
 
		Im  Urwald  von  Tjibodas 
 großen Reisen  nur noch  gesteigert worden  ist,  so sollte man  denken,  
 daß  die  Herstellung  solcher  Tropenbilder,  die  volle  Naturtreue mit  
 künstlerischer Auffassung vereinigen,  eine sehr  lohnende  und dankbare  
 Aufgabe  für  unsere  jungen  Landschaftsmaler  sein  müßte.  
 Trotzdem begegnen  wir  noch  heute,  ebenso  wie  früher,  auf  unseren  
 Kunstausstellungen  nur  sehr  selten  einer  Tropenlandschaft.  Ausgeführte  
 Ölbilder  des  Urwaldes  habe  ich  nur  von  Königsbrunn,  
 Bellermann,  Goering  und  einigen  englischen  Malern  gesehen.  Und  
 doch wies  schon Alexande r von Humboldt darauf hin,  wie wichtig  
 „die  Landschaftsmalerei  als  Anregungsmittel  zum  Naturstudium“ 
   sei. 
 Die  bedeutenden  Schwierigkeiten,  welche  einer  naturgetreuen  
 bildlichen Darstellung des tropischen Urwaldes entgegenstehen,  sind  
 durch  mehrere  Charakterzüge  desselben  bedingt:  durch  die  große  
 Zahl  der  ihn  zusammensetzenden  Pflanzenarten,  durch  ihre  sehr  
 verschiedenen,  vielfach  riesenhaften Dimensionen,  durch  das  Überwiegen  
 holziger Stämme,  die massenhafte Entwicklung von Parasiten  
 und Epiphyten,  durch  die  eigentümlichen lokalen  und klimatischen  
 Bedingungen  des Wachstums  usw.  Was  dem  Europäer  beim  ersten  
 Eintritt  in  den  tropischen  Urwald  am  meisten  auffällt,  ist  die  
 außerordentlich  große  Zahl  und M a n n ig fa lt ig k e it   der  Arten ,  
 die  ihn  zusammensetzen.  Bei  uns  in  Europa  finden wir vorwiegend  
 reine  Waldbestände;  unsere  schönen  Buchenwälder  sind  aus  einer  
 einzigen  Buchenart  gebildet,  die  Tannenwälder  aus  einer Tannenart  
 usw.;  und  selbst  in  unseren  gemischten  Waldbeständen  sind  meistens  
 wenige  Arten  ganz  vorherrschend,  hinter  denen  die  zwanzig  
 oder  dreißig  anderen,  einzeln  dazwischenstehenden,  völlig  zurücktreten. 
   Hier  in  dem  tropischen  Urwald  dagegen  beträgt  die  Zahl  
 der  verschiedenen  holzigen  Baumarten  oft  über  tausend,  und  diese  
 sind  so  bunt  durcheinander  gemischt,  daß  man  oft  nach  wenigen  
 Schritten  ein  Dutzend  anderer  sieht  und  lange  suchen  kann,  bis  
 man  ein  zweites  Exemplar  von  einer  und  derselben Art findet. 
 Die  Größe  der  einzelnen  Baumarten,  Höhe  und  Durchmesser  
 ihrer  Stämme  und  Äste,  Ausbreitung Mer  Wurzeln,  ist  im  Durchschnitt  
 sehr beträchtlich und derjenigen unserer  europäischen Waldbäume  
 weit  überlegen.  Alte  Prachtexemplare  unserer  Linden,  Eichen, 
   Buchen,  Tannen,  die  wir  ihrer  „riesigen  Größe“  wegen  sehr  
 bewundern,  würden  im  Urwalde  von  Tjibodas  nur  einen  mittleren  
 Rang  einnehmen;  höhere  und  stärkere  Stämme  finden  sich  hier  zu  
 Tausenden  vor.  Über  alle  anderen  empor  ragt  der berühmte Rasa-  
 malah-Baum,  welchen  Junghuhn  mit  Recht  den  „Fürsten  der  
 javanischen Wälder“ nennt  (Liquidambar Altingiana).  Sein  glatter,  
 H aeck el,  Insulinde.  3. Aufl.  7