doch sein können.“ „Der Protothallus, sagt er, gleicht hier gewissermaassen
einem Rhizom, welches zeitlebens unter der Erdoberfläche fortvegetirt,
aber mit jedem Jahre secundäre Stammorgane zum Lichte emportreibt, die
dann in gesetzmässiger Sprossfolge das vegetabilische Leben zum Abschlüsse
bringen.“ Die Selbstständigkeit dieser Individuen in ihrer überraschenden
Grossartigkeit war S c h w e n d e n e r verschlossen, da es ihm unbekannt
war, dass jedes derselben hier und da noch vor der Apothecienbildung
einer Sprossung fähig ist. Die bekannte Ansicht A. B r a u n ’s , dass das
pflanzliche Individuum der Spross se i, gilt auf diesem Gebiete der niederen
Pflanzenwelt im vollsten Umfange. Vielleicht erwachsen der Lehre
vou der Individualität der Pflanze, welche wahrlich keine überflüssige
Frage ist, von dieser Seite sehr werthvolle Beiträge. Aeusserst lehrreich
ist für die Entscheidung dieser Frage das Verständniss des Cladonien-
Körpers. Die Glieder der gesammten Sprossfolge sind hier deutlicher ausgeprägt
als irgendwo anders, jedem derselben ist eine vollwichtig zur
Geltung kommende morphologische Bedeutung und somit grösstmögliehe
Selbstständigkeit zuertheilt, wesshalb ich, was schon seit Alters her geahnt
wurde, in dieser Gattung und ihren Nächstverwandteu den Höhepunkt der
Flechtenschöpfung erblicke.
Das Flechtenreich weiset einerseits eine erst durch wiederholte Sprossung
eingeleitete Fruchtbildung auf, andererseits stellt sie aber die Frucht
in Reihe und Glied neben die ersten Sprosse, die Areolen, welche das
Hyphothallium hervorbringt. Die gesammte Sprossfolge des Flechtenkörpers
erfährt eine Scheidung durch besondere Organe, in deren jedes der Anfang
eines Sprosses gelegt is t, bis das endliche Product, die Spore, in einem
besonderen Organe erzeugt wird. Das Flechtenindividuum bringt wieder-
hülentlich Sprosse hervor, die alle in dem einen Punkte als Individuen
gleichwerthig sind, und am Schlüsse sinkt diese selbstständige Reihe nochmals
auf einen Anfangspunkt, das Apothecium, zurück, ehe die Erzeugung
des Fortpflanzungsorganes möglich wird. Wie die Areole als Spross in
dem Gonangium und dem Gonocystium beginnt, so hat die Spore oder
richtiger die mit derselben beginnende neue Vegetation ihren Anfang in dem
Apothecium, sollte man daher nicht dasselbe als den Anfang einer neuen
Sprossung ansehen können? Für mich steht diese morphologische Bedeutung
des Flechtenapothecium unzweifelhaft fest, und ich werde die Wahrheit
dieser Auffassung an Leptogium, als einer der höheren Gattungen, darlegen.
Rufen wir uns zuvor die gesammte von dem Maschengewebe der Rindenschicht
des Lagers direkt oder indirekt ausgehende Sprossung zurück,
erinnern wir uns der Entstehung des Excipulum als eines corticalen Productes,
der Thatsache, dass die Sterigmata ausser dem gleichen Boden
auch im Baue sich den hypothallinen Fasern an die Seite stellen lassen,
so bedarf es eigentlich kaum einer weiteren Ausführung, dass der ganze
Akt der Sterigmahildung eine Sprossung und der Schlauch als der Schluss
derselben angesehen werden muss, um so mehr als gewisse Stadien des
letzteren im anatomischen Baue Acrohlastemen gleichen. Es ist vor allen
das bei vielen Fleohten im Gonotrophium befindliche Blastem (Taf. V,
Fig. 62), welches den ersten Stadien des Schlauches auffallend gleicht, um
auch hierdurch eine gewisse Üebereinstimmung des Apothecium mit dem
Gonotrophium, nämlich dass beide nur C omp l e x e v o n B l a s t e m e n
sind, darzuthun. Allein die Unvollkommenheit des Gonotrophium gegenüber
dem Apothecium erreicht ihren deutlichsten Ausdruck dadurch, dass
das endliche Product als secundärer Spross dem Apothecium, als dem tertiären,
vorangeht. Sollte da nicht das Apothecium als der Gipfel der
ganzen Sprossfolge nichts weiter als eine Sprosssoheide, als ein sprosserzeugendes
Organ sein?
Die auffallende Aehnlichkeit vieler Sporen mit hier geschilderten
Blastemen nimmt selbst den diesem Gebiete der Botanik gänzlich fernstehenden
Forscher für sich ein. Noch in den Schläuchen befindliche
Sporen lassen ihre Microgonidien alle Stadien bis zu ziemlich umfangreichen
Macrogonidien zurücklegen, und die Thatsache der fortdauernden Vermehrung
der Microgonidien in den letzteren berechtigt zu der Annahme, dass
dieselben zu Metrogonidien sich heranbilden. Wir lernten nun diesen Gang
der Gonidienhildung in den Erscheinungen der Blastesis kennen, und was
das Wichtigste ist, es konnte festgestellt werden, dass Metrogonidien von
Acrohlastemen in sich Gonidienketten erzeugen, um die Frage nach dem
Zwecke der in den Sporen eingeschlossenen Gonidien der Beantwortung
nahe zu führen. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die Thecaspore
als ein gonidienhaltiges Organ die Wiedererzeugung von Gonidema erwarten
lässt. Diese ungemein verlockende Anschauung scheint gänzlich der auf
die vielfach beobachtete Keimungsfähigkeit dieses Organes gegründete
Ein wand zu vernichten. Die Berechtigung dieses Einwandes aber, so
mächtig erschütternd auch derselbe zu wirken scheint, hängt allein von der
Bejahung der Frage ab, ob man berechtigt ist, die von Thecasporen der
Flechten ausgehende Weiterentwickelung der als Sporenkeimung in die
Pflanzenphysiologie eingeführten Bezeichnung unterzureihen.
Alle Sporenkeimung hat das Gemeinsame, dass der eigentliche
Akt von vorbereitenden Erscheinungen eingeleitet wird, unter denen
die Abscheidung einer neuen Membran seitens des betreffenden Plasmasackes
in den Vordergrund tritt, und dass diese neue Membran erst
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