Die Umbildung des Hyphema zum Gono-hyphema geht in sehr einfacher
Weise vor sich. Der Hyphema-Faden leitet die Umwandlung ein,
indem seine Zellen in engere anatomische Verbindung treten. Anfangs
sind die linsenförmigen Zellen sowohl im Hypothallus, wie im Thallus, so
aneinander gereihet, dass sie sich fast nur in einem Punkte berühren, in Folge
dessen natürlich ihr gegenseitiger Zusammenhang ein höchst lockerer ist.
Wenn sie sieh enger aneinander schliessen, berühren sie sieh so, dass ein
Viertheil der einen Oberfläche etwa in Verbindung steht. Von der Aenderung
des Zusammenhangsverhältnisses wird aber die Gestalt der einzelnen
Zellen jedenfalls beeinflusst, indem die bis dahin gewölbte Berührungsfläche
abgeplattet wird. Da man selbst hei höchster Vergrösserung und scharfer
Einstellung d e u t l i c h nur die Einkerbungen in dem Profilbilde erkennt,
während der Verlauf der Umrisse an den Berührungsstellen einen vollkommenen
Üeberblick kaum noch gestattet (Taf. I, Fig. 26 ), so erscheint
der flüchtigeren Beobachtung der Zellenfaden als eine Röhre, in welcher
grüne Kügelchen aneinander gereihet liegen. Wenn aber die Zelle nach
der erfolgten Einleitung zu wachsen beginnt, gibt sich das Wesen ihres
Baues zu erkennen, denn nachdem sie etwa ihren doppelten Durchmesser
erlangt hat, enthält ihr Lumen mehr oder weniger deutlich sichtbar zwei
kugelige Körper, die iu'Grösse, Farbe u. s. w. vollkommen kleinsten Microgonidien
gleichen (Taf. I, Fig. 23 b). Somit liegt der Schluss nahe, dass
das Innere der einzelnen Zelle des Hyphema aus einem äusserst geringen
Plasma mit einem Microgonidium besteht, also keine wesentlichen Unterschiede
von dem Inhalte der Zellen des Gono-hyphema und Gonidema
aufweist, selbst die gelbliche Farbe der Zellwand ist allen gemeinsam. Die
unwesentlichen Unterschiede betreffen die Gestalt der Zellen und die Zahl
der eingeschlossenen Microgonidien. Nicht selten gelingt e s , sehr lange
Hyphen zu isoliren, welche den Beweis für ein ebenso regelmässig fortschreitendes
Wachsthum der Zellen, wie eine gleiche Theilung der Microgonidien
darlegen.') Dieser regelmässige Fortgang der Umbildung zu einem
Gono-hyphema-Faden dauert oft noch in älteren, fast am Ende ihrer Umbildung
angelangten Hyphen an, so dass man ziemlich lange Strecken von
Gono-hyphema-Fäden findet, iu denen jede Zelle, der anderen an Grösse
gleichend, vier Microgonidien enthält, bisweilen kann man gleiche Strecken
beobachten, in denen sämmtliche Zellen die vier Microgonidien im Zustande
weiterer Theilung zeigen (Taf. I, Fig. 29). In diesen zuletzt geschilderten
Zuständen möchte die Hyphe als Objekt der Beobachtung schon
') Die in Fig. 23 b der Taf. I dargestellte Hyphe ist nur die Hälfte eines zur
Beobachtung gekommenen Fragmentes !
gedient haben, da sie jetzt ziemlich leicht als ein gegliederter Faden zu
erkennen ist.
Hiermit ist nun aber der Punkt erreicht, von dem die Betrachtung
über das Wesen des Gono-hyphema begann. Der Nachweis des genetischen
Zusammenhanges zwischen Hyphema und Gono-hyphema ist geführt, damit
aber auch zugleich erwiesen, dass das letztere nur als ein Mittelglied, als
eine Uebergangsstufe zwischen den beiden anderen zu betrachten ist. Dieser
Uebergang von der winzigen Hyphema - Zelle durch alle Stadien bis zur
Zelle des Gono-hyphema, durch alle Entwickelungsstufen des letzteren bis
zum Gonidema und endlich durch alle Bildungszustände des Gonidium bis
zum letzten Ende, dem Metrogonidium, ist noch mehr berufen, die anat
o m i s c h e Spaltung des lichenischen Gewebes aufzuheben, als es das
blosse genetische Verhältniss zwischen Gono-hyphema und Gonidema thun
konnte. Dieser Uebergang stellt es aber als eine Thatsache hin, dass das
Gewebe des Fleehtenkörpers sieh aus Modificationen e i n e r Grundzelle
zusammensetzt.') Die Frage nach dem Zwecke der drei in ihren extremen
Gestaltungen sehr unähnlich erscheinenden Modificationen gehört in das
gänzlich dunkele Gebiet der Physiologie der Lichenen, für welches gleichfalls
durch die in diesen Zeilen niedergelegten Thatsachen die erste
Grundlage geschaffen werden soll. Lassen wir daher dieses Räthsel
ungelöst! In dem reproductiven Leben der Flechte nun werden die
drei Gewebe durch so schroffe Grenzen geschieden erscheinen, dass man
ohne die Kenntniss des genetischen Zusammenhanges derselben an das
wirkliche Bestehen dreier Grundgewebe des Fleehtenkörpers glauben müsste.
Besonders aus diesem Grunde erscheint die Durchführung der neugeschaffenen
Terminologie nothwendig, denn ohne dieselbe würde auch die
weitere Darstellung an Klarheit viel verlieren.
Wie es so oft in den Naturwissenschaften zu geschehen pflegt, so
liegt auch in dem Hyphema keinesweges ein gänzlich unbemerkt gebliebener
Bestandtheil des Fleehtenkörpers vor. Es wurde nicht allein in seinen
späteren dem Gono-hyphema vorangehenden Stufen gesehen und sogar iu
Schriften der Anhänger der Sehwendenerischen Lehre bildlich dargestellt,
sondern es wurde auch in seinen Anfangsstadien beobachtet, aber nicht iu
seinem Wesen erkannt. Der erste, welcher von dem Vorhandensein eines
im Flechtenreiche sehr verbreiteten, neben dem bisher bekannt gewesenen
Gewebe vorhandenen Bestandtheiles eine Ahnung erlangte, ist N y I a n d e r.
1 ■■
') Am auffallendsten erscheint die anatomische Üebereinstimmung bei einem
Vergleiche der Hyphema-Zelle mit einem jüngsten Gonidium endogenen
Ursprunges.