
 
		senschaftszweige,  die  ebenso  in  der  Botanik  wie  in  der  Zoologie  
 und  Anthropologie  unterschieden  werden  können. 
 Die  Bionomie  der  Pflanzen  und  Tiere  in  den  Tropen  ist  schon  
 deshalb  viel  interessanter  und  lehrreicher  als  in  den  gemäßigten  
 Zonen,  weil  dort  im  ewigen  Sommer  die  allgemeine  Lebensenergie  
 der  Organismen  ungleich  größer  und  mannigfaltiger  ausgebildet  
 ist  als  hier,  wo  der  Winterschlaf  eine  lang  dauernde  Unterbrechung  
 der  Funktionen  bedingt.  Hierüber  sagt  Treub: 
 „Die  L ebensbez iehungen  sowohl  zwischen  den  Pflanzen  
 untereinander  als  auch  der  Tierwelt  gegenüber  bilden  an  und  fü r   
 sich  in  den  Tropen  ein  so  überaus  reiches  Forschungsgebiet,  daß  
 man  sich  ohne  eigene  Anschauung  keine  richtige  Vorstellung  davon  
 machen  kann.  Der  Blick  auf  einen  einzigen  umgestürzten  
 Baumstamm  in  unseren Urwäldern, mit  der  ganzen  ,Flora“,  die  sich  
 an  und  auf  diesem  einen  Stamme  entwickelt  hat,  lehrt  in  dieser  
 Hinsicht  mehr  als  die  ausführlichsten  Beschreibungen.  Man  erinnere  
 sich  nur  des  Vergleiches  halber  an  die  unbedeutende  Vegetation  
 von  Moosen,  Flechten  und  Algen,  die  man  in  Europa  an  
 R a um  S täm m en  findet,  und  an  die  so  spärlich  vorkommenden Kletterpflanzen, 
   die  in  europäischen Wäldern  einen  schwachen Versuch  
 wagen,  den  Bäumen  Konkurrenz  zu  bereiten.  Hier  in  unseren  Tropengegenden  
 repräsentieren  die  Anpassungen  an  die  eigentümlichen  
 Lebensbedingungen,  welchen  die  Epiphyten,  Schling-  und  
 Kletterpflanzen,  ebenso  wie  die  Küstenvegetation  (Mangroven) ausgesetzt  
 sind,  eine Anzahl  ebenso  neuer  als  interessanter Forschungsthemen. 
   —   Die  ganze  Pflanzenwelt  hat  in  den  Tropen  infolge  der  
 größeren  Verschiedenheit  der  Formen  und  der  Umgebung  Eigentümlichkeiten  
 aufzuweisen,  die  der  Flora  in  den  gemäßigten Zonen  
 abgehen.  —   In  tropischen  Ländern  ist  das Arsen a l,  aus welchem  
 die  Pflanzen  (und  ebenso  auch  die  Tiere)  für  den  „K am p f  ums  
 Dasein“  ihr  Rüstzeug  holen,  außergewöhnlich  reich  und  viel  besser  
 ausgestattet  als  irgendwo  anders,  weil  die  Konkurrenten  bei  
 rliftspim  Kampfe um  so  vieles  zahlreicher  sind  und so  viel mehr Verschiedenheiten  
 zeigen.  Nirgends  wird  man  sich  denn  auch  eine  
 bessere Vorstellung machen  können  von  der  Bedeutung  der n a tü r lichen  
 S e lek tio n ,  die  uns  der  große  Darwin  dargelegt  hat.“ 
 Eine  große  Anzahl  von  interessanten,  dafür  sprechenden  Beispielen  
 hat  Haberlandt  in  seiner  „Botanischen  Tropenreise“  angeführt  
 und  illustriert,  besonders  in  den  Kapiteln  i o—  13,  welche  
 die  Lianen,  Epiphyten,  Mangroven  und  Ameisenpflanzen  behandeln. 
