
 
		Schutz  nehmen;  neben  diesen  hübsche  kleine  Blumen-  und  Fruchtgärten; 
   im  Hintergrund  die  hoch  auf steigenden  blauen  Kulissen  
 des  Gebirges.  Viele  bunte  Vögel  und  Schmetterlinge  belebten  die  
 glänzende  Tropenlandschaft  in  den  frühen  Morgenstunden.  Je  
 mehr  unser  Zug,  nach  Norden  fahrend,  sich  dem  Eingang  zum  
 Anehpaß  näherte,  desto  deutlicher  traten  die  blauen  Kegel  der  
 mächtigen  Vulkane  hervor,  die  ihn  von  beiden  Seiten  einschließen,  
 rechts der Ambatjang  ( i g 5g Meter),  links  der Tandikat  (2 458 Meter) 
   und  gleich  hinter  ihm  sein  Zwillingsbruder,  der  Singgalang.  
 Besonders  imposant  erhebt  sich  über  dem  Waldgebirge  die  blaue  
 Mauer  des Tandikat,  deren Rücken  oben  in mehrere  schöne  Zacken  
 gespalten ist,  ähnlich dem Salak bei Buitenzorg;  und wie bei  diesem  
 ziehen  viele  tiefe Einschnitte  strahlenförmig  gegen  den  breiten F uß  
 herab. 
 Die praktischen  kleinen Gebirgslokomotiven,  welche  diese  Eisenbahn  
 bedienen  und  größtenteils  mittelst  Zahnrads  die  steilen  Berghänge  
 erklimmen,  stammen  sämtlich  aus  der  Maschinenfabrik  von  
 Keßler  in  Eßlingen.  Bis  Kandang  Ampat  ist  die  Lokomotive  vorn  
 am Zuge angespannt, und wir genießen  hinten vom Direktionswagen  
 freien  Überblick  über  das  Küstenland.  Jetzt  wird < das  Verhältnis  
 umgekehrt:  die  Maschine  wird  hinten  an  den  Zug  angehängt  und  
 schiebt  denselben  auf  der  steil  ansteigenden  Zahnradbahn  aufwärts.  
 Der Direktionswagen  tritt vorn an  die Spitze des Zuges und gestattet  
 uns von  der offenen vorderen Plattform  den vollen Genuß  der herrlichen  
 wechselnden  Landschaftsbilder,  welche  der  berühmte  Anehpaß  
 bis  nach  Pandang-Pandjang  hinauf  gewährt. 
 Dieser  großartige  Anehpaß  (oder  die  „Aneh-Kloof“ )  ist  eine  
 wilde,  i 5  Kilometer  lange  Schlucht,  welche  zwischen  den  beiden  
 mächtigen  Vulkanen,  dem  Tandikat  nördlich  und  dem  Ambatjang  
 südlich,  zur  Hochebene  von  Padang-Pandjang  emporsteigt.  Dié  
 steilen,  hohen  Felswände,  welche  die  tief  eingerissene  Kluft  von  
 beiden  Seiten  einschließen  und  sich  im  Zickzack  hinaufwiuden,  
 sind mit  der  üppigsten  Vegetation  des  tropischen  Urwaldes  bekleidet. 
   Die  mächtigen  Baumstämme  sind  reich  mit  Farnen,  Orchideen  
 und  anderen  Epiphyten  bewachsen  und  durch  schöngeschlungene  
 Girlanden  verbunden,  während  ganze  Bündel  von  Lianen  von  
 ihren  breiten  Ästen  herabhängen.  Wilde  Pisangarten  treten  mit  
 ihren  lichtgrünen,  breiten  Blattkronen  leuchtend  aus  dem  dunkeln  
 Grün des Walddickichts hervor.  Vor  allem  aber entzücken das Auge  
 auch  hier  wieder  zahlreiche  herrliche  Baumfarne  (Alsophila  und  
 Cyathea),  diese  feinsten  und  lieblichsten  unter  allen  Bäumen.  Ihre  
 schön  gebogenen,  braunen  Stämme  erheben  sich  allenthalben  über 
 die  niederen.Waldbäume  und  entfalten  den  hellgrünen  Kranz  ihrer  
 zarten,  doppelt  gefiederten,  breiten  Blätter  gleich  dem  elegantesten  
 Kronleuchter.  Die  märchenhaften  Bilder  der  javanischen  Urwälder  
 vom Tjibodas und Garut traten wieder lebendig vor meine Seele. 
