r?
* :
4
lieiTschende Unsitte, Formen und Varietäten, sogar Arten aufzustellen,
unbekümmert um die Frage, ob sie wohl nur Erscheinungen des Lebenskreises
anderer sein könnten.
Da hei allen vom Thallus ausgehenden Fortpflanzungserscheinungen
natürlich stets die Frage der Gonidienerzeugung herantritt, so erscheint es
nöthig, ehe die betreffende Thätigkeit bei Leptogium myoehroum behandelt
wird, die Basis für alle folgenden Schilderungen festzustellen. Als Basis
dient aber die neue Lehre von dem Wesen des Fleohtenlagers. Hält man
an dem Grundgedanken fest, dass das Flechtengewehe in seiner dreifachen
Modification stets denselben Bau, namentlich eine mit Microgonidien versehene
Zelle, aufweist, so wird man zugestehen müssen, dass die Zeit, da
man bei allen Erscheinungen des vegetativen und reproductiven Lebens
der Flechten den Vorgang der Gonidienerzeugung zu beweisen hatte, vorüber
ist, da jede Flechtenzelle bereits die u n f e r t i g e n Gonidien einsohliesst,
in Folge dessen auch die ersten Anfänge von Organen und Vorkehrungen,
welcher Art sie immer sein mögen, bereits als Flechtenzellen Microgonidien
und damit auch die Gonidienkeime enthalten. Daher fällt hiermit der
Begriff einer endogenen freien Gonidienerzeugung fort, und auch die
endogene Bildung, wie sie daun bleibt, ist in Wahrheit nur eine Ausbildung
von Anfang an vorhandener Zellen, denn das Vorhandensein der Microgonidien
scheint die Möglichkeit einer endogenen freien Zellbildung von
vorneherein aufzuheben, was man bis zum Schlüsse dieser Arbeit im Auge
behalten möge. Damit fällt eigentlich auch der Begriff eines gonidien-
erzeugenden Organes fort, wenigstens aber erleidet derselbe eine Modification.
Als ich die Schilderung des Baues und Lehens der Flechten mit der
Darstellung zweier Organe, des Gonangium und des Gonocystium, begann,
schloss ich mich der herrschenden Anschauung von dem schroffen Gegensätze
der Gewebe des Fleehtenkörpers an, einem Gegensätze, der nur
durch den Nachweis von dem Bestehen eines, wenn auch beschränkten,
genetischen Verhältnisses ausgeglichen werden könnte. Die Darstellung
des an diese beiden Organe geknüpften Vegetationsganges bedarf jetzt einer
geringen Modification, durch welche die Wahrheit der Thatsachen nicht im
mindesten geändert wird. Die Hyphe, welche die Endzeile zu einem
Gonangium ausbildet, enthält in allen ihren Gliedern bereits Microgonidien,
also auch die Endzeile, die Anfangszeile des entstehenden Organes. Da
das Organ aus einer Vermehrung der ersten Zelle mittelst Theilung hervorgeht,
so enthält, wie auch die eingehende Untersuchung bestätigt, zunächst
jede Zelle der Gonangienkapsel mindestens ein Miorogonidium. Es entging
mir früher keinesweges, dass die aus denselben durch Druck entfernten
„Kerne“ matt blaugrün gefärbt sind. Daher steht es unzweifelhaft fest,
dass die erste Zelle des Gouaugienkernes gleichfalls bereits ein Microgonidium
als die Urmutter der späteren Angiogonidien umschliesst, dieses
nicht durch freie Bildung in ihrem Plasma zu erzeugen braucht. Es besteht
demnach die Differenzirung zwischen Kapsel und Kern bei dem Gonangium
nur darin, dass einige Zellen an die Ausbildung ihrer Microgonidien zu
Gonidien herangehen, während andere dieselbe unterlassen und damit als
Kapsel functioniren. Bei der Auffassung der Entstehung des Gonocystium
hat eine anloge Aenderung Platz zu ergreifen. Es umschliesst also auch
die zum Gonocystium sich ausbildende Endzeile der Hyphe ein oder mehrere
Microgonidien. Wie nun aber der Widerspruch mit den neuen Thatsachen
bei der endogenen Erzeugung des Gonocystidium gelöst werden kann, soll
erst später erörtert werden.
Da wir jetzt nicht mehr auf Hilfsmittel, wie die üebereinstimmung
in der Jod-Reaction, um die anatomische Einheit von Hyphenzelle und
Gonidium darzuthun, angewiesen sind, so erfährt auch die bisher herrschende
Anschauung von einer Umbildung der Endzeilen von Hyphenästen zu
Gonidien eine durchgreifende Aenderung. Schon früher hatte ich diese
den Gesetzen des Zellenlebens wenig entsprechende Auffassung dahin
geändert, dass eine innerhalb der betreffenden Zellen stattfindende Erzeugung
von Gonidien aiiziinehmen sei. Wie richtig diese meine Ansicht war,
beweist die neue Auffassung des lichenischen Gewebes, da jene Zelle als
Glied des Gono-hyphema gleichfalls bereits Microgonidien enthält, welche sich
nur zu Gonidien a u s z u h i l d e n brauchen. Es liegt ferner auf der Hand,
dass der analoge Vorgang als bei den Omplialariaceen, in den Copulations-
zellen gewisser Gallertfleohten, in den Endzeilen der gabeligen Hyphenspitzen
von CoUemata, an welche sich die entsprechenden Zellen bei Roceella
anschliessen dürften, stattfindend anzunehmen ist. Wie alle diese Processe
jetzt in einem ganz anderen Lichte erscheinen, so dienen sie aber auch
wieder gerade zur Unterstützung der neuen Auffassung des lichenischen
Baues, so dass jetzt die von A r o a n g e l i gemachte Beobachtung,') dass
in den Protothailusfasern von Pannaria iriptophylla Chlorophyll-Substanz
enthalten sei, gar nicht weiter auffällt. In Folge dieser neuen Auffassung
erscheinen aber auch alle im Folgenden geschilderten Keproductionserschei-
nungen in einer äusserst einfachen, leicht fasslichen Gestalt, da man auch
hier der Mühe der Beweisführung der Herkunft der Gonidien üherhoheii
ist. Demnach kann man erwarten, dass die ausserordentlichen Fortschritte,
') 1. 0. Tav. XII, Fig. 6.
'U
i Ul i l