
 
		grauer Gibbon“  auf geführt,  nach  der Farbe  seines Felles.  Die Eingeborenen  
 nennen  ihn  Oa,  nach  dem  charakteristischen  Laute,  den  
 er  gewöhnlich  mehrmals  hintereinander  wiederholt  ausstößt.  Das  
 kleine  Tier  ist  in  aufrechter  Stellung  kaum  einen  Meter  hoch;  die  
 Hälfte  davon  kommt  auf  den  Körper,  die  andere  Hälfte  auf  die  
 schwachen Hinterbeine;  viel  länger  sind  die  schlanken  Vorderbeine.  
 Im  ganzen  hat  unser  Oa  die  Statur  eines  zarten  sechsjährigen  Kindes; 
   jedoch  ist  der  Kopf  im  Verhältnis  viel  kleiner,  die  Taille  
 schlanker,  die  Beine  sind  kürzer  und  die  Arme  viel  länger.  Der  
 größte  Teil  des  Körpers  ist  mit  einem  hell  aschgrauen,  ziemlich  
 wolligen,  weichen  Pelz  bedeckt;  an  der  Brust  ist  die  Behaarung  
 spärlich,  die  nackten  Hautteile,  Ohren,  Handteller  und  Fußsohlen  
 sind  schwärzlich  gefärbt,  das  kleine  runde  Gesicht  rußschwarz;  
 ein  weißer  Bart,  welcher  dasselbe  ringförmig  einrahmt,  gibt  ihm  
 einen  besonderen  Ausdruck.  Die  Iris  ist  lebhaft  hellbraun.  Die  
 Gesichtsbildung des Oa ist viel menschenähnlicher  als die des Drang,  
 da  der  Unterkiefer  viel  weniger  vorspringt;  der  Gesichtswinkel  beträgt  
 über  6o°. 
 In einer  älteren Beschreibung dieses schwanzlosen Menschenaffen  
 wird  die Physiognomie  als  „eigentümlich  ältlich  und melancholisch  
 scheu“  bezeichnet;  mich  erinnerte  sie  an  einen  bankerotten,  von  
 schweren  Sorgen  geplagten  Bankdirektor,  der mit  gerunzelter  Stirn  
 über  die  Folgen  eines  großen  Kraches  nachdenkt.  Obgleich  mein  
 Oa  sich  schon  mehrere  Monate  in  Gefangenschaft  befand,  war  er  
 doch noch  ziemlich scheu und ängstlich;  er gewöhnte sich nur  langsam  
 an  die  neuen  Personen  und  Verhältnisse. 
 Sehr  auffallend  war  das  Mißtrauen,  welches  unser  Oa  gegenüber  
 allen  weißen  Europäern  behielt;  sowohl  Professor  Treub  als  
 mich  betrachtete  er  stets  mit  Argwohn;  dagegen  schloß  er  bald  
 intime  Freundschaft mit  den  braunen  Malaien  unseres  Hauses  und  
 vorzüglich mit  den kleinen  Kindern.  Ganz  besonders  liebte  er  einen  
 kleinen  häßlichen  sechsjährigen  Jungen,  der  seine  Körpergröße  
 hatte  und  den wir  wegen  seines  dicken  Kopfes  und  breiten  Mundes  
 scherzweise  Frosch  oder  Bana  nannten.  Die  beiden  Freunde  konnten  
 stundenlang  zusammen  auf  dem  Basen  sitzen  und  sich  eng  umfaßt  
 halten;  der  Oa  schlang  seinen  langen  Arm  um  den  Hals  des  
 Bana,  während  dieser  den  Leib  des  Affen  umarmte. 
