
 
		Da  die Mundöffnung  jedes  Einzeltieres  —   jeder  „Korallenperson  
 —   von  einem  Kranze  beweglicher,  oft  schön  geformter  und | gefärbter  
 Fangarme  oder  Tentakeln  umgeben  ist,  so  gewinnt  ihre  
 Gestalt  jene  strahlige  Blumenform,  die  früher  dazu  geführt  hat,  
 die  Korallenstöcke  für  echte  Blumenstöcke  zu  halten,  ihren  Organismus  
 für  eine  echte Pflanze.  Jetzt wissen wir  freilich  sicher, daß  
 jede  einzelne Korallenperson  ein echtes Tier ist,  ein Gewebetier oder  
 „Metazoon“   mit Mund  und Magen,  mit  Nerven  und Muskeln;  aber 
 Ein  Stock  (oder  Kormus)  der  B aum koralle  kleinen Wärzchen,  welche  die Äste  des  baumförmig(eMn aKdroerpaollrean)s. toDckiee s ubnezdäehclikgeenn,   sind  lauter  Einzeltferchen.  Die  gemeinsame  Ernährung  aller  dieser  sozialen  
 Einzeltiere  beruht  auf eiKno mermnäuhnriesnmduess;  Kdaien alMneatgz evneflrabsucnhdeenn  derselben  sind  durch  
 immerhin  bleibt  die  täuschende  Blumenähnlichkeit  doch  so  groß,  
 daß  auch  heute  noch  passend  die  Bezeichnung  „B lum en tie re “  
 (Anthozoa)  für  die  ganze  Korallenklasse  vielfach  verwendet  wird. 
 Die Mannigfaltigkeit der bunten  und  zarten Farbentöne,  der  zierlichen  
 und  ornamentalen  Zeichnung,  mit  welcher  der  Leib  der  
 lebenden  Koralle  geschmückt  erscheint,  ist  leider  an  den  in  Spiritus  
 oder Formol  konservierten  Tieren  nicht  zu  sehen,  ebenso wenig  
 wie  die  anmutigen,  sanften Bewegungen,  mit welchen  sie  im  Leben  
 ihren  Tentakelkranz  entfalten  und  wieder  einziehen.  So  kann  auch  
 nur  die  eigene  Anschauung  ein  vollkommenes  Bild  von  dem  Leben 
 Auf  der  Insel  Singapur 6i 
 der  Korallenbänke  geben,  von  dem  bunten  Treiben  der  unzähligen  
 anderen  Tiere,  die  nur  auf  ihnen  leben,  die  zu  ihnen  in  den  verschiedenartigsten  
 bionomischen  Beziehungen  stehen  und  dieser  besonderen  
 Zauberwelt  in  merkwürdigster  Weise  angepaßt  sind.  Da  
 huschen  zwischen  den  vielverästelten  Zweigen  der  baumförmigen  
 Madreporen  bunte  Fischchen  von  höchst  phantastischer  Färbung  
 und  Zeichnung  hin;  auf  den  runden  Blöcken  der  Asträen  und  den  
 Labyrinthgebirgen  der Mäandrinen  kriechen  und  schwimmen Massen  
 von  kleinen  Krebstieren  in  den  seltsamsten  Gestalten  und  aus  
 vielen  verschiedenen  Familien.  Dazwischen  sehen  wir  stattliche  
 Mollusken  mit  schönen  Gehäusen,  Riesenmuscheln  und  Riesenschnecken. 
   Besonders  interessant waren mir  aber  auf den Korallenbänken  
 von  Singapur  viele  seltene  Formen  von  fünfstrahligen  
 Sterntieren  oder  Echinodermen:  rote  Seesterne  (Asteridea)  mit  
 getäfeltem  Panzer,  bunte  Schlangensterne  (Ophiodea)  mit  -fünf  
 langen,  schlangenähnlichen,  zierlich  geringelten  Armen;  wurmähnliche, 
   durchsichtige,  lange  Seegurkeamit gefiederter Tentakelkrone  
 (Synapta).  Schwimmend  bewegten  sich  dazwischen  überaus  zierlich  
 Hunderte  von  Palmensternen  (Crinoidea)  aus  der  Familie  der  
 Comatuliden;  ihre  langen  zehn  Arme  sind mit  Tausenden  von  beweglichen  
 bunten  Fiederchen  besetzt.  Große  schwarze  Seeigel  
 (Echinidea)  aus  der  Gattung  der  Turbanigel  (Diadema)  starren  
 von  einem  strahlenden Walde  gefährlicher  Stacheln,  von  der Länge  
 und  Dicke  einer  starken  Stricknadel.  Diese  sind  mit  Kränzen  von  
 feinen  Widerhaken  umgeben;  bricht  ein  solcher  Stachel  in  der  
 Wunde  ab,  so  kann  er  eine  gefährliche  Entzündung  erzeugen,  um  
 so  schlimmer,  als  dazu  eine Vergiftung  tritt.  Diese  Diadem-Seeigel  
 besitzen  fünf  strahlende  Reihen  von  glänzenden  blauen  Augen;  sie  
 gewahren  sehr  wohl  die  Annäherung  der  Hand,  welche  sie  ergreifen  
 will,  und  richten  dann  ihre  Stacheln  als  Schutzwaffe  gegen  
 dieselbe. 
 Den  ganzen  Reichtum  der  Korallenstöcke  an  Insassen  gewahrt  
 man  aber  erst,  wenn  man  sie  aus  dem Wasser  nimmt und mit  dem  
 Hammer  zerschlägt.  Dann  wimmelt  es  von  flüchtenden  Würmern  
 und  Schlangensternen,  Krustazeen  und  Fischen,  welche  alle  in  den  
 Höhlungen  und  zwischen  den  Asten  des  steinharten  Kalkgebäudes  
 sichere Wohnungen oder  Zufluchtsorte besaßen.  Die ganze Lebensarbeit  
 eines  fleißigen  Naturforschers  würde  nicht  ausreichen,  um  
 das  reiche Beobachtungsmaterial  einer  einzigen  Korallenbank völlig  
 zu  bewältigen.  Dr.  Hanitsch  beabsichtigt,  auf  der  Insel  Blakang  
 Mati,  die  ganz  besonders  für  solche  Forschungen  geeignet  ist,  
 eine  Z o o lo g isch e   S ta tion   mit  marinen  Aquarien,  Laboratorien