
 
		B atavia  selbst,  die weitläufig  gebaute  Hauptstadt  von  Java  und  
 ganz  Niederländisch-Indien,  ist  so  oft  und  ausführlich  geschildert  
 worden,  daß  ich  nur  mit  wenigen  Zeilen  meine  Eindrücke  mit-  
 teilen will.  Die Stadt besteht aus zwei sehr verschiedenen Teilen,  aus  
 der  ursprünglichen,  nüchternen  Geschäftsstadt  Alt-Batavia  und  
 aus  den  umfangreichen,  später  angebauten  Vorstädten  von  Neu-  
 Batavia.  A lt-B a ta v ia   wurde  von  den  holländischen  Kolonisten  
 zuerst am  sumpfigen,  flachen Meeresufer  nach  dem Muster  holländischer  
 Seestädte  angelegt:  lange,  aus  Stein  gebaute  Häuserreihen,  
 die  sich  längs  der  Ufer  von  Kanälen  oder  Grachten weit  hinziehen,  
 berüchtigt  wegen  des  ungesunden  Klimas  und  besonders  des  gefährlichen  
 Sumpffiebers,  welches  vielen  tausend  Europäern  das  
 Leben  gekostet hat.  Gegenwärtig  werden  diese  feuchten, moderigen  
 Steinhäuser  von  den  Europäern  nicht mehr  als Wohn-  und  Schlafstätte  
 benutzt,  sondern  nur  als  Kontore,  Geschäfts-  und  Lagerräume. 
   Tagsüber  entwickelt  sich  hier  das  regste  Geschäftsleben,  
 abends  wird  es  still,  und  in  eignen  Equipagen,  Droschken  oder  
 Pferde-  und  elektrischer Bahn  fahren  die  Kaufleute  in  ihre  freundlichen  
 und  gesunden  Wohnungen  nach  den  Vorstädten  von  Neu-  
 B ata via  hinaus.  Unter  diesen  ist  die  größte  und  vornehmste  
 Weltevreden  (,,Wohlzufrieden  Die  schönen  und  geräumigen 
 Villen  derselben  liegen  an  schattigen  Alleen,  von  großen,  blumenreichen  
 Gärten  umgeben.  Die  Ausdehnung  dieses  Stadtteils  ist  sehr  
 groß  und  seine Bauart so weitläufig,  daß  man  ziemlich  eine  Stunde  
 braucht,  um  den  viereckigen,  inmitten  desselben  gelegenen  Exerzierplatz  
 (Koningsplein)  zu umgehen. 
 Von  öffentlichen  Bauten,  die  sich  architektonisch  auszeichnen,  
 und  sonstigen  besonderen  Sehenswürdigkeiten  Batavias  ist  wenig  
 zu  sagen.  Als Kuriosum mag  das  alte Tor  erwähnt werden,  welches  
 (irf  der  Nähe  des  Fischmarktes)  früher  in  die  Zitadelle  führte.  In  
 zwei Nischen  desselben  stehen,  zu beiden  Seiten  des Torbogens, zwei  
 Kolossalfiguren,  die  sich  durch  höchst  üppige  Ernährung  und  
 große  Glotzaugen  in  den  schwarzen  Gesichtern  auszeichnen.  Ich  
 hielt  sie  erst  für  ein  fürstliches  Negerpaar,  hörte  aber  dann,  daß  
 sie Mars  und  Athene,  als  Götter  des  Krieges  und Friedens,  darstellen  
 sollen.  In  der  Nähe  dieses  Tores  liegt  außen  im  Grase  ein  
 altes  eisernes  Kanonenrohr  (Mariam),  vor  dessen  Fußstück,  eine  
 eigentümlich  gestaltete  Faust  mit  „Ungarn“ -Daumen  darstellend,  
 beständig  Weihrauchwolken  emporsteigen.  Diese  Opfer  werden  
 von  malaiischen  Frauen  (angeblich  auch  europäischen  Damen)  gebracht, 
   welche  mittelst  derselben  Kindersegen  zu  erzielen  wünschen. 
