
 
		Inseln  Ischia,  Procida  und Nisita;  und  dann  den  ganzen  herrlichen  
 Kranz  von weißen  Dörfern  und  Städten,  Villen  und  Schlössern,  der  
 sich  am  langen  Gestade  des  Golfs  von  Pozzuoli,  vom  Kap  Miseno  
 über  Bajä  bis  zum  Posilipp  ausdehnt  und  weiterhin  jenseits  der  
 glänzenden  Hauptstadt  selbst am  Fuße  des  Vesuv  bis  Castellamare,  
 bis  Sorrent  und  Kap  Minerva  hinzieht.  Ein  Aufenthalt  unseres  
 Dampfers  von  acht  Stunden  gewährte  uns  Zeit,  an  Land  zu  gehen  
 und  eine  genußreiche  Spazierfahrt  nach  dem  Kloster  San  Martino  
 zu  machen,  dem  schönsten  Aussichtspunkte  der  lärmenden  Stadt,  
 und weiterhin  auf  dem Rücken  des Posilipp bis  zu dessen westlicher  
 Spitze;  dann  zurück  an  seinem  südlichen  Abhang  auf  der  herrlichen  
 Fahrstraße,  die  eine  ununterbrochene  Reihe  der  schönsten  
 südlichen  Landschaftsbilder  uns  vor  Augen  führt,  bis  hinab  zur  
 Villa  Nazionale  und  der  weltberühmten  Santa  Lucia.  Unverändert  
 stand  hier  noch  das  hohe,  vierstöckige  alte  Haus,  in  welchem  ich  
 im  Sommer  185g  mehrere  Monate  gewohnt  hatte;  aber  der  poetische  
 Reiz  der  Brunnentreppe  der  Santa  Lucia,  in  deren  Halbrund  
 neapolitanische  Fischer  Austern  und  andere  „Meeresfrüchte“  
 (frutti  di mare)  feilboten  und  abends  getanzt  und  gesungen wurde,  
 ist  durch  die  neuen  Kaibauten  und  Straßenveränderungen  geschwunden. 
 Die  Abfahrt  von  Neapel,  dem  letzten  Stück  europäischer  Erde,  
 das  ich  auf  dieser Reise  betrat, war  an  dem  wolkenlosen Abend  des  5. September  wundervoll;  die  anmutigen  Melodien  der  bekannten  
 Neapolitaner  Kanzonetten,  die  vom  Strande  herüber  tönten,  machten  
 mir  das  Herz  aber  schwer  im  Gedanken  an  die  Lieben  in  der  
 Heimat,  denen  ich  für  neun  Monate  Lebewohl  gesagt  hatte.  Viele  
 herzliche  Grüße  flogen  noch  hinüber  nach  dem  schönen  Strande:  
 Tausende  von  Lichtern  schienen  dort  eine  festliche  Illumination  
 zum  Abschiede  zu  bieten.  Nun  ging  es  hindurch  zwischen  Kap Minerva  
 und  Capri,  dessen  kühn  geformter  Felsenkörper  hier  im  
 Dunkel  der Nacht  sich  drohend  von  dem  hellen  Sternenhimmel  abhob; 
   ich mußte  des wundervollen  August  i 85g  gedenken,  welchen  
 ich  auf  der poesiereichen,  damals wenig besuchten  Insel  als  „Landschaftsmaler“ 
   verlebte,  allein  in  Gesellschaft  meines  lieben  Freundes, 
   des  friesischen  Marschendichters  Hermann  Allmers.  Die  
 Wandertage  am  klippenreichen  Strande,  die  kühlen  Bäder  in  der  
 blauen  und  der  grünen Grotte,  die sternenhellen  Sommernächte  auf  
 dem  Dache  der  Casa  Pagano,  —   diese  und  andere  Erinnerungen  
 verwoben  sich mit Victor Scheffels Capridichtungen  zu  einem  phantastischen  
 Bilde. 