 Um  die  Bewegungen  des  Oa  besser  studieren  zu  können,  gestattete  
 Professor Treub,  daß  in'der  gedeckten Gallerie,  die  seine Wohnung  
 mit  der meinigen  verband,  eine  geräumige Kiste  als Wohnung  
 angebracht,  und  außerdem  vor  derselben  eine  zweite  Kiste,  auf  
 einem  Stamm  befestigt,  im  Garten  auf gestellt  wurde.  Mehrere 
 lange, mit  den  Kisten  verbundenen  Stangen,  sowie unter  dem Dache  
 der  Galerie  verlaufende  Balken  gaben  unserem  Affen  reiche  Gelegenheit, 
   seine  bewunderungswürdigen  Turnkünste  in  voller  Freiheit  
 zu  zeigen.  An  einem  schmalen,  um  den Leib befestigten  Gürtel  
 war  eine  lange  Kette  angebracht,  deren  anderes  Ende  mit  einem  
 weiten,  auf  dem  Balken  laufenden  Ringe  in  Verbindung  stand.  
 Wenn  wir  diesen  Ring  ablösten,  konnte  der  Oa  mit  uns  spazieren  
 gehen.  Auf  der  Erde  ging  derselbe  stets  aufrecht  auf  den  Hinterbeinen, 
   während  die  Arme,  seitlich  horizontal  ausgestreckt  und mit  
 herabhängenden Händen,  als Balanciergewicht benutzt wurden.  Niemals  
 berührte  er  bei  seinem  behenden  Laufe  den  Boden  mit  den  
 'Händen  (wie  es  Orang  und  Schimpanse  oft  tun);  niemals  kroch  er  
 auf  allen  vieren.  Seine  ganze  Gewandtheit  entfaltete  dieses  Baumtier  
 jedoch  beim  Klettern;  mit  größter  Sicherheit  schwang  er  sich  
 mittelst  seiner  langen  kräftigen  Arme  von  einem  Baumast  zu  einem  
 anderen,  weit  entfernten.  Auf  einem  Querbalken  der  Galerie,  der  
 zwei  senkrechte  Pfähle  verband  und  ein  Reck  bildete,  führte  er  
 dieselben  Übungen  aus,  wie  der  gewandteste  Turner,  insbesondere  
 die  Riesenwelle,  Kniewelle  usw.  Auf  der  Reckstange  aufrecht  
 stehend,  lief  er  rasch  hin  und  her,  ohne  jemals  zu  schwanken.  
 Gleich  einem  geübten  Voltigeur  im  Variete-Theater  hing  er  sich  
 an  der  Stange bald mit  einer  Hand, bald mit einem  Fuße  auf, während  
 der  herabhängende  Kopf  hin  und  her  geschwungen  wurde.  
 Auch  die  schwierigsten  Evolutionen  würden  mit  einer  Leichtigkeit  
 und  Sicherheit  ausgeführt,  als  ob  gar  keine Muskelanstrengung  dazu  
 nötig  wäre. 
 Mit  besonderem  Behagen  streckte  sich  der  Oa,  wenn  er  sich  
 müde  geturnt  hatte,  auf  den  Rasen  aus  und  ließ  sich  die  Tropensonne  
 auf  den  Leib  scheinen.  Dabei  legte  er  gewöhnlich  den  einen  
 Arm  unter  den  Kopf  und  nahm  genau  dieselbe  Lage  ein,  wie  ein  
 müder  Wanderer,  der  sich  unter  dem  Schatten  eines  Baumes  auf  
 den Rücken  legt.  In  dieser Lage  schlief  er auch bisweilen;  gewöhnlich  
 aber  schlief  er  nachts  sitzend  in  einer  seiner beiden  Kisten;  dabei  
 hatte  er  den Rücken  angelehnt,  die Knie heraufgezogen  und  die  
 gebogenen  Arme  auf  die  Knie- gestützt;  der  Kopf  nickte  auf  die  
 Brust  herab. 
 Intime  Zuneigung  faßte  unser  kleiner  Jüngling  auch  zu  einem  
 niedlichen  malaiischen  Mädchen  von  neun  Jahren  und  zu  zwei  
 Frauen,  welche  tagsüber  iin  Garten  neben  der  Galerie  unter  dem  
 Schatten  eines  großen  Bambusgebüsches  saßen  und  mit  unermüdlicher  
 Geduld  bunte  Figuren  auf  Sarongs  malten.  Eine  von  ihnen  
 hatte  ihm  ein  rotes  Jäckchen  angefertigt,  in  dem  er  sich  sehr  ge- 
 H aeck el,  Insulinde.  3. Aufl.  14