 Zahlreiche  bunte  Vögel,  Affen  und  Eichhörnchen  beleben  am  
 Morgen  das  einsame  Dickicht  dieses  herrlichen  Urwaldes.  Seine  
 tiefe  Stille wird  durch  den  lauten  Ruf  des  Siamang  unterbrochen,  
 des  großen,  schwarzen  Menschenaffen  von  Sumatra,  der  scharenweis  
 in  den  hohen  Gipfeln  der  Bäume  sich  fast  fliegend  von  Ast  
 zu Ast schwingt.  Unten im Grunde  der tiefen Schlucht aber schäumt  
 der  wilde  Anehbach  in  tosenden  Fällen  über  die  mächtigen  F'els-  
 blöcke,  welche  den  Grund  des  stufenweis  abfallenden  Strombettes  
 bedecken.  An  einer  Biegung  stürzt  zu  unserer  Linken  ein  prächtiger, 
   75  Meter  hoher  Wasserfall  von  der  senkrechten,  nackten  
 Felswand  herab  und  sammelt  seine  zerstäubten  Massen  in  einem  
 geräumigen,  von  der  schönsten  Vegetation  umkränzten  Felsenbecken. 
 Die  heftigen  tropischen  Regengüsse,  die  oft  stundenlang  in  die  
 Schlucht  herabstürzen,  lassen  den  Anehbach  in  ihrem  Grunde  in  
 kürzester  Frist  zu  einem  mächtigen  Strome  anschwellen.  Gleich  
 den  gefürchteten  Muren  in  der  Schweiz  reißt  dann  der  tobende  
 Bergstrom  Bäume  und  Felsen,  ja  ganze  Stücke  der  Bergwände  unaufhaltsam  
 mit  sich  fort.  Als  im  Jahre  i 8g 3  der  schwierige  und  
 kostspielige  Bau  dieser  schönen  Gebirgsbahn  kaum  beendigt  war,  
 löste  ein  solcher  Wirbelstrom  oder  „Bandjir“  große  Stücke  der  
 Bergwände  ab  und  riß  sie,  samt  den  daraufstehenden  Bäumen  und  
 Felsen,  mit  sich  in  die  Tiefe.  An  mehreren  Stellen  nahm  derselbe  
 den ganzen Unterbau des Schienenweges mit  sich fort, so daß  dieser  
 streckenweise  frei  in  der  Luft  schwebte.  Die  schweren,  steinernen  
 Unterbauten  von  sieben  kaum  vollendeten  Eisenbahnbrücken  wurden  
 von  ihm  gleich  den  leichtesten  Kieselsteinen  des  Flußbettes  
 mit  fortgeschwemmt,  die Eisenschienen  und  Gitterbogen  der Brük-  
 ken  selbst  wie  dünne  Holzstäbe  abgeknickt  und  verbogen.  Eine  
 solche  abgerissene  Eisenbahnbrücke  sahen wir  noch  jetzt  tief  unter  
 der  neuen,  später  erbauten  Brücke  querüber  im  Flußbett  liegen;  
 die  gewaltigen  Felsblöcke,  die  sie  umgaben,  hatten  zum  Teil  die  
 Größe  eines  Hauses  und  darüber.  Der  Schaden,  den  dieser  eine  
 Wildstrom  innerhalb  weniger  Minuten  anrichtete,  belief  sich  auf  
 mehr  als  eine  halbe  Million  Gulden. 
 Oben  am  Ausgang  des  malerischen  Anehpasses  treten  wir  auf  
 die  Hochebene  hinaus,  auf  welcher  die  kleine  Stadt  Padang -  
 P an d jang   (d. h.  Langenfeld)  liegt;  der  Knotenpunkt  der  Bahn,