
 
		Realismus.  Sie  bestätigen  überall  die  Behauptung,  daß  der Chinese  
 ein  höchst  gefährlicher  Konkurrent  des  Europäers  und  ihm  im  
 Kampf  ums  Dasein  vielfach  überlegen  ist.  Hier  in  Singapur  sind  
 in  allen  Geschäften,  in  allen  Bureaus  und  öffentlichen  Instituten,  
 an  der  Post  usw.  die  Chinesen  die  geschätztesten  und  zuverlässigsten  
 Arbeiter,  ebenso  in  höheren  wie  in  niederen  Stellen.  Die  vornehmeren  
 Chinesen  sind  elegant  gekleidet  und  ihre  Equipagen  oft  
 glänzender  als  diejenigen  vieler  Europäer.  Im  Bureau  tragen  sie  
 meistens  eine  sehr  praktische  und  weite weiße  Jacke  und  om  Paar  
 dunkle  (blaue  oder  schwarze),  sehr  weite  Sackhosen.  Die  größte  
 Sorgfalt  verwenden  sie  aber  stets  auf  die  tadellose  Frisur  ihres  
 langen  Zopfes;  er  wird  meistens  mit  roten  oder  blauen  Seidenbändern  
 durchflochten  und  hängt  über  den  Rücken  oft  bis  zur  Kniekehle  
 herab. 
 Die  Umgebung  von  S in g a p u r   bietet  dem  Naturforscher  zu  
 Land  und  zu  See  eine  Fülle  der  lohnendsten  Ausflüge.  Dank  der  
 Fürsorge  meiner  dortigen  Gastfreunde  wurde  es  mir  möglich,  in  
 verhältnismäßig  kurzer  Zeit  die  interessantesten  Punkte  kennen  zu  
 lernen.  Die  Landstraßen  sind,  wie  in  allen  englischen  Kolonien,  
 vortrefflich  gehalten,  und  die  Fahrten  durch  die  chinesischen  und  
 malaiischen  Dörfer  (Kampongs),  die  herrlichen  Gärten  und  die  
 üppigen Wälder gewähren  eine beständig wechselnde Unterhaltung.  
 Dr.  Hanitsch  lenkte  seinen  flinken  Einspänner  selbst  und  richtete  
 seine  Fahrten  so  zweckmäßig  ein,  daß  ich  ein  vollständiges  Bild  
 von  der  reichen Tropenlandschaft  der  Insel Singapur bekam. Wenn  
 wir  morgens  im  Museum  gearbeitet,  nachmittags  eine  schöne  Exkursion  
 gemacht  hatten,  genoß  ich  dann  abends  das  Vergnügen,  
 in  der  liebenswürdigen  Familie  meines  Gastfretindes,  und  oft  auch  
 in  der  lehrreichen  Gesellschaft  befreundeter  Engländer,  über  die  
 interessanten  Verhältnisse  dieses  wichtigen  Knotenpunktes  des  
 westöstlichen  Weltverkehrs  unterrichtet  zu  werden.  In  später  
 Abendstunde  saßen wir  oft noch  angeregt plaudernd  in  der  kühlen  
 Veranda  zusammen,  welche  den  Eingang  vom  Garten  in  das  hübsche. 
  Museumshaus  bildete.  Wenn  sich  alsdann  unser  Blick  nach  
 oben  durch  das  Laub  der  hohen  Feigenbäume  und  Palmen  auf  den  
 funkelnden  Sternenhimmel  richtete,  und  die  Sternbilder  des  südlichen  
 Himmels —   besonders  der  Skorpion  und  das  südliche Kreuz  
 —   uns  in  die  unendlichen  Weiten  des  Universum  führten,  entspannen  
 sich  wohl  mancherlei  anregende  Betrachtungen  über  die  
 „Welträtsel“  und  über  die  Befähigung  des  sonderbaren  kleinen  
 Primaten,  „Mepsch“  genannt,  zu  ihrer  annähernden  Lösung. 
