
 
		wir  in  diesen  buddhistischen  Kunstwerken  keine  Arbeit  der  eingeborenen  
 Malaien  vor uns haben,  sondern  der arischen Bewohner von  
 Vorderindien,  welche  schon  vor  dem  achten  Jahrhundert  n. Chr.  
 den  malaiischen  Archipel  überfluteten  und  nicht  nur  in  Java,  sondern  
 auch  in  Borneo,  Sumatra,  Lombock  und  vielen  kleineren  Inseln  
 Kolonien  gründeten  und  Stätten  für  den  Buddha-Kultus  errichteten. 
   Aber  auch  von  dieser  merkwürdigen  Hindu-Invasion  
 wissen  wir  nur  sehr  wenig;  keine  indischen  Geschichtsbücher  und  
 Chroniken  klären  uns  darüber  auf.  Nur  einzelne  Inschriften  belehren  
 uns  außer  den  stummen  Zeugen  der indischen Künste — ,  
 daß  zu  jener  Zeit  die  eingedrungenen  Hinduvölker  einen  hohen  
 Grad  von  Kultur  unter  der  wilden  Bevölkerung  der  malaiischen  
 Urbewohner  eingeführt  haben  müssen.  Es  scheint  aber,  daß  diese  
 Blüteperiode  nicht  lange  gedauert  hat,  und  daß  die  Hindu  bald  
 wieder  den  Besitz  der  Smaragdinseln  auf gaben  —■  vielleicht  aus  
 Furcht  vor  den  häufigen,  zum  Teil  verheerenden  Erdbeben,  oder  
 auch  überwunden  durch  den  dauernden Widerstand  der  unterjochten  
 Malaien.  Wenn  sie  durch  Vermischung  mit  den  letzteren  in  
 dieser  Rasse  auf gegangen  sind,  und  wenn  ein  großer  Teil  der  heutigen  
 Bevölkerung  von  Insulinde  wirklich  einen  Teil  Hindublut  in  
 seinen  Adern  führt,  so  war  jedenfalls  bei  dieser  Rassenmischung  
 das  niedere malaiische Element  stärker,  als  das  höhere  arische.-Auf  
 der  Insel  Lombock  und  in  einigen  Ortschaften  von  Java —   besonders  
 auch  in den  höheren  Familien  des  alten Mataramreiches—-  soll  
 noch  heute  der  indogermanische  Charakter  in  der  Physiognomie  
 deutlich  ausgeprägt  sein.  Von  dem  hohen  Kunstsinn  der  arischen  
 Vorfahren  ist  aber  in  dem  heutigen  Mischvolk  wenig  übriggeblieben; 
   die Malaien  der  Gegenwart  staunen  die  kunstreichen  Tempel-  
 ruinen  der Hindu  als  die  Erzeugnisse  unheimlicher  Geister  an  und  
 kötmen  nicht  glauben,  daß  Menschenhände  dergleichen  hervorgebracht  
 haben. 
 Nachdem Dr.  Groneman  seine  freundliche  Erklärung  der  langen  
 Bilderreihen  beschlossen  und  ich  nochmals  vom  höchsten  Gipfel  
 des Boro-Budur  den  großartigen  Blick auf  die herrliche Landschaft  
 ringsum  genossen  hatte,  stiegen  wir  gegen  ein  Uhr  zu  dem  nahen  
 Pasangrahan  hinab,  in  welchem  der  Wächter  des  Tempels  wohnt,  
 ein  alter  ausgedienter  österreichischer  Soldat,  namens  Oppenheimer; 
   derselbe  erinnerte  mich  durch  sein  Wesen  und  seinen  langen  
 Bart  auffallend  an  den  alten  „Samiel“ ,  welcher  älteren  Besuchern  
 unserer  schönen  Rudelsburg,  im  Saaltal  bei  Kosen,  wohl  erinnerlich  
 ist.  Er  stillte  unseren  mächtigen  Appetit  mit  einer  vortrefflichen  
 Reistafel.  Dann  bestiegen  wir  wieder  unseren  Vierspänner 
 und benutzten  ein  paar  Nachmittagsstunden  noch  zum  Besuche  von  
 zwei kleineren benachbarten Hindu-Tempeln.  Die Ruinen  des einen,  
 des  pyramidenförmigen  Mendut-Tempels,  haben  neuerdings  durch  
 ein  Erdbeben  stark  gelitten.  Sein  Inneres  ist mit  schönen  Skulptu 
 Statue  des  Buddha  im  Menduttempel 
 ren  an  den  Wänden  geschmückt  und  enthält  drei  Kolossalstatuen  
 von vortrefflicher Ausführung.  Die größte,  in  der Mitte, ist Buddha  
 selbst,  auf  einer  Lotosblume  sitzend;  im  Antlitz  den  milden  Ernst  
 und  die  stille  Resignation,  die  sich  in  den  meisten  Buddhabildern  
 wiederspiegelt.  Die  beiden  kleineren  Figuren,  zu  beiden  Seiten  des  
 Gottes,  scheinen  die  indischen  Fürsten  darzustellen,  welche  den