
 
		er  selten  für  letztere  die  nötige  Zeit  findet,  da  diese  von  dringenderen  
 praktischen Aufgaben  in Anspruch  genommen  wird. 
 Die wissenschaftlichen Arbeiten  im Urwaldinstitute von  Tjibodas  
 werden  durch  die  Gunst  der  äußeren  Verhältnisse  in  der  vorteilhaftesten  
 Weise  gefördert.  In  erster  Linie  gilt  das  von  dem  Umstande, 
   daß  man  unmittelbar  aus  den  Hintergebäuden  der  Station  
 in  den  unberührten Urwald  tritt;  jederzeit  kann man  sich  aus  demselben  
 das  reichste  Material  in  wenigen  Minuten  holen  und  sofort  
 im  Laboratorium  der  mikroskopischen,  physiologischen,  chemischen  
 Untersuchung  unterwerfen.  Während  der  echte  Urwald,  der  
 „ Virgin  Forest“ ,  sonst  fast  überall  nur  sehr  schwer  zugänglich  ist  
 und  man  viele  Leute  braucht,  um  mit  Axt  und  Hackmesser  sich  
 langsam  Bahn  durch  denselben  zu  brechen,  führen  in  den  von  
 Tjibodas  gebahnte  Pfade,  die  ihn  nach  allen  Richtungen  durchziehen  
 und  durch  beständige  Revision  der  Gartengehilfen  frei  und  
 gangbar  erhalten  werden.  Sowohl  die  großen  Hauptwege  als  die  
 vielen  kleinen  Seitenpfade  (oft  blind  endend)  sind  numeriert  und  
 mit  den  Ziffern  der  einzelnen  Bezirke  bezeichnet.  Man  kann  also  
 an  der Hand  des  gedruckten  Planes  hier  stundenlang  allein  umherwandern, 
   ohne  sich  zu  verirren;  immer  wieder  kommt  man  auf  
 die  Hauptpfade  zurück,  die  abwärts  zur  Station  führen. 
 Sehr  zustatten  kommt  ferner  der  Arbeit  in  Tjibodas  das  herrliche, 
   kühle  Klima  dieser  Bergstation,  die  fast  1200  Meter  höher  
 als  Buitenzorg  liegt.  Jetzt,  Ende  Dezember,  hatten  wir  ungefähr  
 dieselben  angenehmen  Verhältnisse  wie  bei  uns  in  Thüringen  im  
 schönen  Juni.  Frühmorgens  zwischen  6  und  7  Uhr  betrug  die  
 Temperatur  im  Schatten  i 4— 160  C.,  mittags  zwischen  1  und  
 2  Uhr  20— 2 10  C.,  abends  zwischen  9  und  10 Uhr  16— 180.  Von  
 entzückender  Frische  sind  die  frühen  Morgenstunden,  von  5—-8,  
 die  ich  zum  Entwerfen  von  Aquarellskizzen  benutzte:  entweder'von  
 dem  freien  Kartoffelfelde  hinter  dem  Kuhstall,  wo  man  (oberhalb  
 der  Station)  einen  vollen  Blick  auf  die  nahen,  großartigen  Vulkankegel  
 hat,  tief  zu  Füßen  die  wilde  Schlucht  des Weißenbaches  mit  
 seinen Wasserfällen;  oder von  der Terrasse  (unterhalb  der Station),  
 wo Treub  einen  reizenden  kleinen  See  angelegt hat.  Oberhalb  seiner  
 Ufer  blickt  man  auf  Schluchten  mit  der  mannigfaltigsten  Vegetation, 
  besonders zierlichen Lianen  und Farnbäumen;  im Mittelgründe  
 unten  schimmern  die  hellgrünen  Reisfelder  und  die  silberglänzenden  
 Teiche  des  weiten  Talgrundes,  über  dem  sich  mehrere  Reihen  
 von  langgestreckten  Gebirgszügen  erheben,  die  hinterste,  blaue  
 Kette mit  zackigem,  schön  geschnittenem  Profile.  Zwischen  7  und  
 8  Uhr  begannen  gewöhnlich  schon  die  beiden  mächtigen  Vulkan- 
 Zwillinge, Gedeh  und  Pangerango, Wolkenscharen  um  sich  zu  sammeln  
 und  ihr Haupt  zu  verhüllen.  Ich  kehrte  dann  zur  Station  zurück, 
   um mit meinen  beiden  Genossen  das  Frühstück  einzunehmen.  