 Der  ausgedehnte Hafen  von  Batavia —   sowohl  der  schlechte  alte  
 als  der  gute  neue  (Tandjon  Priok)  —   bietet  wenig  Besonderes;  
 ebenso  wenig  das  flache  Vorland,  das  sich  weit  nach  Süden  gegen  
 das Gebirge hin  erstreckt;  von  letzterem  ist meist wenig oder  nichts  
 zu  sehen.  Sobald  man  aber  von  Weltevreden  nach  Buitenzorg  hinauffährt  
 (mit  dem  Schnellzuge  in  fünf  Viertelstunden),  beginnen  
 sich  die  beiden  großen  Vulkane  zu  zeigen,  welche  für  die  Landschaft  
 von  Buitenzorg  den  charakteristischen Hintergrund  abgeben:  
 westlich der  stolze  Salak mit seiner  fünf zackigen Krone  (2 2 03 Meter  
 hoch),  östlich  der  höhere Gedeh mit  seinem Doppelgipfel,  dem  
 Pangerango  (2g35  Meter)  und  dem  eigentlichen  Gedeh  (2700  Meter). 
   Über  den  tiefen  Sattel  zwischen  Salak  und  Gedeh  führt  (von  
 Norden  nach  Süden)  die  Eisenbahn  in  das  herrliche  Preangerland. 
 An  dem  nördlichen  Abhang  des  Gedeh,  auf  halber  Höhe,  liegt  
 ( i 425  Meter  über  dem  Meere)  der  berühmte  Gebirgsgarten  von  
 T jib od a s   (d. h.  „Weißenbach“ ).  Er bildet ohne  Zweifel  die Krone  
 alles  dessen,  wodurch  die  tropische  Zauberwelt  von  Java  den  europäischen  
 Naturforscher  entzückt;  denn  er  bietet  ihm  in  bequemster  
 und  angenehmster  Form  —   die  in  ihrer  Art  einzige  Gelegenheit, 
   die  Wunder  des  tropischen  Urwaldes  ohne  Schwierigkeit  
 gründlich  kennen  zu  lernen.  Das  vortrefflich  eingerichtete  
 „Urwaldlaboratorium“ ,  das  oberhalb  des  Gartens  gebaut  ist,  gestattet  
 ihm,  nicht  nur  an  dem  Rande  des  Urwalds  oberflächlich  
 seinen  märchenhaften  Formenreichtum  zu  schauen,  sondern  mit  
 den  raffinierten  Hilfsmitteln  der  modernen  Technik  tief  in  seine  
 erstaunlichen  Geheimnisse  einzudringen.  Die  zehn  glücklichen  und  
 genußreichen  Tage,  welche  ich  hier  mit  meinem  Freunde,  Professor  
 Treub,  verleben  durfte,  werden  immer  zu  den  schönsten  und  
 reichsten  Erinnerungen  meines  Lebens  zählen. 
 Nachdem  ich  am  zweiten  Weihnachtsfeiertage  mit  meinem  
 Freunde  seinen  neunundvierzigsten  Geburtstag  gefeiert  hatte,  bestieg  
 ich mit  ihm  am  29. Dezember  in  der Morgenfrühe  den  leichten  
 dreispännigen Wagen, welcher  uns über  den  Puntjakpaß  in  vier  
 Stunden  an  den  Fuß  des  Gedeh  bringen  sollte.  Eine  ganze  Schar  
 Kulis  war  mit  unserem  umfangreichen  Gepäck  schon  tags  zuvor  
 hinaufgeschickt.  In  einem  zweiten  Wagen  folgte  uns  Dr.  Palla   
 aus  Graz,  ein  österreichischer  Botaniker,  der  seit  zwei  Monaten  im  
 Laboratorium  von  Buitenzorg  arbeitete.  Unser  Weg  führte  uns  
 anfangs  durch  das  lange  Chinesendorf,  dann  zwischen  ausgedehnten  
 Reisfelderterrassen  auf  der  schönen,  von  General  Daendels  
 durch  ganz  Java  gelegten  Heerstraße  gegen  Süden  nach  dem  Megamendung 
 gebirge .  Den  prächtigen  Urwald,  der  es  bedeckt,