
 
		anderer  bionomischer  Wunder  widmen,  finden  hier  noch  unendlich  
 viel  zu tun. 
 Um  i  Uhr werden  die  Laboratorien  geschlossen,  und man begibt  
 sich  zum  Genüsse  des  Tiffin  oder  Lunch.  Meistens  wird  dies  hier  
 in  Form  der  sogenannten  „R e is ta fe l“  genossen,  bei  welcher  der  
 grundlegende  Reis  eigentlich  die  Nebensache  ist,  die  Hauptsache  
 dagegen  die  zwanzig  bis  dreißig  verschiedenen  pikanten  Zutaten  zu  
 demselben,  welche  aus  allen  möglichen  vegetabilischen  und  animalischen  
 Körperteilen mit Hilfe  scharfer Gewürze  bereitet  werden —  
 ähnlich  wie  in  Englisch-Indien  das  berühmte  „Curry  and  rice“ ,  
 über  welches  ich  in  meinen  „Indischen  Reisebriefen“  berichtet  
 habe.  Da  ich nicht  für  diese  komplizierten  und meist  sehr beliebten  
 Delikatessen  schwärme,  sondern  eine  einfache  europäische Mahlzeit  
 vorziehe,  war  es  mir  sehr  angenehm,  daß  mein  liebenswürdiger  
 Gastfreund,  Professor  Treub,  meinen  Geschmack  teilte  und  mich  
 statt  dessen  mit  einer  ausgezeichneten  französischen  Küche  bewirtete, 
   wie  man  sie  hier  selten  findet.  In  der  Regel  saßen  wir  
 plaudernd  x-  1 l/2  Stunden  zusammen;  dann  widmeten  wir  uns.  
 der  Siesta,  die  hier  allgemein  als  ein  sehr  wichtiges  Glied  in  der  
 Stundenkette  des  Tages  betrachtet  wird:  eine  bis  zwei  Stunden  
 völlige Ruhe  des  Körpers  und  Geistes.  Durch  das  heftige Gewitter,  
 das  währenddessen  draußen  tobt,  wird  die  behagliche  Ruhepause  
 drinnen  doppelt  angenehm. 
 Der Nachmittag  von  4  bis  6  ist  für  die Arbeit  im  Laboratorium  
 nicht mehr  geeignet;  die  Luft  darin  ist  dann  drückend  schwül  und  
 das  Tageslicht  gewöhnlich  viel  zu  düster,  um  noch  mit  dem  Mikroskope  
 arbeiten  zu  können.  Ich  habe  gewöhnlich  die  Zeit  von  3 bis  5 Uhr zum  Malen  oder zum  Schreiben von Briefen  oder Reiseerinnerungen  
 benutzt,  mich  um  4  Uhr  durch  eine  Tasse  Tee  erfrischt  
 und  von  5  bis  61/2  oder  7  Uhr  einen  Spaziergang  gemacht.  
 Und  wie  unvergleichlich  sind  diese  Abendwanderungen,  wenn  der  
 prasselnde  Regen  auf gehört  hat,  die  farbigen  Wolken  am  klaren  
 Abendhimmel  sich  verziehen  und  die  untergehende  Sonne  ihren  
 vollen  Strahlenglanz  durch  die  gefiederten  Kronen  der  Palmen  
 wirft! 
