blüten, 
   Früchte,  Zweige)  in  vollkommenster  Weise  nachahmen.  Die  
 weitaus  merkwürdigsten  von  diesen  gehören  der  Ordnung  der  
 Orthopteren  oder  Schrecken  an:  grüne  Blattschrecken  oder  „wandelnde  
 Blätter“  (Phyllium),  Blumenschrecken  oder  „wandelnde  
 Blumen“  (violetten  Orchideenblüten  gleich),  graue  Astschrecken,  
 welche  völlig  dem  dürren,  mit  Flechten  bedeckten  Aste  gleichen,  
 auf  dem  sie  sitzen,  usw.  Zoologen,  welche  sich  in  dem  neuen  Laboratorium  
 des  Bogorgartens  dem  Studium  dieser  und  unzähliger