
 
		in  die  Kabine,  als  ob  sie  die  verdienstlichste Arbeit  geleistet hätten.  
 Um  jedoch  nicht  die  Behauptung  aufkommen  zu  lassen,  daß  jemand  
 hungrig  zu  Bette  gehen  könnte,  werden  um  i o 1/2  Uhr  nochmals  
 delikate  „belegte  Brötchen“  serviert,  dazu  Limonade,  Tee,  
 frisches  Münchener  Bier  vom  Faß  usw. 
 Die  S p e is ek a r te   spielt  auf  den  Luxus-  und  Schnelldampfern  
 der  Gegenwart  eine  so  bedeutende  Rolle,  sie  beherrscht  so  sehr  das  
 „höhere  Geistesleben“  der  meisten  Passagiere,  daß  es wohl  geboten  
 erscheint,  hier  ein  Beispiel  derselben  zu  geben;  ich  wähle  F r e i ta 
 g ,  7. September  1900,  einen  „Fasttag“ ,  und  bemerke  dazu  noch,  
 daß  die  elegante,  mit  schönen  Vignetten  verzierte  Speisekarte  der  
 „Oldenburg“  täglich  auf  dem  Schiffe  selbst  gedruckt  wird:  
 L   F rü h sü ck   ( „Breakfast“ ),  8  Uhr:  Pflaumen,  Apfelsinen,  Melonen  
 ;  Hafergrütze, Milchreis ;  geräucherte Heringe,  gebratene Seezunge, 
   Filetsteak,  Hammelkoteletten,  Wiener  ßchnitzel,  frische  
 Bratwurst,  gebratener  Schinken  und  Speck;  gekochte  Eier  nach  
 Wunsch,  Eier  auf  italienische  Art,  Eierkuchen,  Spiegeleier,  Eierkuchen  
 mit  Kronsbeeren;  kalter  Kalbsbraten,  Ochsenzunge;  Brötchen, 
   Zuckerbrötchen,  Biskuits,  Marmelade,  Gelée,  Ingwer, Kaffee,  
 Tee,  Kakao,  Schokolade,  frische  Milch,  Sahne, g ä   IL  T i f f  in  
 („Lunchon“ ),  1 Uhr:  Linsensuppe, Fleischbrühe, Hammelkeule auf  
 englische  Art,  ungarisches  Gulyas;  geröstete  Küken,  Aprikosenkompott, 
   Apfelsinencreme,  Kaffee,  Tee;  dazu  noch:  Kalte  Speisen  
 nach Wunsch;  geräucherte  westfälische  Schinken, Mettwurst, Mortadella, 
   Nagelholz,  Ochsenzunge,  Kalbsbraten,  Geflügel,  Ölsardinen, 
   Aal  in  Gallerte,  geräucherter  Lachs,  Radieschen,  Tafelsellerie,  
 Salzgurken,  Oliven;  Salate  (Kartoffel-,  bunter  Gemüse-,  Tomaten-,  
 Geflügel-), Käse  (Edamer,  Schweizer, Lloyd). —   III. Diner  („Mittagessen“ 
   um  7  Uhr  abends) :  Kraftbrühe mit Reis,  Fischfilet mit  
 Krebssauce,  Chateaubriand,  gemischtes  Gemüse;  Ochsenzunge  auf  
 polnische  Art;  Puterbraten,  Kirschen,  Kopfsalat,  Schokoladenpudding  
 mit Vanillesauce,  Krachgebäck mit  Rahmeis,  Obst,  Nachtisch, 
   Kaffee. gl|i Nimmt man  nun  noch  dazu,  daß  diese  große Anzahl  
 von  auserlesenen  Gerichten  durch  Hamburger  und  Bremer  
 Köche  auf  das  schmackhafteste  zubereitet  ist  und  in  beliebiger  
 Quantität  verabreicht  wird,  daß  ferner  die  Weinkarte  dazu  eine  
 entsprechende  Auswahl  von  feinen  deutschen  und  ausländischen  
 Weinen  bietet,  so  wird  man  zugestehen  müssen,  daß  auch  der  verwöhnteste  
 Gaumen  hier  seine  Rechnung  findet. 
