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wohl mancher die abweichende Ansicht theilen, dass in jener Darstellung
zwei für sieh bestehende Sporen und das von diesen unabhängige Resultat
einer dritten Sporenkeimung vorliegt. Lediglich das Vorurtheil, dass die
Hymenialgonidien bei der Bildung des neuen Thallus eine wichtige Rolle
spielen, brachte S t a h l zu dieser so weit gehenden Erklärung. Die mehrzellige
parenchymatoide Thecaspore von Endocarpon pusülum enthält nun
aber, wie die gleichgebauete Hormospore von Leptogium myoehroum in
jeder Zelle ein Microgonidium, dessen Dasein natürlich St a h l unbekannt
blieb. Erinnert man sich der Weiterentwickolung der parenchymatoiden
Hormospore, welche darin besteht, dass jede Zelle zu wachsen beginnt,
während die Microgonidien sich vermehren, so kann mau sich, wenn
man der Thecaspore von Endocarpon die Eigenschaft der äusseren Zellenlage,
in Hyphen auszuwachsen, ziikommen sieht, von dem wahren Vorgänge,
welcher jene Thallusanlage hervorbrachte, leicht eine Vorstellung
machen, besonders wenn man, und zwar mit Recht, die nur 320-fach vergrösserten
grünen Zellen bei einer etwa 1000-fachen als mit Microgonidien
oder auch Gonidien angefüllt auffasst. Es ist hiermit der der ersten An-
dentiing in T u l a s n e ’s Beobaohtung folgende weitere Fortschritt des
gonidialen Inhaltes der Spore gegeben, denn dass derselbe selbstverständlich
einer Weiterentwiokelung fähig sein muss, deuteten schon die an der
Spore von Solorina crooea von mir gemachten Beobachtungen an. Es ist
zu bedauern, dass S t a hl , wahrsoheinlich durch sein Vorurtheil verhindert,
die Sporenkeimung nicht S c h r i t t v o r S c h r i t t in einer F ü l l e v on
S t a d i e n beobachtete und entsprechend in Wort und Bild darstellte, er
würde dann zu der wahren Auffassung der citirten Figur uud damit zu
Zweifeln an der Richtigkeit seiner Anschauung, dass Conglomerate von
Hymenialgonidien zu parenchymatoiden Geweben sich verwandeln können,
gelangt sein. Bei der Schilderung des auf das dargestellte Stadium folgenden
Fortganges der Entwickelung fasst sich S t a h l noch kürzer, und
daher konnte er nicht, um so mehr als er sich ungenügender optischer
Hilfsmittel bediente, zu der Ahnung von dem Dasein eines Hyphema und
dem Beginne der cooperativen Thätigkeit desselben gelangen, deren Eintritt
nach einer blossen Betrachtung der von T u l a s n e (1. c. Taf. XIII,
Fig. 12) dargestellten Keimung von Yerrucaria muralis unter richtiger
Auffassung der zahlreiohen als „petites molécules“ angesehenen Körperchen
als unzweifelhaft erscheint.
Erst jetzt ist für eine erfolgreiche Anwendung des Culturversuches
bei dem Studium der Sporenkeimung die genügende Basis gegeben. Die
bisher unzulängliche Kenntniss des Baues und Wesens des Fruohtkörpers
konnte nicht zu befriedigenden Erfolgen führen, ausserdem hatte man sich
zu wenig bemüht, dem Fleohtenleben seine Eigenthümlichkeiten abzulau-
sehen. Bei allen Culturen wird die grösste Sorgfalt darauf zu richten sein,
dass die ejaoulirte Spore mit einem vollständigen Hyphema umkleidet sei.
Dies und zugleich der erfolgreiche Fortgang des Versuches muss aber
abhängig gemacht werden von einer periodisch abwechselnden Befeuchtung
und Trockniss. Sehr falsch war bisher das Verfahren, lichenische Körper im
Experimente einer Tage und Wochen, gar Monate gleichmässig andauernden
Feuchtigkeit auszusetzen. Wo in der Fleohtenwelt kommen solche Lebens-
verhältnisse vor? Selbst nicht am Meeresufer und im schäumenden Gebirgsbache
untergetaucht wachsende Lichenen sind andauernd befeuchtet, denn
die erstereu sind von Ebbe und Fluth, vom Wellensohlage, die letzteren
aber von dem periodisch an- und absohwellenden Wasserstande *) beeinflusst.
Diese Verhältnisse müssen möglichst getreu durch Herstellung geeigneter
recht einfacher Apparate nachgeahmt werden. Man wird ferner
zuvor das Lehen der Versuchsfleohten in der Natur sorgfältig, namentlich
die Dauer der periodischen Feuchtigkeit an den betreffenden Standorten
beobachten müssen, ehe man die Culturen auf den hergerichteten Substraten,
deren Kochung man sich natürlich nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft
erlassen kann, beginnt. Da es mir anderer Arbeiten halber noch
lange versagt sein wird, dieses Gebiet zu bearbeiten, wollte ich es nicht
unterlassen, lichenologiseh gebildete Forscher, die sieh zu einer solchen
Bearbeitung hingeneigt fühlen, auf diese Punkte aufmerksam zu machen.
Wenn nun auch noch die vollkommene Bestätigung durch Culturen
erklärlicher Weise fehlen muss, so erlaubt doch der jetzige Stand unserer
Kenntniss des Fleehtenkörpers in seinen beiden Hauptabschnitten, namentlich
aber die Thatsache des gonidialen Wesens der Thecaspore und der
Begleitung der Hyphemkapsel den Schluss, dass d a s A p o t h e c i um ein
s p r o s s er z e u g en d e s Or g a n , u n d das B l a s t em der S c h l a u c h
mi t s e i n e r S po r e ist. Steht also schon desshalb die Thecaspore in
morphologischer Hinsicht gleichwerthig einem Blastem und einer Hormospore
gegenüber, so gewinnen die wenigen Einblicke in die sogenannte
Sporenkeimung an Bedeutung, um beweisen zu können, dass dieser gesammte
Prooess als eine Sprossung betrachtet werden kann. Die keimende Spore
*) Derselbe erreicht bekanntlich in Gebirgsbächen seine Höhe um Mittag, um
dann wieder zu sinken, bis in der Nacht der niedrigste Stand erreicht ist.
Diese der Feuchtigkeit so sehr bedürfenden Flechten sind also gerade zu
der Zeit, da die anderen der erforderlichen grössten Feuchtigkeit ausgesetzt
sind, in einer r e l a t i v e n Trockniss, da eine absolute bei diesen Formen
•wohl nie eintreten darf.