reichliche, gar maassloso Ausbildung eines oder weniger Organe, welche
neben der Thecaspore dieser Function vorstehen konnten. Hier aber lernen
wir eine unerschöpfliche Fülle von Reprodiiotionsfähigkeit als nicht an
wenige Typen und Organe, sondern an eine grössere Zahl solcher geknüpft
kennen, als einen unwiderlegbaren Beweis, dass jedem iu solcher Masse oft
zugleich neben anderen zur Ausbildung gelangenden Typus eine morphologische
Sonderung zu der Vermehrung der Art günstigen Zwecken zufallen
muss. Schon hiermit wird die Frage nach der habituellen Gleichmässigkeit
aller in Betracht kommenden maci-oscopischen Gebilde verneint und
zugleich die andere bejaht. Allein die Bejahung wird auch auf einem
anderen Wege gegeben, durch eine vergleichende Betrachtung der Entwicke-
lungsgesohichte der betreffenden Gebilde, soweit dieselbe eben möglich ist.
Die Lichenologie bekümmerte sich mehr als ein halbes Jahrhundert
hindurch nicht um die Frage, welchem Reproductionsorgan die Arten und
Formen, mit denen sie sich beschäftigte, entstammen. Neben der Fortpflanzung
mittelst der Thecaspore nahm man wohl eine reproductive Thätigkeit
seitens des Lagers an, allein man machte, wie bereits hervorgehoben
wurde, seit Wa l l r o t h und M e y e r nie den Versuch, die Morphologie
dieser Reproduotion nach allen Seiten hin zu ergründen. Für alle von dem
Thallus ausgehende Reproduotion nahm man die Soredienbildung als Ausgang
a n , unbekümmert um das Dasein der anderen bekannten Organe,
legte sich aber nie die Frage vor, ob alle die von bekannten und unbekannten
Fortpflanzungsorganen erzeugten Fleohtenkörper stets dieselbe
Gestalt wiederholen. Allerdings gab es wohl einzelne Forscher, welche die
von Soredien muthmaasslich entstandenen Lager als solche beachteten und
in ihren lichenographischen Arbeiten hervorhoben, allein sie konnten es
nicht unterlassen, dieselben bald als Varietäten, bald als Formen der
betreffenden Arten hinzustellen. Vergeblich waren W a l l r o t h ’s viele und
eindringliche Worte gegen dieses Treiben ausgesprochen.
Der Gedanke nun, dass die Lichenen noch mit anderen Fortpflanzungsorganen
ausgerüstet sein müssen, lag, wie schon oben erörtert wurde, nahe
genug. Man musste die Vielseitigkeit der Fortpilanzungskraft der Flechten
aus den maunichfaohen Verhältnissen, unter denen eine grosse Zahl derselben
zu vegetiren vermag, herleiten, um so mehr als es zahlreiche Fleohten-
formen gibt, deren massenhafte Ausbreitung man weder aus der Sporenkeimung,
noch dem Soredienanfluge abzuleiten vermag.
Blicken wir uns nicht um nach den vielen Flechtenformen, sondern
bleiben wir bei den zunächst liegenden Gattungen Leptogium und CoUema
stehen, und mustern wir alle die vorhandenen desoriptiven Arbeiten
Wort für Wort, so müssen wir uns gestehen, dass allein nach den Diagnosen
und Beschreibungen die Arten abzugrenzen dem in die Lichenologie
eindringenden Forscher unmöglich ist. Gerade in dieser Wissenschaft ist
in Folge ihres ungünstigen Entwickelungsganges und wegen der der Forschung
sich entgegenstellenden, zumeist durch den ersteren bedingten,
Schwierigkeiten das Verfahren der privatim fortgepflanzten üeberlieferung
gepflegt. Eingedenk dieser äusserst schwachen Grenzen der Arten beider
Gattungen, welche selbst noch einer befriedigenden generischen Sonderung
harren, müssen wir uns gestehen, dass auch die anderen Arten von Leptogium,
von CoUema, ja wohl vieler anderer Lichenengattungen die Kenntniss
einer vielseitigen Reproductionsthätigkeit erwarten lassen, deren endliche
macroscopische Producte eben die specifische Sonderung als eine vergebliche
Arbeit bisher erscheinen machten. Mit welcher staunenerregender
Inconsequenz verfährt der Lichenologe der Gegenwart in seinen descrip-
tivon Arbeiten; was in dem einen Palle als Varietät oder Form, wird in
dem anderen in derselben Gattung bei durchaus gleichwerthigen Kriterien
als Unterart oder Art abgesondert. Dieses willkührliche Verfahren, welches
Kriterien für die specifische und die generische Trennung aufstellte, von
denen erst die Lichenologie der Zukunft den Nachweis führen so ll, ob
dieselben und wie weit ausdehnbar als solche gelten können, ist die traurige
Folge des Entwickelungsganges dieser Wissenschaft, welche ohne morphologische
Grundlage die tausende von Arten schuf, ohne doch für irgend
eine derselben zur Stunde einstehen zu können.
Dass die vielseitige Fortpflanzungsthätigkeit, wie sie hier erst an
einer einzigen Flechte hervortritt, eine sich typisch sondernde ist, bedarf
kaum noch einer weiteren Begründung. Macht man selbst die weitgehendsten
Zugeständnisse im Hinblicke auf die bekannte Variationsfähigkeit der Flechte
im elementaren Aufbaue, so ergibt sich doch immer, dass eine gewisse
Zahl unvereinbarer Grundformen übrig bleibt. Die Fortentwickelung der
behandelten Reproductionen, soweit sie bekannt wurde, begründete aber
noch mehr die typische Sonderung und stellte in Aussicht, dass auch die
unbekannt gebliebene Weiteren!Wickelung anderer in ebenso grundverschiedener
Weise verlaufen muss. Noch mehr als bei den übrigen Gewächsen
gilt bei so niederen Kryptogamen, wie den Flechten, die Erfahrung,
dass der macroscopische Habitus des Körpers nur die Summe seiner elementaren
Bestandtheile für das beschränkte Menschenauge ist. Wenn man
daher bei den systematischen Studien der Flechtenwelt vergeblich an den
vorliegenden Formen nach leitenden Grundgedanken forscht, so findet man
in dem elementaren Baue in überraschender Klarheit Unterschiede ausgedrückt,
welche der gesammte Habitus dem unbewaffneten Auge nur unvollkommen
durchscheinen lässt. Bedenkt man nun noch, dass auch die Flechte
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