 Weniger  allgemein  bekannt  und  anerkannt,  als  diese  Bedeutung 
 der  Tropenbotanik  für  die  Bionomie,  ist  diejenige  für  die  P h y lo gen  
 ie  oder  Stammesgeschichte.  Ich  darf  wohl  voraussetzen,  daß  
 der geneigte Leser im allgemeinen über  die Aufgaben und Methoden  
 dieses  jungen  Zweiges  der  Biologie  orientiert  ist;  ich  habe  dieselben  
 zuerst  1866  (in  meiner  „Generellen  Morphologie“ )  eingehend  
 zu  begründen  versucht.  Ihren  Grundgedanken  formulierte  
 ich  in  dem  b io genetischen   Grundge setze:  „Die  Ontogenie  ist  
 eine  gedrängte Rekapitulation  der  Phylogenie“  oder:  „Die  Keimesgeschichte  
 ist  ein  kurzer  Auszug  aus  der  Stammesgeschichte“ ;  —   
 d. h.  die  Reihe  von  Formen,  welche  jeder  einzelne  Organismus,  
 während  seiner  Entwicklung  aus  dem  Ei  bis  zur  vollendeten  Ausbildung  
 durchläuft,  ist  eine  kurze,  allgemeine  Wiederholung  der  
 Formen, welche  seine Vorfahren  im  ganzen  Verlaufe  der  Stammesgeschichte  
 durchlaufen  haben.  Diese Wiederholung  ist  um  so  vollkommener, 
   je  älter  die  heute  noch  lebende  Gruppe  ist,  zu  der  der  
 betreffende  Organismus  gehört,  je  mehr  seine  ganze  Organisation  
 auf  der  ursprünglichen  Bildungsstufe  stehen  geblieben  ist.  Deshalb  
 gibt  uns  z. B.  die  Keimesgeschichte  der  ältesten  Wirbeltiere  
 (des  Amphioxus,  der  Zyklostomen,  der  Haifische)  wichtigere  und  
 sicherere Aufschlüsse  über  die Abstammung  der Säugetiere (mit  Inbegriff  
 des  Menschen)  von  jenen  ersteren,  als  es  die Ontogenie  der  
 letzteren  selbst  zu  tun  imstande  ist. 
 Ähnlich verhält es sich nun  auch mit der Entwicklungsgeschichte  
 der  Tropenpflanzen.  Diese  haben  zum  größten  Teile  die  ursprünglichen  
 Verhältnisse  der  Keimbildung  getreuer  bewahrt  als  
 die  Pflanzen  der  gemäßigten  Zone;  sie  sind  nicht  jenen  beträchtlichen  
 genetischen  Veränderungen  unterworfen  worden,  welche  die  
 letzteren  bei  ihrer  Anpassung  an  die  klimatische  Zonensonderung  
 und  den  Winterschlaf  durchmachen  mußten.  Da  die  Lebensbedingungen  
 der  Pflanzen  in  der  Tropenzone  noch  heute  im  wesentlichen  
 dieselben  geblieben  sind, wie sie  vor Millionen Jahren  (in  der  
 Primär-  und  Sekundärzeit)  auf  der  ganzen  Erde  herrschten,  so  
 finden  wir  in  deren  Keimbildung  und  Entwicklung  noch  viele  
 wichtige p a lin g en e tisch e  Dokumente,  d. h.  unverfälschte  „Ursprungszeugnisse“ 
 ,  wogegen  diese  bei  nahe  verwandten  Pflanzenformen  
 der  gemäßigten  Zone  während  der  Tertiärzeit  verloren  gegangen  
 und durch  irreführende  cenogenetisch e A bänderungen  
 ersetzt worden  sind.  Wir  beobachten  daher  beim  sorgfältigen  Studium  
 der  Ontogenie  vieler  Tropenpflanzen  (das  nur  in  der Tropenzone  
 selbst  in  erforderlichem  Maßstabe  möglich  ist)  viele  bedeutungsvolle  
 Tatsachen,  die  unmittelbar  durch  Vererbung  von  älteren  
 Ahnen  erklärt  und  somit  für  die  P h y lo g en ie   des  ganzen