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 in  diesen  Bergwäldern  sehr  still.  Die  Eidechsen  sind  durch  einen  
 braungelben  Leguan  (Calotes)  vertreten,  dessen  chamäleongleicher  
 Farbenwechsel nicht weniger lebhaft ist als derjenige  der verwandten  
 grünen Art in Buitenzorg.  Schlangen waren  selten.  Von Amphibien  
 fing  ich  öfter  einen  großen,  braunen  Frosch,  ausgezeichnet  durch  
 zwei  spitze,  dreieckige  Hautlappen,  die  sich  über  den  Augen  wie  
 Hörner  erheben.  Fische  konnte  ich  in  den  rasch  fließenden  Gebirgsbächen  
 nicht  entdecken. 
 Auch  das  Insektenleben  machte  sich  im  kühlen  Urwalde  von  
 Tjibodas bei  weitem  nicht  so  laut  und  so  auffallend bemerkbar  wie  
 tausend  Meter  tiefer  im  warmen  Buitenzorg.  Je  weiter  man  am  
 Vulkan  hinaufsteigt,  desto  weniger  tritt  dasselbe  hervor.  Bei  genauerem  
 Suchen  findet  man  zwar  überall  zahlreiche  Arten  von  
 Käfern,  Schmetterlingen,  Fliegen,  Heuschrecken,  vor  allem Massen  
 von  Ameisen  und  Termiten.  Aber  Schmetterlinge  und  andere  Insekten, 
   die  sich  durch  besondere  Größe  und  Färbung  auszeichnen,  
 sind  nicht  häufig.  Von  größeren  Tagfaltern  nahm  ich  bloß  ein  
 halbes  Dutzend  Arten  wahr;  eine  von  diesen  saß  häufig  auf  den  
 braunen Waldwegen,  deren  schützende  Farbe  sie  genau  nachahmte.  
 Ebenso war  von  Spinnen  nicht viel  zu sehen.  Einige kleinere Arten  
 fielen  durch  seltsame  Gestalt  des  querbreiten,  mit  harten  Stacheln  
 bewehrten  Chitinpanzers  auf  (Acanthosoma). 
 Eine  unangenehme  alte  Bekanntschaft,  die  mir  vor  neunzehn  
 Jahren  in  Ceylon  den  Aufenthalt  im  Walde  verdarb,  traf  ich  auch  
 im Urwalde  von  Tjibodas  wieder,  die  Landblutegel,  hier  Padjet  genannt  
 ;  sie  sind  jedoch  weit  seltener  als  dort.  Wir  wurden  gleich  
 am ersten Tage von  ihnen angefallen,  schützten uns dann  aber gegen  
 ihren  Biß  erfolgreich  dadurch,  daß wir  uns  vor dem Waldgang  die  
 Unterschenkel  mit  dem  stark  duftenden  Nelkenöl  einrieben.’' 
 Im  großen  ganzen  trägt  das  Tierleben  überhaupt  im  indischen,  
 westlichen  Teile  des  malaiischen  Archipels  bei  weitem  nicht  den  
 interessanten und  auffallenden  Charakter wie  im  australischen,  östlichen  
 Teile.  Die  eingehenden  Untersuchungen  über  diese  Erscheinung  
 und  ihre  Ursachen,  die  zuerst  vor  vierzig  Jahren  A lfr e d   
 Wallace  in  seinem  ausgezeichneten  Werke  angestellt  hat,  sind  in  
 der  Hauptsache  von  allen  neueren  Forschern  in  diesem  Gebiete  bestätigt, 
   wenn  auch  im  einzelnen  vielfach  modifiziert  worden,  so  
 neuerdings  besonders  von  Max  Weber  und  von  meinen  beiden  
 trefflichen  Schülern,  den  Jenenser  Professoren  Richa rd  Seinon  
 und W illy   Kükenthal. 
