Die merkwürdigste Tliatsaclie, welche mich auf die im Folgenden
geschilderten Beobaehtnngeii an den Grcnzzellen vorbereitete, war, dass
die Gonidien der jüngsten aus den Ilyplien entstandenen Ketten sich nicht
allein durch die angegebene Viertheilung auszeiclmen, in Folge deren vier
neue hintereinander liegende Zellen entstehen, sondern dass die Viertheilung
auch vier Zellen so hervorbringt, das zwei derselben im Verlaufe der
Kette, zwei ausserhalb derselben zu liegen kommen, d. h. dass die vier
Zellen kreuzweise um einen in der Axe der Kette befindlichen Mittelpunkt
angeordnet sind. Auch dieses Verhältniss vermag man nur mit Aufgebot
der vollkommensten Technik festzustellen, da solche Gruppen (Taf. I, Fig. 14 ')
leicht als einfache Gonidien aufgefasst werden und auch wohl als solche
betrachtet sind. Alle diese Zellen, welche nur demselben Zwecke wie die
Grenzzellen dienen, wachsen unter gleichzeitiger Vermehrung ihrer Mioro-
gouidicn bis zu einem in unbestimmbarer Zeit eintretenden Stillstände.
Den Bau und das Wesen der Grenzzellen erkennt man am besten,
wenn man das ilnde einer Gonidienkette, deren letzte Zellen sieh zu solchen
umgewandelt haben, betraeiitet (Taf. I, Fig. 15, 19 und 20). Die an Microgonidien
ärmsten legen es zumeist klar, wcsshalb dieser ihr Inhalt ohne
chemische Behandlung nicht bestimmt erkannt werden konnte. Die Microgonidien
sind nicht selten selbst bei einer über sechszehn hinaus reichenden
Zahl noch zu Übersehen (Taf. I, Fig. 21). Erst wenn sie zu einer grösseren
Zahl heranwachsen, ist man genöthigt, ihre Kerne als Orientirungspunkte
zn benutzen (Taf. I, Fig. 20 b, c und 2 3 ), in Folge dessen man die Zahl
wenigstens annähernd abschätzen kann. Dass auch hier die bekannte Theilung
in der fortschreitenden Reihe 2, 4, 8 ii. s. w. statthat, ist unzweifelhaft,
da man nicht selten Grenzzcllen mit 8 , sogar mit 4 Microgonidien
finden kann (Taf. I, Fig. 17 und 18). Sehr selten jedoch findet man solche
mit nur 2 Miorogonidieu (Taf. I, Fig. 1 6 ), bisweilen kann man noch die
Theilung im Werden beobachten. Diese Beobachtung beweist, dass die
aus den Hyphen durch endogene Erzeugung hervorgegangenen Gonidienketten
nicht in allen ihren Zellen eine gleichmässige Vermehrung der
Microgonidien entsprechend dem Wachsthume der Zelle erfahren. Man
lernt ferner ans dieser Beobachtung, dass in einzelnen Gonidien das Streben
sich kundgibt, den Zweck einer Grenzzelle sehr frühe zu erreichen. Dieses
Streben nach einer Selbstständigkeit ist das Kennzeichen der Grenzzellen,
darin beruht es, dass sie sich von der alle Glieder berührenden Theilung aus-
schliessen, aber darum nicht aufhören als Zellen zu bestehen, vielmehr
') a und b in der Figur geben die Bilder einer oberfiäcliliohen und einer mittleren
Durchschnittsebene.
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nur um der Ausbildung ilires Inhaltes sich zuzuweuden, welchen man als
einen analogen Vorgang, wie er in der endogenen Gonidienneubildung
seitens der Ilyphenzelle bekannt wurde, anfzufassen hat. Blickt man zurück
auf den allniäligen Hervorgang des Gonidiensystemes aus dem Hyphengewebe
durch eine Modification des Vermehrungsvorganges, wie er dem
letzteren von Anfang innewohnt, und vergegenwärtigt sich, dass einzelnen
Zellen die endogene Gonidienerzeugung zufällt, so tritt es so recht vor die
Seele, dass eigentlich das Hyphengewebe in Gonidienketten aufgeht. Die
Vermehrung durch Theilung schreitet von der Hyphe zu der neugebildeten
Gonidienkette hinüber und so lässt es sich schon von vorneherein annehmen,
dass auch in der Gonidienkette der endogene Neubildungsprocess sich
wiederhole. In der That sind alle Gonidienzellen, welche der Erzeugung
neuer Ketten sich zuwenden, nur in der Gestalt abgeänderte Hyphenzellen.
Während sehr wahrscheinlich die auf endogenem Wege entstandenen Gonidienketten
sich zu den gewöhnlichen, wie sie die überwiegende Mehrzahl
im erwachsenen Thallus von Leptogium bilden, und welche nur hier und
da von Grenzzellen unterbrochen werden, entwickeln, haben die auf dem
anderen Wege entstandenen Gonidienketten offenbar die Bestimmung ihre
sämmtlichen Zellen früher oder später zu Grenzzellen auszubilden. Diese
letzteren Ketten, welche sich durch ihren an den hyphoiden Charakter
erinnernden Habitus (Taf. I, Fig. 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 und 14) auffallend
von den gewöhnlichen (Taf. I, Fig. 32, 33 und 34) unterscheiden, sind es,
in denen die Viertheilung in jener zwiefachen Variation eine häufige Erscheinung
ist, indem durch solche Vorgänge offenbar möglichst viele Neubildungsstätten
für Gonidienketten geschaffen werden sollen. Dass die in
den Grenzzellen als Muttergonidien oder Metrogonidien entstandenen kleinen
Gonidienketten wirklich durch eine gallertige Auflösung der mütterlichen
Zellhaut frei werden, lehren die knäuelförmig zusammengeballten, aus winzigen
Gonidien zusammengesetzten Gallerteinselehen, welche sich durch eine
stärkere Reaction auf Jod im Lager abheben und in allen nur denkbaren
Stadien innerhalb des Markes und in den grösseren Prolifioationen aufzufinden
sind.
Während die Metrogonidien, welche sich durch die auseinandergesetzten
Eigenschaften als solche kennzeichnen, mit der Ausbildung ihres Inhaltes
beschäftigt sind und diese auch ungestört vollenden, gibt es eine geringe
Anzahl unter ihnen, welche neben dieser Thätigkeit noch sich zu vermehren
strebt, und zwar wieder durch Theilung. Dass in üppig vegetirenden
Lagern diese Vermehrung vorkommt, beweist die Auffindung von Metrogonidien,
welclie in der ersten Theilung begriffen sind (Taf. I, Fig. 22) und
von grösseren mit einer gemeinsamen Hülle versehenen Gruppen derr
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