 Am  Morgen  des  folgenden  Tages,  6. September,  passierten  wir 
 die  L ip a r is ch en   Inseln;  dort  hatte  ich  im  März  1897  mit meinem  
 damaligen  Assistenten,  Dr.  Leo  S ch u ltz e ,  sehr  interessante  
 Wandertage  verbracht.  Die  nächstliegende  Insel,  der  kegelförmige  
 Vulkan  Stromboli,  stieß  in  regelmäßigen  Zwischenräumen  eine  
 starke  Dampfwolke  aus;  an  seiner  Nordseite  floß  ein  glühender  
 Lavastrom  herab,  dessen  unteres  Ende  bei seinem  Einfluß  das Meer  
 unter  starker  Dampf bildung  hoch  auf schäumen  ließ.  Dann  folgte  
 Lipari,  die  Hauptinsel,  eine  italienische  Verbrecherkolonie;  die  
 weißen  Felswände  ihrer  Ostküste  enthalten  große Bimssteingruben.  
 Südlich  davon  liegt  die  nackte  Insel  Volcano,  deren  neu  gebildeten  
 Krater wir damals  erstiegen hatten. 
 Nun  kam  die  herrliche  Meerenge  von Messina.  Mittags  fuhren  
 wir  am  Leuchtturm  von  Messina  und  dem  Pantano  vorbei,  jenem  
 Seebecken,  das  durch  die  dort  entdeckte  Entwicklungsgeschichte  
 des  Amphioxus  berühmt  geworden  ist;  dann  weiterhin,  zwischen  
 Scylla  und  Charybdis  hindurch,  an  dem  stattlichen  Messina  und  
 seinem  berühmten  Fischmarkte  vorüber,  dem  Dorado  der  marinen  
 Zoologen.  An  beiden  Ufern  der  schönen,  einem  blauen  Strome  
 gleichenden  Meerenge  tauchten  Reihen  von  weißen  Dörfern  und  
 Städtchen  auf,  überragt  von  malerischen  Hochgebirgsketten;  links  
 der  Aspromonte  von  Reggio  in  Kalabrien,  rechts  der  stolze  Ätna,  
 dessen  Gipfel  ich  im  Oktober  18 5g  von  Catania  aus  erstiegen  
 hatte.  Dann  verloren  sich  allmählich  die  Ufer  der  breiter  werdenden  
 Meerenge;  meine  Gedanken  verweilten  bei  den  bunten  Scharen  
 pelagischer  Glastiere,  Radiolarien  und  Sagitten,  Medusen  und  Si-  
 phonophoren,  Pteropoden  und Heteropoden, welche  ich bei meinem  
 dreimal  wiederholten  Besuche  von  Messina  aus  dem  unerschöpflich  
 reichen  Schoße  seiner  berühmten  Meeresströmung  erhalten  
 hatte. 
 Freitag,  der  7. September,  war  der  erste  Tag,  an  welchem  ich  
 nur  Himmel  und Wasser  sah.  Das  blaue Mittelmeer  zeigte  bei hellem  
 Sonnenschein  und  kühler  Brise  sein  Antlitz  von  der  liebenswürdigsten  
 Seite.  Der  Sonnenuntergang  bot  ein  bezauberndes  Konzert  
 von Farben tönen,  die  sich  in der klaren Flut gebrochen spiegelten; 
   und  abends  stieg  am  sternenglänzenden  Himmel  die  silberne  
 Mondscheibe  auf  und  ergoß  ihren  milden  Glanz  über  die  schimmernde  
 Wasserfläche.  Ein  Feiertag  voll  stiller  Weihe  und  bezaubernder  
 „Meereseinsamkeit“ . 
 Sonntag,  9.  September,  kam  früh  die  afrikanische  Küste  in  
 Sicht,  und  gegen  Mittag  legten  wir  vor  P o r t  Said  an.  Da  unser  
 Schiff  hier  beträchtliche  Kohlenmengen  einnahm  —   für  die  ganze  
 Reise  bis  Ceylon  —   benutzten  wir  die  Gelegenheit,  vier  Stunden