 Unter  den  größeren  Ausflügen  aus  Singapur  sind mir  drei  in besonders  
 angenehmer  Erinnerung:  nach  Bukit-Tiiriah,  nach  Teban  
 und  nach  Johore.  B u k it-T im a h   (=  Zinnberg)  ist  der  höchste  
 Punkt  der  Insel  (etwas über  5oo Fuß  hoch);  der Berg  ist mit Wald  
 bedeckt,  der  zum  Teil  ganz  den  Charakter  echten  Urwaldes  trägt;  
 man  überläßt  hier  absichtlich  einige  seiner  Partien  unberührt  sich  
 selbst,  so  daß  die mächtigen  Bäume, mit Kletterpflanzen behängen,  
 wild  durcheinander  wachsen  und  nach  ihrem  Tode  ein  undurchdringliches  
 Gestrüpp  herstellen.  Unter  den  Massen  von  Schmarotzerpflanzen. 
   und  Epiphyten  fallen  besonders  zahlreiche  zierliche  
 Farnkräuter  auf;  in  den  Achseln  der  Baumäste  sitzt  der  ornamentale  
 Vogelnestfarn  (Asplenium  nidus);  die  Abhänge  längs  des Weges  
 sind  mit  Massen  der  Gleichenia  geschmückt,  eines  prächtigen  
 frischgrünen  Farnkrautes,  das  sich  durch  eigentümliche  Verzweigung  
 der  Fiederblätter  auszeichnet.  Hier  und  da  erhebt  sich  auch  
 ein  schmucker  Farnbaüm  (Alsophila)  auf  schlankem  Stamme.  Die  
 stacheligen  Äste  und  Ranken  der  dicht  verworrenen  Lianen  und  
 besonders  die gefährlichen Dornenangeln  der  gefürchteten kletternden  
 Rotangpalme  (Calamus)  erschweren  sehr  das  Eindringen  in  
 dieses  Dickicht.  Übrigens  ist  das  auch  insofern  nicht  ungefährlich,  
 als  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Tiger  von  Johore  herüberschwimmt  und  
 sich  im  Dickicht  von  Bukit-Timah  verbirgt.  Die  für  seinen  Fang  
 gegrabenen  tiefen  Gruben,  locker  mit  Laubwerk  bedeckt,  können  
 auch  dem  botanisierenden  und  insektensammelndeu  Naturforscher  
 Gefahr  bringen. 
 Oben  auf dem Gipfel des Bukit-Timah  steht ein Regierungs-Rasthaus  
 mit  einem  Aussichtsturm;  der  Blick  von  demselben  umfaßt  
 ringsum  die  ganze  Insel,  ruht  auf  den  grünen  Waldmassen  der  
 umgebenden  Berge  und  schweift  im  Norden  hinüber  nach  Johore,  
 dem  südlichsten  Sultanat  der  Halbinsel  Malakka.  Neuerdings  war  
 wieder  ein  Tiger  über  die  schmale  Meerenge  von  Johore  herübergeschwommen; 
   er  machte  den  Wald  von  Singapur  unsicher.  Ein  
 krachendes  Geräusch  im  nahen  Urwalde  wurde  natürlich  scherzhafterweise  
 auf  diesen  Tigerbesuch  bezogen  und  mischte  einen  
 romantischen  Beigeschmack  in  die  heitere  Picknickstimmung  unserer  
 deutschen  Gesellschaft. 
 Ein  zweiter sehr  interessanter Ausflug wurde am  6. Oktober nach  
 Teban,  an  der  Ostseite  der  Insel  Singapur,  veranstaltet.  Hier  hat  
 die  Firma  Katz  ein  ausgedehntes  Gebiet  mit  Zitronellagras  (An-  
 dropogon  schoenanthus)  bepflanzen  lassen  und  eine  Fabrik  errichtet, 
   in  welcher  durch  dessen  Destillation  das  wertvolle  aromatische  
 Zitronella-Öl  in  größer Menge  gewonnen wird.  In  geringerer  
 Quantität  wird  daneben  noch  das  kostbare Patschuli-Öl  hergestellt,