 Welcher  „M a te r ia lism u s “ !  Und  welcher  Gegensatz  zu  dem  
 „Monismus“  eines  idealistischen  Jenenser  Professors,  der  an  die  
 einfache  Thüringer  „Rostbratwurst“  und  an  das  duftende  „Rostbrätchen“ 
   gewöhnt  ist!  Aber  freilich  wird  dieses  frugale Mahl  auf  
 Opferaltäreu  —   gleich  denen  des  Homer  —   im  Freien  gebraten,  
 gewürzt  durch  ein  frisches  Glas  Bier  und  durch  den  herrlichen  
 Blick  in  das  grüne  Saaltal.  Trotzdem  habe  ich  es  für  zweckmäßig  
 gehalten,  jene  fürstliche  Speisekarte wörtlich  abzuschreiben,  einerseits, 
   um  zu  zeigen,  wie  der  „Norddeutsche  Lloyd“  bemüht  ist,  
 auch  die  höchsten  Ansprüche  der  Feinschmecker  zu  befriedigen,  
 andererseits,  um  durch  dieses  kulturhistorische  Dokument  daran  
 zu  erinnern,  daß  unsere  moderne  „imperialistische“  Kultur  auch  
 in  gastronomischer  Beziehung  dem Geschmack  der  römischen  Kaiserzeit  
 sich  wieder  bedenklich  nähert. 
 Die  fünftägige Fahrt  durch  das M itte lm e e r ,  vom  bis  9.September, 
   frischte  in mir  abermals  eine  reiche  Fülle  von  schönen Erinnerungen  
 auf,  gesammelt  bei  meinem  oft  wiederholten  Besuche  
 dieses  interessantesten  aller  Meere,  im  Laufe  von  vierundzwanzig  
 Jahren.  Schon  bei  der  Abfahrt  aus  dem  gewaltigen  Amphitheater,  
 welches  den  Hafen  der  stolzen  Genua  umschließt,  fällt  der  Blick  
 auf  die  wundervolle  R iv ie ra ,  dieses  bilderreiche Küstenland,  dem  
 wir  wohl  in  bezug  auf  landschaftliche  Schönheit  und  malerischen  
 Reiz  den  Vorrang  vor  allen  anderen  Teilen  Europas  zuerkennen  
 müssen.  Im  Osten  erhebt  sich  die  kühnere  Riviera  Levante:  Nervi,  
 Portofino,  Rapallo,  Sestri  Levante,  Spezia,  Porto  Venere;  —   im  
 Westen  die  anmutigere  Riviera  Ponente :  Pegli,  Sestri  Ponente,  Sa-  
 vona,  San  Remo,  Mentone,  Monaco,  Villafranca,  Nizza  usw.  Die  
 zahlreichen  Buchten  dieser  herrlichen  Küste  bergen  eine  außerordentliche  
 Fülle  von  schönen  und  interessanten  Seetieren.  Hier  
 hatte  ich  im  Herbst  i 856,  zuerst  in  Villafranca,  den  erstaunlichen  
 Planktonreichtum  des Mittelmeeres  kennen  gelernt.  An  viele  glückliche  
 Monate,  welche  mir  diese  reizvollen  Studien  später  an  den  
 Küsten  von  Italien  und  Sizilien  gewährt haben,  wurde  ich  auch  im  
 weiteren  Verlaufe  unserer  sonnigen Herbstfahrt  stündlich  erinnert.  
 Da  tauchte  bald  die  farbenreiche  Insel  E lb a   zu  unserer  Rechten  
 auf,  mit  ihren  roten  Eisenbergen  von  den  kühnsten  Formen;  ich  
 hatte  ihre  steilen  Klippen  im  Frühling  1889  durchwandert.  Weiterhin  
 erscheint  in  der Ferne  westlich  das  romantische  wundervolle  
 K o r s ik a ,  dem  ich  zweimal  (im  Frühjahr  1875  und  im  Herbste  
 1899)  einen  mehrmonatlichen  Besuch  abgestattet. 
 Am  Vormittag des  5. September  fuhren wir beim  schönsten  Sonnenschein  
 in  den  unvergleichlichen  Golf  von  Neapel  ein;  rechts  
 die  Sphinxstatue  des  Felseneilandes  Capri,  gerade  vor  uns  den  
 mächtigen  Vesuv  mit  seiner  piniengleichen  Rauchsäule,  links  die