 Nach  demselben  begann  sofort  die  Wanderung,  in  den  Urwald,  
 dessen  unerschöpfliche  Reize  wir  drei  bis  vier  Stunden  lang  genossen. 
   Zwischen  12  und  2  Uhr  brach  gewöhnlich  der  schon  
 lange  drohende  Gewitterregen  los,  der  oft  drei  bis  vier  Stunden  
 anhielt,  bisweilen  in Wolkenbrüchen,  deren  Stärke  denjenigen  von  
 Buitenzorg  nichts  nachgab.  Nach  dem  Mittagessen  blieben  wir  den  
 Nachmittag  im  Laboratorium,  um  die  eingesammelten  Schätze  zu  
 untersuchen  und  zu  konservieren,  von  den  interessantesten  Formen  
 Zeichnungen  und  Aquarelle  anzufertigen.  Um  5  oder  6  Uhr  hatte  
 sich  das  Wetter  wenigstens  so  weit  geklärt,  daß  wir  noch  einen  
 kleinen  Abendspaziergang  zusammen  machen  konnten.  Wirklich  
 schöne  Abende  hatten  wir  nur  zwei;  diese  aber  auch  von  seltener  
 Herrlichkeit.  Die Abendsonne übergoß nicht nur  die schön geformten  
 Haufenwolken  und  Zirren  mit  den  wärmsten  Farben,  sondern  
 übermalte  auch  die  fernen  Bergketten  im  Norden  und  Osten  mit  
 den  zartesten  roten  und  violetten  Tinten.  Das  ferne  Traumbild  
 schimmerte  um  so  wirkungsvoller,  als  der  breite  Rahmen  des  
 schwarzen Urwaldes  zu beiden  Seiten bereits  tief im  Schatten  lag —  
 eine  zauberhafte  Fata  Morgana. 
 Doch  nun  zur  Betrachtung  unseres  wunderbaren  Waldes  selbst,  
 zur  Wanderung  durch  den  tropischen  Urwald  des  Gedehge-  
 birges!  Soweit  eine  allgemeine  Schilderung  desselben  möglich  ist,  
 findet  sie  sich  bereite  bei  H ab er 1 an dt  im  fünfzehnten  Kapitel  
 seiner  trefflichen, mehrfach erwähnten  „Tropenreise“ .  Desgleichen  
 hat  Jean  Massart  in  seiner  kleinen  Schrift  „Un  Botaniste  en  
 Malaisie“   seinen  Charakter  gut  bezeichnet.  Den  eigentümlichen,  
 tiefen  Eindruck,  welchen  der  Urwald  gerade  in  Tjibodas,  vermöge  
 der  besonders  günstigen  Bedingungen  seines  Studiums,  hervorruft,  
 hat R icha rd   Semon wiedergegeben  im  fünfzehnten  Kapitel  seiner  
 ausgezeichneten  Reisebeschreibung:  „Im  australischen  Busch  und  
 an  den  Küsten  des  Korallenmeeres“  —   einer  der  besten,  gediegensten  
 und  anziehendsten Reiseschilderungen, welche  ich  kenne. Auch  
 von  anderen  Naturforschern,  welche  den  Urwald  von  Tjibodas  besuchten, 
   sind  dessen  Wunder  bald  allgemeiner,  bald  spezieller  geschildert  
 worden.  Ich  kann  mich  daher  hier  darauf  beschränken,  
 von  der  gewaltigen  Wirkung  zu  sprechen,  welche  derselbe  auch  
 auf  mich  ausgeübt  hat. 
 Denn  freilich  vermag  die  Feder  immer  nur  ein  ungenügendes  
 Bild  zu  liefern,  wenn  die  dürftige  Beschreibung  nicht  zugleich