
 
		sehen Anthropomorphen,  der kleinere  Schimpanse (Anthropithecus)  
 und  der  stärkere  Gorilla  (Gorilla  gina);  letzterer  der  größte  und  
 ansehnlichste  Vertreter  der  ganzen  Gruppe.  Wie  bekannt,  sind  
 diese  schwanzlosen  Anthropomorphen  unter  allen  lebenden Wirbeltieren  
 der  Gegenwart  diejenigen,  die  dem  Menschen  in  ihrer  gesamten  
 Organisation  am  nächsten  stehen  —   so  nahe,  daß  an  ihrer  
 nahen Blutsverwandtschaft nicht zu  zweifeln ist;  die Annahme einer  
 direkten  Abstammung  des  Menschen  von  aus gestorbenen  (tertiären) 
   Affen  derselben  Gruppe  bietet  für  denjenigen,  der mit  den  
 betreffenden  anatomischen,  ontogenetischen  und  paläontologischen  
 Tatsachen  bekannt  ist,  heute  nicht mehr  die  geringste  Schwierigkeit. 
   Seitdem  uns  nun  Charles  Darwin  vor  fünfzig  Jahren  durch  
 seine  Selektionstheorie  (den  eigentlichen  „Darwinismus“ )  und  
 durch  die  damit  verknüpfte  Reform  der  Deszendenztheorie  den  
 wahren  Schlüssel  für  das  Verständnis  der  organischen  Entwicklung  
 geschenkt  hat,  ist  die  daraus  folgende  „Abstammung  des  Menschen  
 vom  A f f e n “  bekanntlich  Gegenstand  des  heftigsten  literarischen  
 Kampfes  bis  auf  den  heutigen  Tag  geblieben.  Es  wird  daher  
 gerechtfertigt  sein,  wenn  ich  meinen  Lesern  hier  einen  kurzen  
 Bericht  über  die  darauf  bezüglichen  Beobachtungen  mitteile,  welche  
 ich  während  meiner  malaiischen  Reise  gemacht  habe;  auch  
 dürfte  es  mir  gestattet  sein,  daran  einige  allgemeine  Reflexionen  
 zu  knüpfen,  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  wissenschaftliche  
 Lösung  dieser  großen  „F ra g e   a lle r   F ra g en “ . 
 Zunächst  sei  es  mir  erlaubt,  nochmals  auf  den  fossilen  A f f e n menschen  
 von  Java  zurückzukommen,  auf  den  berühmten  Pithe-  
 canthropus  erectus.  Die  einstmalige  Existenz  dieser  wirklichen  
 „Übergangsform“  vom  Menschenaffen  zum  Menschen  (die  in  der  
 jüngeren  Tertiärzeit,  in  der  Pliocänperiode,  gelebt  haben  muß)  
 hatte  ich  schon  1866  behauptet  und  in  dem  hypothetischen  Gattungsnamen  
 „Pithecanthropus“  ausgedrückt;  dieser  griechische Genusname  
 bedeutet wörtlich:  „Affenmensch“ .  Achtundzwanzig Jahre  
 später  wurden  die  fossilen  Reste  derselben  von  Eugen  Dubois  in  
 Java wirklich  gefunden  und  auch  dieser  Name  zur Bezeichnung  des  
 wahren  „Affenmenschen“  beibehalten. 
