Die Frage nach dem Wesen dieser Hyphe ist scheinbar leicht zu entscheiden,
da die Gebiete der Lagerunterfläche, in denen ich diese ersten Stadien
beobachtete, gar keine hypothalliuen Fasern, d. h. sogenannte Rhizinen
zeigt, sondern nur einen kurzen Pilz zarter Hypheraeufäden iu der bekannten
Eigenthümlichkeit (Taf. I, Fig. 30), zwischen denen die kurze dickere Hyplie
hervorragte. Es gelang aber nicht, naohzuweisen, ob diese Hyphe als eine
liypothalline Faser oder als eine direkt aus dem Thallus hervortretendo
Markhyphe aufzufassen sei. Von den Exemplaren, welchen diese Sprossung
eigenthümlich ist, gaben C und K am besten über die Entstehung, L Uber
die weiteren nächsten Stadien und L und K über die letzten Aufschluss.
Die Vermuthung, dass die beiden Zellohen durch Theilung aus einer
ursprünglichen hervorgegangen seien, wird sehr unterstützt durch die Thatsache,
dass mit dem Wachsthume der Mutterzello die Theilung fortsohreitet.
Endlich erlangt das Gebilde einen grössten Durchmesser von etwa 0,018
mm., in Wahrheit ist es aber nicht kugelförmig, sondern eine stark abgeplattete
Kugel, was man erkennt, wenn man es sich um sich selbst drehen
lässt. In Folge der Kaliwirkung vermag man durch die tiefbraun gefärbte
Membran die eiiigeschlossenen ebenso gefärbten Zellen zu erkennen (Taf. V,
Fig. 3). Einmal wurde auch eine ovale Zelle mit wenigen grossen Tochter-
zelleu beobachtet (Taf. V, Pig. 5). Schon der bisherige Darstellungsgang
gibt der Vermuthung Raum, dass mit diesem Blastema eine Wiederholung
des Goiiooystium-Typus vorliege, und der weitere Eutwiokelungsverlauf
lässt keine wesentiiohen Unterschiede erscheinen, welche davon abznhalten
vermöchten, diesen Körper als ein Gonocystium zu betrachten. Die im
ersten Augenblick kühn erscheinende Hinübernahme eines Organes, welches
ich als ein für die anfängliche Gonidienerzeugung des Lagers bestimmtes
hingestellt habe, in dieses Gebiet der Blastesis, soll sich im weiteren Verlaufe
der Darstellung als vollkommen gerechtfertigt heraussteilen. Demnach
kann ich, mich an die als bekannt vorauszusetzende Schilderung des
Gonocystium anlehnend, die folgende Schilderung kurz fassen. Die Gono-
cystidien, d. h. die Toohterzelleu, beginnen, nachdem ihre Vermehrung
abgeschlossen, auch hier zu wachsen, gleichzeitig beginnt aber die Ausbildung
und Vermehrung ihres Inhaltes, der Cystiogonidien. Die erwachsenen
Gonocystidien lassen gleiohfalls auf Behandlung mit Aetzkali durch
ihre durchsichtig gewordene Wand, deren Farbe zugleich in schmutziges
Violett übergegangen ist, den Inhalt erkennen.
Mir haben im Laufe dieser Darstellung an mehreren Punkten des
I leohtenlebens das Auftreten von Gonidien mit gefärbter Membran kennen
gelernt. Eigentlich besitzt sogar jedes Gonidium, überhaupt jede Zelle von
Leptogium myoehroum eine gefärbte Membran, deren Färbung gerade im
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Gebiete der Sprossung einen mannichfaohen Wechsel erleben kann, olme
dass damit wesentliche Unterschiede geschaffen werden. Die Hyphenendzelle,
welche sieh hier und in dom vegetativen Leben der Kruste zu einer
braunen Zelle aufbauchte, hatte in sich mindestens ein Microgonidium,
vielleicht aber mehrere solche. Dass diese letzteren als vollständige Zellen
ihre Membranen gleichfalls braunfärben, darf nach den analogen obigen
Beobachtungen gar nicht weiter auffallen. Unwesentlich ist es, dass jetzt
Zweifel an einer a n fa n g s stattfindenden Theilung der Gonocystidien entstehen,
viel wichtiger erscheint e s, darzutliun, ein wie helles Licht die
neuen Grundwahrheiten der Lichenologie auf solche Lebensvorgänge werfen.
Die Gonocystidien sind nichts weiter als Gonidien, die durch das Stadium
der Macrogonidien zu Metrogonidien übergehen, sowohl bei den ArchiUchenen
und SoleroUchenen, als auch bei den PhycoUchenen, sowohl im vegetativen
Leben der Kruste, als auch dem reproductiven eines hlattartigen Lagers.
Bereits a. a. 0 . habe ich auf die Üebereinstimmung der ArchiUchenen und
SeleroUohenen mit krustigem Thallus in ihrem Entwiokelungsgange hingewiesen
und betont, dass diese beiden Klassen erst in dem Augenblicke,
da einerseits das Cystiogonidium, andererseits das Angiogonidium zum
Thallogonidium sich ausbildet, auseinander gehen, dass erst das Thallo-
gonidium den Typus der Palmellaoeen oder Chroolepideen annimmt, dass
damit also die betreffenden Bildungen als Algentypen und als Kriterien für
die Systematik der Lichenen an Werth verlieren, zugleich aber S c h w e n d
e n e r ’s Lehre einen sehr bedeutenden Stoss erlitt. Hier erfahren wir
nun, das sogar ein PhyooUchen s. Th. Fr., d. h. eine mit dom Wostoo-Typus
ausgestattete Flechte denselben Gouooystium-Typus auszuhilden vermag.
Dass hier das Gonidium die von Anfang an vorhandene blaugrüne Farbe
bewahrt, ist eben eine Eigenthümlichkeit dieser Fleohtenreihe. Erst jetzt
gelingt es, über die Natur der Cystiogonidien sieh Klarheit zu verschaffen.
Dieselben sind Microgonidien beziehentlich Gonidien, welche in der ursprünglichen
blaugrünen Färbung verharren. Auch bei Leptogium myoohroum
vermehren sieh die Cystiogonidien, wie hei den ArchiUchenen es fortdauernd
geschieht, durch Theilung, offenbar zu dem Zwecke, möglichst viele Metrogonidien
und damit mehr Gonidienketten hervorzurufen. Ditreh die Farbe
gekennzeichnete Nbstoc-Gallerton, welche sich zu einer gemeinsamen Gono-
cystiumgallerte vereinigt darstellen, findet man ziemlich häufig in dem
Hypothallus der genannten Exemplare. Somit fällt der Glaocapsa - Typus
auch auf diesem Wege.
Ausser den geschilderten Gonocystien kommen ganz gleichgebildete,
aber bräunlichgelb gefärbte bei der imbrieaten Lagerform vor. Dieselben
machen genau dieselben Entwickelungsstadien durch, wie die soeben
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