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Der in allen seinen Theilen fertige junge Schlaucli (Taf. VI, Fig. 22)
besteht aus einer allgemeinen Membran, welche in einer zweiten inneren
die Sporen enthält. Dass der Schlauch in sieh eine andere Membran ein-
schliesst, ist eine Thatsache, welche allerdings bei Leptogkm nicht so sehr
einleuchtet, wie bei anderen Flechten, und zwar besonders bei gewissen
niederen Gattungen. Betrachtet man einen solclien jungen Schlauch, so
erscheint ohne die Annahme des Vorhandenseins zweier Membranen die
innere Contour, welche die Sporen und alle sonstigen Nehengebilde des
Schlauches umzieht, imerkläriicli. Um diese Erscheinung in dem optischen
Bilde zu erklären, genügt weder die Annahme, dass der die Sporen umgebende
Plasmaantheil des Schlauches in Folge molecularer Dichtigkeit oder
Lockerheit sich von dem übrigen im microscopischen Bilde durch eine
Linie markirt, noch die viel wertldosero Behauptung, dass eine Falte an
der Oberfläche dos Schlauches sich in derselben Weise erkennbar macht.
Sehr wohl bewusst bin ich mir des letzteren Umstandes, den ich an den
zahlreichen von mir untersuchten Schläuchen oft genug in verschiedenen
Variationen beobaciiten konnte,*) und durch welchen offenbar die Anschauung
veranlasst wurde, dass die Sporenschläucho der Flechten unter
Umständen Vcrdicknngsschicliten zeigen können.
Zum Verständnisse des Schlauchbaues will ich von den niederen
Flechten den pyrenocarpen Typus von Artliopyrenia und den Cyrtidula eigen-
tluimliohen einer Bespreciuing in Betreff der Sohlauchbildung unterziehen.
Der Anblick des Inneren eines jungen Apothecium von Cyrtidula gehört zu
den lieblichsten Bildern, welche das microscopische Studium der Lichenen
finden kann. Dieses Innere gleicht auffallend wegen des struppigen Frueht-
liyphensystemes mit den oft nur 6 bis 12 höchst winzigen eiförmigen noch
sporenleeren Schläuchen einem kleinen Vogelnestchen mit Eiern. Es ist
bekannt, dass den Gattungen Artlmnia und Cyrtidula der Unterschied
zwischen Ilypothecinm und Thecium nicht zugesprochen werden kann.
Allein wie die Morphologie des hochentwickelten Fruehtkörpers von Leptogium
lehrt, dieser Unterschied ist überall nur ein relativer. Und gerade
Cyrtidula zeigt deutlich, dass mit der gleichen Anlage des Inneren schliesslich
sich nur ein anderer Effect verbunden darstellt. Das anfangs lockere,
allmälig sich mehr oder weniger verdichtende Fruchthyphengefleoht, welchem
kaum eine an das Sterigma erinnernde Zeilbildiing voraufgoht, löst sich
nach oben auf, um zum Theil an die Schlauchbildung heranzugehen. Die
selbst in diesen so winzigen Gebilden bei höchster Vergrösserung und An-
*) Vergl. Taf. VI, Fig. 2 1 , wo die innere Linie der Schlauchspltze nur eine
Falte andeutet.
Wendung des weissen Lichtes ohne Benutzung chemischer Einflüsse blaugrün
schimmernden Fruchthyphen und Schläuche gestatten unerwartet
schöne, das höchste Maass von Geduld allerdings erfordernde Einblicke.
Die nach ilirer Ausbildung ovalen Schläuche schliessen am Grunde ein
kugeliges, oft bei weitem nicht die Hälfte des ganzen Volumen des jungen
Schlauches erreichendes, stärker lichtbrechendes Bläschen, in welchem die
Sporenbildung statthat, ein. Gerade an dem arthoniomorphen Sehlauohe
ist es klar, wie enge sich der Innenschlauch der Sporenmasse anlegt.
Seine Gestaltung hängt von der Gruppirung und dem Wachsthume der
Sporen ab. Wäre die Ansicht B a y r h o f f e r ’s unrichtig, so blieben alle
diese Erscheinungen unerklärlich, namentlich aber der Bau des jüngsten
Schlauches dieser Gattungen, welcher die Annahme der Ablagerung von
Verdickungssohichten entschieden zurückweist. In der That bedarf es auch
nur eines eingehenden Studium einzelner Arten beider Gattungen, um einzusehen,
wie der schon im frühesten Stadium des Schlauches zwischen beiden
Membranen befindliche bedeutende Abstand nicht nur nicht mit der Ausbildung
des ganzen Organes verhältnissmässig zunimmt, sondern sogar auffallend
in Folge der Ausdehnung jenes Inhaltes, der Sporen nämlich,
ahnimmt . *)
Aehnlich verhält sich die Schlauohbildung bei Artliopyrenia. Bei
dieser Gattung entspringen die Schläuche und Paraphysen von den hei
Ijeptogium vorkommenden analogen Sterigmata (Taf. V I, Fig. 23). Die
Ausbildung beider Membranen ist auch hier unzweifelhaft, indem der Inuen-
sack ,oft in seinem ganzen ümfange während der Anfangszeit seines Bestehens
frei in dem Schlauche liegt. Auch bei dieser Gattung geht die
Erzeugung des Schlauches in analoger Weise, wie hei Leptogium, vor sich,
leider aber grenzt das Studium derselben bereits an die Unmöglichkeit.
Es ist also die Thatsache unzweifelhaft, dass eine Reihe von Zeilen
einer Hyphe eine neue Membran abscheidet, welche selbstständig sich weiter
zu entwickeln vermag, rvas durch höchst lehrreiche Präparate erwiesen
dasteht. Ein ungemein iielles Licht werfen die Abnormitäten der Schlaucli-
bildung auf diesen Vorgang. Es kommt nämlich vor, dass sich die Membran
nicht gleichmässig von dem gesammten für den Schlauch bestimmten Bereiche
der Fruchthyphe abhebt. Bald sind es nur vereinzelte Stellen, wo
dieselbe fest aufliegt (Taf. VI, Fig. I I und 14 ), bald grössere Strecken
besonders im Falle einer gänzlich misslungenen Schlauchhildung (Taf. VI,
Fig. 19). Gerade die letzteren Fälle sind sehr lehrreich durch Anwendung
') Eine Erörterung des sogenannten Poruskanales, wolclie auf dieser neuesten
Anschanirngsbasis am klarsten austallen dürfte, soll unterlassen werden.
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