 Um  6  oder  6V2  Uhr  wird  die  Lampe  angezündet  und  die  Zeit  
 bis  8 Uhr zum  Lesen  und  Schreiben  benutzt.  Die  Stunde  von  7  bis  
 8 Uhr  ist  hier  auch  die  allgemeine  offizielle  Besuchsstunde.  Man  
 wirft  sich  dann  in  den  europäischen  schwarzen Gesellschaftsanzug,  
 während  man  tagsüber  die  bequeme,  leichte  Tropenkleidung  trägt:  
 weiße  Jacke  und  Hose  von  leichtem  Baumwollstoff,  leichte  
 Strümpfe  und  Schuhe  —  keine  Krawatte  und  Halskragen,  keine 
 Stulpen  und  Handschuhe,  und  wie  alle  die  Marterinstrumente  der  
 westlichen  Zivilisation  heißen.  Auch  die  holländischen  Damen machen  
 es  sich  vernünftigerweise  sehr  bequem,  indem  sie  nach  malaiischer  
 Landessitte  tagsüber  nur  drei  leichte  Kleidungsstücke  
 tragen:  eine weite weiße  Jacke,  die Kabaya,  den bunten  Sarong,  ein  
 großes  Stück  Kattun,  das  gleich  einer  Schürze  um  die  Hüften  geschlungen  
 wird  und  bis  zu  den  Füßen  herabfällt,  und  ein  paar  
 zierliche  Pantöffelchen,  in  welche  die  nackten  Füßchen  (ohne  
 Strümpfe!)  gesteckt  werden  —   alles  andere  ist  vom  Übel!  Erst  
 gegen  5  oder  6  Uhr  abends  wird  Toilette  gemacht,  und  dann  sind  
 auch  die  europäisch  gekleideten  Damen  bereit,  Besuche  zu machen  
 und  zu  empfangen  und  um  8  Uhr  abends  am Diner  teilzunehmen.  
 Die  beiden  letzten  Abendstunden,  von  8  bis  xo  Uhr,  saß  ich  gewöhnlich  
 allein  mit  meinem  Gastfreund,  Dr. Treub,  bei  seinem  
 trefflichen  Diner,  und  erfreute  mich  der  stets  interessanten Unterhaltung  
 mit  diesem  ausgezeichneten  Naturforscher;  er  muß  mir  
 erlauben,  ihm  an  dieser  Stelle  meinen  h e rz lich s ten   Dank  nicht  
 nur  für  die  berühmte  „orientalische  Gastfreundschaft“  zu  sagen,  
 die  er mir mehrere  Monate hindurch  in  der  denkbar  angenehmsten  
 Weise  gewährte,  sondern  auch  für  den  hohen  Genuß  und  die  vielfache  
 Belehrung, welche ich  in mannigfaltigen Gesprächen mit ihm  
 aus  seiner  „orientalischen  Philosophie  geschöpft  habe. 
 Das  neue  Direktorialgebäude  liegt  im  schönsten  Teile  des  Gartens, 
   nahe  der  südwestlichen  Ecke,  an  der  Stelle, wo  die  große,  den  
 Garten  durchziehende  Fahrstraße  in  weitem  Bogen  aus  der  ostwestlichen  
 Richtung  in  die  südnördliche  übergeht.  Das  geräumige  
 Haus,  einstöckig  gleich  allen  anderen,  hat  eine  schöne,  auf  Säulen  
 ruhende Vorhalle,  aus welcher  der Blick  über  schöne,  grüne Rasenflächen  
 auf  großblumige  Sträucher  und  prachtvolle  Baumgruppen  
 fällt,  phantastisch  geschmückt mit Lianen. Den gleichen erfrischenden  
 Blick  genieße  ich  aus  dem  Vorderzimmer  meines  Pavillons,  
 welcher  durch  einen  breiten,  gedeckten Gang mit  der Wohnung des  
 Direktors  verbunden  ist.  Zwischen  beiden  Häusern  stehen  prächtige  
 Bambusgruppen  und  Palmen,  hinter  denselben  Gruppen  von  
 Kokospalmen und dem merkwürdigen Schizolobium excelsum, einer  
 Leguminose,  die  mit  ihrer  Krone  von  zierlich  doppelgefiederten  
 Blättern  auf  hohem,  schlankem  Stamm  einem  Baumfarn  gleicht.  
 Von  allen  Ästen  hängen,  gleich  dichten,  grünen Riesenmänteln  und  
 Girlanden, mächtige  Lianen  herab,  darunter  die merkwürdige  Zan-  
 nonia  mit  ihren  köpf großen  Riesenfrüchten;  in  diesen  sind,  dichtgepackt  
 wie  Pakete  von  Postpapier,  Hunderte  von  großen  fliegen