Fig. 30 imd 31 a). *) Welolier Abstand liegt zwischen diesen ganz frischen
und jenen alten Sporen vor! Wie lässt sich die Brücke zwischen beiden
Zuständen hersteilen? Als ich eine solche frische Spore iu mit etwas Actz-
kalilauge versetztem Wasser beobachtete, war ich genöthigt, etwa 5 Stunden
lang das Studium zn unterbrechen. Um das Präparat auszunutzen, wurde
dasselbe fixirt, mit reichlichem Wasser versehen, und der Wasserzusatz
mehrmals erneuert. Als ich das Studium wieder aufnahm, war ich erstaunt,
statt eines ovalen doppeltcontourirten, mit hlaugrünen Gonidien erfüllten
Körpers (Taf. III, Fig. 31 a) einen gänzlich farblosen parenchymatoiden
(dieselbe Fig. b) zu finden. Da auch die anderen Sporen desselben Präparates
den Wechsel zeigten, und bei einer Wiederholung des Versuches
das gleiche Ergebniss erfolgte, lag der Schluss nahe, dass nur der eingreifende
Einfluss des Wassers diese merkwürdige Erscheinung veranlasst
haben konnte, ebenso aber auch leuchtete die Unentbehrlichkeit eines
Aetzkalizusatzes bei den anatomischen Studien der Lichenen ein. Die
Gonidien der Spore waren durch eine massenhafte Aufnahme von Wasser
aufgebläht, hatten aber als eine Grenze für eine weitere Aufblähung die
umgebende Plasmamasse der Spore gefunden, und unter gleichzeitiger
Wirkung der Adhmrenz zwischen den Zellen waren jene parenchymatoiden
Gebilde entstanden, eine Zellengruppe war zn einem scheinbar mehrzelligen
Körper umgewandelt. Aus diesen Beobachtungen ging zunächst
hervor, dass die Annahme, dass die Sporen nur von Zellen durchsetzte
Plasmakörper se ien, alle Wahrscheinlichkeit für sich habe, denn, um alle
anderen Gründe unerwähnt zu lassen, es leuchtet ein, dass eine supponirte
allgemeine Sporenmembran sich gleiehfalls hätte anfblähen müssen. Ferner
folgt die Nothwendigkeit für die Lichenographie und Systematik, zuvor die
f r i s c h e n Sporen der Gattungen und Arten einer eingehenden Forschung
zu unterwerfen, che man den bisher eingeschlagenen Weg weiter verfolgt.
Es leuchtet ein, dass die zuvor mehr oder weniger lange Zeit eingetrocknet
gewesenen Sporen erst recht einer starken Wasseraufnahme fähig sind,
und damit mancher Irrthum in die Wissenschaft Eingang gefunden hat,
wie also die Sporen der Gattungen Gollema und Leptogium nur immer in
dem oben berührten Habitus beobachtet und abgebildet wurden. Man hatte
sich bisher zu sehr an die Vorstellung gewöhnt, dass die Fleehtenzelle
durch ihre grosse Zähigkeit der Untersuchung ein bequemes Object darböte,
jetzt jedoch wird man einsehen, mit wie grösser Vorsicht jede Beobach*)
Ich hebe ausdrücklich hervor, dass die beiden Darstellungen in jeder Hinsicht
naturgetreu sind, auch dass den betreffenden Präparaten nur ein geringer
Aetzkalizusatz gemacht wurde.
tung und Darstellung älterer, d. h. eingetrocknet gewesener Sporen hinzu-
nehmen ist.
Dass die Fleohtenspore in Wahrheit nichts weiter als ein gonidiales
Gebilde sei, war schon seit Jahren in mir ein stiller Glaube gewesen, und
fand daher bei mir die Beobachtung K ö r b e r ’s Zustimmung, indem ich
nur bedauerte, dass derselbe nicht durchschlagende Beweise heizubringen
vermochte. Ein anderer Lichenologe, welcher das Dasein eines grünen
Inhaltes der Sporen hervorhob, war S t i z en b e rge r . *) Er ist geneigt,
das Auftreten solcher Färbungen des Sporeninhaltes als Fluoresoenz-Er-
scheinungen oder in zu massiger oder übermässiger Korrektion der sphteri-
sohen und chromatischen Abweichung der Objeetive beruhend aufzufassen.
Dass dieses vor etwa 20 Jahren immerhin nicht unboreehtigte Urtheil auf
die vollkommensten Objeetive der Gegenwart nicht mehr anwendbar ist,
bedarf wohl keiner weiteren Ausführung. Als ich im Jahre 1873 meine
Monographie über Leptogium cornieulatum'^) schrieb, war der Gedanke an
einen im Flechtenkörper durchgehenden Grundbestandtheil, das Microgonidium,
bereits, wenn auch durchaus unfertig, vorhanden. Hätte ich
schon damals die chemische Behandlung in vollendeterer Weise ausgeführt,
namentlich einen bedeutend schwächeren Jodzusatz angewandt, so würde
vielleicht die betreffende Entdeckung etwas früher gereift sein. Schon
damals habe ich die Üebereinstimmung in der in den Sporen, den Paraphysen,
den Markhyphen und den Rindenzellen nach einer Behandlung
mit Jod eintreteuden grünen Farbe als eine sonderbare Thatsache hingestellt
mit der sicheren Hoffnung, später aus derselben eine die gesammte
Lichenologie reformirende Entdeckung ableiteu zu können, welche Erwartung
jetzt schon nach 5 Jahren in Erfüllung geht. Von dieser Hoffnung durchdrungen
hatte ich mich bemüht, die Microgonidien in meinen betreffenden
Sporendarstellungen genau vorzuführen und es damals nicht für überflüssig
gehalten, ein Präparat, welches eine reife Ijeptogium-^^oxe nach Kochung
mit Aetzkali und Behandlung mit Schwefelsäure und Chlorzmkjodlosung
als einen eiförmigen, doppeltcontourirten, mit kugeligen Zellen durchsetzten
Körper darstellte, abzubilden (1. c. Fig. 10).
Der Vorgang der Sporenbildung aus der Auflösung einer Hyphe zeigt
durch seine nothwendigerweise eintretende Unregelmässigkeit, unter welchen
Einflüssen die Ausbildung der Sporenzahl steht. Meistens werden bei
Leptogium mehr Sporen angelegt (Taf. V I , Fig. 2 2 ), als zur Weiteront-
wickelung bestimmt sind. Es würde diese schon längst bekannte Erschei-
*) Beitr. z. Flechtensystematik, (Sep. Abdr. 1862) p. 134.
2) Flora 1873, p. 360, Taf. IV.
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