 Die  wundersame,  weltabgeschiedene  Einsamkeit  von  Tjibodas, 
 das  ungestörte  und  ungefährdete  Leben  im  unberührten  Urwalde,  
 das  anregende  und hochinteressante  Studium  seiner  Erzeugnisse  im  
 anstoßenden Laboratorium,  das erquickende, kühle Klima,  der herrliche  
 Blick  in  die  grünen Täler  und auf die blauen Grenzgebirge  des  
 entfernten  Unterlandes,  das  bequeme  und behagliche  Leben  in  dem  
 einfachen  Stationshause  —  das  alles  zusammen  übt  auf  den Naturforscher  
 und  Naturfreund  schon  nach  einigen  Tagen  einen  ganz  
 eigenen,  märchenhaften  Reiz  aus.  Semon,  Haberlandt,  Graff  und  
 andere  haben  diesen  Empfindungen  dankbaren  Ausdruck  gegeben.  
 Was  mich  selbst  betrifft,  so  fand  ich  hier  einen meiner  sehnsüchtigsten  
 Jugendträume  in  schönster  Form  erfüllt,  und  ich  werde  
 meinem  verehrten  Freunde,  Professor Treub,  immer  dafür  dankbar  
 bleiben,  daß  er  mich  dieses  zauberhafte,  von  ihm  zugänglich  gemachte  
 Urwaldparadies  in  angenehmster  Form  hat  genießen  lassen.  
 Die  zwanzig  Aquarellskizzen,  die  ich  von  dort  mitnahm,  werden  
 mich  immer  lebendig  an  jene  „zehn  glücklichen  Tage“  erinnern. 
 Übrigens  will  ich  nicht  das  materialistische  Geständnis  unterdrücken, 
   daß  an  der Wärme  dieser  Erinnerungen auch  die vortreffliche  
 kulinarische  Verpflegung  beteiligt  ist,  die  mir  mein  edler  
 Gastfreund  hier  oben  zuteil  werden  ließ.  Er  hatte  seine  alte  malaiische  
 Köchin  mit  hinaufgeschickt,  die  ihre  erstaunliche  Erfahrung  
 in  der-  feineren  französischen  Küche  (wie  in  der  landesüblichen  
 „Reistafel“ )  hier oben  unter  erschwerenden Umständen ebenso  
 glänzend  leuchten  ließ  wie  unten  im  warmen  Buitenzorg.  Ein  
 Hotel  gibt es  zum Glück  in  Tjibodas  nicht.  Fremde Besucher müssen  
 ihren  Proviant  mitbringen.  Ständig  dort  arbeitende  Naturforscher  
 vereinbaren  die  Beschaffung  ihres  einfachen  Unterhaltes  mit  
 dem  Gärtner,  der  täglich  Lebensmittel  aus  dem  eine  Stunde  entfernten  
 Sindanglaja  holen  läßt. 
 Den  Silvesterabend  1900,  den  letzten  Tag  des  scheidenden Jahrhunderts, 
   verschönte  uns  der  gütige  Himmel  dadurch,  daß  er  ausnahmsweise  
 seinen üblichen Gewitterregen  schon um  vier Uhr nachmittags  
 auf hören  ließ,  und  daß  diesem  ein herrlicher Abend  folgte;  
 der  ganze  Himmel  war  mit  phantastischen  Wolkenzügen  von  den  
 zartesten  Farbentönen  bedeckt,  und  die  scheidende  Sonne  vergoldete  
 die Rauchwolke,  die  aus dem Gedehkrater auf stieg,  so wunderbar  
 schön,  daß  ich  noch  in  der  letzten  Viertelstunde  des  Silvestertages  
 in  aller  Eile  eine  Aquarellskizze  davon  entwarf.  Den  Abend  
 saßen  wir  traulich  bei  einer  Flasche  Rheinwein  beisammen;  wir  
 gedachten  mit  Dankbarkeit  und  Stolz  der  unermeßlichen  Fortschritte  
 in  der Erkenntnis  der Natur  und  der natürlichen Wahrheit,  
 welche durch  die vereinten  Bemühungen unzähliger  trefflicher For- 
 H aeo kel,  Insulinde.  3. Aufl.  8