 Da  der  lange  Streit  über  die  Bedeutung  der  Pithecanthropus-  
 Fragmente in populären Zeitschriften  immer noch  fortgeführt wird,  
 möchte  ich  hier  noch  besonders  auf  zwei  Umstände  hinweisen:  erstens, 
   daß  die  Deutung  derselben  als  Überreste  eines  wirklichen  
 Mittelgliedes  zwischen  den  älteren  Menschenaffen  und  den  ältesten  
 Urmenschen  jetzt  von  fast  allen  sachkundigen  Naturforschern  angenommen  
 ist;  und  zweitens,  daß  der  wirkliche  Nachweis  dieses 
 „Missing  link“   —   des  fehlenden  Gliedes  in  unserer  Ahnenkette  
 nicht  die prinzipielle Bedeutung besitzt, welche  ihm  in Laienkreisen  
 zugeschrieben wird.  Die verhaßte  „Abstammung  des  Menschen von  
 Affen“  (oder,  vorsichtiger  ausgedrückt:  die  gemeinsame  Abstammung  
 der  Menschen,  Affen  und Halbaffen  von  einer  älteren,  längst  
 ausgestorbenen  Primatenform)  steht  auch  ohne  jenen  Nachweis  
 fest;  sie  gründet  sich  auf  die  vollständige  anatomische  Übereinstimmung  
 im Körperbau und in  der Entwicklung des Menschen  und  
 der  Menschenaffen. 
 Dieselben  200  Knochen,  in  derselben  Anordnung  und  Zusammensetzung, 
   bilden  unser  inneres  Knochengerüst;  dieselben  3oo  
 Muskeln  bewirken  unsere  Bewegungen;  dieselben  Haare  bedecken  
 unsere  Haut,  dieselben  Gruppen  von  Ganglienzellen  setzen  den  
 kunstvollen Wunderbau  unseres  Gehirns  zusammen;  dasselbe  vier-  
 kammerige Herz  ist das zentrale Pumpwerk  unseres Blutkreislaufes;  
 dieselben  32  Zähne  setzen  in  der  gleichen  Anordnung  unser  Gebiß  
 zusammen  („Welträtsel“ ,  II.  Kap.).  Stellen  wir  uns  vom  nüchternen  
 Standpunkte  der  vergleichenden  Anatomie  aus  die  kritische  
 Frage, worin  denn eigentlich  der  anatomische Un ter sch ied   des  
 Menschen  und  der M ensch ena ffen   besteht,  so  finden  wir  ihn  
 lediglich in  geringfügigen Unterschieden  der Gestalt und Größe  der  
 einzelnen  wesensgleichen  Teile;  und  diese  sind  nur  bedingt  durch  
 etwas  verschiedenes  Wachstum  derselben,  in  Anpassung^  an  die  
 ungleichartige-Lebensweise.  Ähnliche Unterschiede  findet) sich  aber  
 auch  zwischen  den  einzelnen  Gliedern  der -menschlichen Familie,  ja  
 sogar  zwischen  Mann  und  Frau.  Was  den  Grad  und  Wert  jener  
 anatomischen  Unterschiede  betrifft,  so  bleibt  immer  das  bedeutungsvolle, 
   von  Thomas  H u x le y   formulierte  Gesetz  bestehen:  
 „Die  anatomischen  Unterschiede  zwischen  dem  Menschen  und  den  
 heutigen  uns  bekannten Menschenaffen  sind nicht  so  groß,  als  diejenigen, 
   welche  die  letzteren  von  den  niedrigeren  Affen  trennen.“  
 Da  nun  die  gene alo g isch e   E in h e it  des  Primatenstammes  
 durch  die  übereinstimmenden  Zeugnisse  der  vergleichenden  Anatomie, 
   Ontogenie  und  Paläontologie-  unzweifelhaft  bewiesen  wird,  
 so  folgt  daraus  der  sichere  Schluß,  daß  alle Menschen,  Affen  und  
 Halbaffen  von  einer  gemeinsamen  —   längst  ausgestorbenen!  
 Primatenform  abstammen. 
 Da  die  unermeßliche  Bedeutung  dieser  Erkenntnis  dem  Studium  
 der  heute  noch  lebenden  Anthropomorphen  ein  ganz  besonderes  
 Interesse  verleiht,  war  es  mir  sehr  wertvoll,  daß  ich  auf  dieser  
 Reise  nach  Insulinde  Gelegenheit  fand,  die  beiden  hier  noch  vorkommenden  
 Gattungen  derselben  eingehend  in  lebendem  Zustande