bis dahin schon beträchtlich angewachsene Zahl von Bewe isen gegen
die Wahrheit der Lehre S c h w e n d e n e r ’s von dem W e sen der F le ch ten
um eine F ü l l e , und zwar von solchen der wuchtigsten Art verm
eh r t, überhaupt eine ungealmte Beweisführung über das wahre
W e sen des Lichen antr itt, in F o lg e dessen jene Theorie unhaltbar
wird. Jen e anderen hohen Aufgaben erschienen mir zu w ich tig , als
dass ich noch ein besonderes Kapitel etwa der aus allen hier vor-
gobrachtcn Thatsachen unabwendbar folgenden Vernichtung der Lehre
S o h w e n d e n e r ’s zu widmen mich veranlasst sehen konnte, umsomehr
als ich wohl eigentlich dom Le se r dies überlassen darf. Und seitens
des vorurthoilsfreien P ub lik um , namentlich se itens aller logisch denkenden
Naturforscher, welche sich jener L e h r e , da dieselbe nur auf
zwei unbewiesenen Hypothesen begründet dastand, nicht anzuschliessen
vermochten, sehe ich der vollen Zustimmung entgegen. Da ss man, um
über den Lichen aburthoilen zu kön n en , vor allem Lichenologe sein
muss, dieser vollberechtigte, von mir mit Nachdruck erhobene Anspruch
wurde erklärlicher W e is e sehr übel aufgenommen. Er erscheint durch
die vorliegende Arbeit wohl glänzend gerechtfertigt. D ie Physiologen
aber wähnten in dieser Frage allein das entscheidende ü r th e il sprechen
zu können und dürfen, indem sie sich durch eine Verachtung der
Stimme des Fachmannes, des Specialisten geradezu auszeichneten.
Um sich zu erklären, wie es möglich war, dass so mancher besonnene
Denker sich jener Lehre zuneigen k on n te , ohne sich inne zu werden,
dass der Stand der Lichenologie, der A lgologie und der Mycologie zu
derartigen folgenschweren Entscheidungen nicht befähigte, nicht berechtigte,
wird man die Zeitverhältnisse, den die Naturforschung der Gegenwart
durchdringenden Geist recht wohl berücksichtigen müssen. Und
eine spätere Geschichte möchte über S c h w e n d e n e r ’s Lehr e das
treffende Urtheil fä llen : S i e w a r e i n r e c h t e s K i n d i h r e r
Ze i t .
Mit diesem Epitaphium nehme ich als Lichenologe im Namen
meiner Faohgenossen von der Lehre S o h w e n d e n e r ’s Abschied. Von
der reinen Freude an dem Genüsse der grossartigen neuen Thatsachen
durchdrungen, wollen wir alle F eindseligkeiten vergessen. Reichen
wir uns alle, Lichenologen, Algologen und Mycologen, zu gemeinsamer
Arbeit die Hände! Sollten die neuen Errungenschaften zu allseitiger
und emsiger Thätigkeit auf den neugeschaffenen Forschungsgebieten
b egeistern, wie ich erhoffe, so würde ich in dem B ew ustse in , zu den
der W issenschaft erwachsenden, g ew iss höchst segensreichen Folgen
den Anla ss gegeben zu haben, überreichen Lohn für meine mühevolle
Arbeit finden.
S t e t t i n , am 28. October 1878.
Der Verfasser.